Grüne: «Rassistisch, diskriminierend, verletzend»
Mehrere Dutzend Grünen-Politikerinnen und -Politiker gingen Merz in einem offenen Brief scharf an. «Ihre Aussage ist rassistisch, diskriminierend, verletzend und unanständig», hieß es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Sie stehe für eine Sprache der Ausgrenzung und führe zu Gewalt.
Die Unterzeichner fordern eine öffentliche Entschuldigung insbesondere gegenüber allen, die täglich von Rassismus und Ausgrenzung betroffen sind. «Sie sind in erster, zweiter, dritter Generation hier, trotzdem sprechen Sie ihnen ihr Deutschsein und ihre Zugehörigkeit zu Deutschland ab – allein aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihres Namens.» Die Unterzeichner sind nach Grünen-Angaben Amts- und Mandatsträger und haben selbst Rassismuserfahrungen.
Empört reagierte auch der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp. Merz stärke «mit ressentimentgeladenen Sprüchen» die Rechtsextremen. «Als Kanzler eines Einwanderungslandes ist das unentschuldbar. Merz Welt- oder "Straßenbild" scheint gedanklich irgendwo in den 70er Jahren im Sauerland stehen geblieben zu sein – die sichtbare Flucht – und Einwanderungsgesellschaft im "Stadtbild" ist für ihn offenbar ein Problem.»
Kretschmer: Seit 2014 hat sich viel verändert
Kretschmer sagte hingegen über den gebürtigen Sauerländer Merz, dieser komme aus einem Landstrich in Deutschland, der immer sehr viel Migration erlebt habe, wo das völlig unkompliziert sei. «Und ich genieße es, ehrlich gesagt, wenn ich im Rheinland, Nordrhein-Westfalen bin, gerade auch in Köln, dieses unaufgeregte Miteinander.» Seit 2014 habe sich aber viel verändert.
«Die Zeitungen sind voll von Gewalttaten. Menschen, von denen wir dann feststellen, dass sie eigentlich vollziehbar ausreisepflichtig sind», sagte Kretschmer. Es sei nicht damit getan, dass die Anzahl der Menschen, die nach Deutschland kämen, reduziert werde, sondern es müsse auch gelingen, «unsere Normen, unsere Werte durchzusetzen. Und es gibt eben Menschen, die aus anderen Kulturkreisen kommen. Und das will man vielleicht auch mal dazu sagen, die in ihrem Leben so viel Schreckliches erlebt haben, dass sie nicht dazu bereit sind, nicht willens sind, sich an unsere Regeln zu halten.»
FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner verteidigte Merz. «Die Aussagen von Friedrich Merz zum "Stadtbild" haben nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun. Sich sicher fühlen zu wollen ist kein Luxus, sondern Staatsaufgabe.»
Andere Töne kamen von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU). «Berlin ist eine vielfältige, internationale und weltoffene Stadt. Das wird sich immer auch im Stadtbild abbilden», sagte Wegner dem «Tagesspiegel». Es gebe ein Problem «mit Gewalt, Müll und Kriminalität in der Stadt. Aber das kann man nicht an der Nationalität festmachen.»
Regierungssprecher: Nicht zu viel reininterpretieren
Regierungssprecher Stefan Kornelius hatte bereits am Mittwoch versucht, die Wogen zu glätten. Angesprochen auf den von Merz hergestellten Zusammenhang zwischen Rückführungen und dem Stadtbild sagte er: «Ich glaube, da interpretieren Sie zu viel hinein. Der Bundeskanzler hat sich zu dem geänderten Kurs in der Migrationspolitik der neuen Bundesregierung geäußert – übrigens in seiner Funktion als Parteivorsitzender, was er auch explizit so kenntlich gemacht hat.» Merz habe immer klargemacht, dass es sich bei der Migrationspolitik in seinen Augen nicht um Ausgrenzung handeln dürfe, sondern um eine einheitlich geregelte Zuwanderung.
Der Fall erinnert an frühere Debatten. 2023 hatte Merz etwa im Kontext von Krawallen in der Silvesternacht über den Umgang mit Lehrerinnen und Lehrern gesagt: «Und dann wollen sie diese Kinder zur Ordnung rufen und die Folge ist, dass die Väter in den Schulen erscheinen und sich das verbitten. Insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen.» Auch diese Äußerung löste eine Kontroverse aus.