Genauso schlimm wie Schottergärten? So reagieren Behörden auf die "Kunstrasen-Affäre"
Autor: Agentur dpa
Berlin, Dienstag, 04. Juli 2023
Kunstrasen ist pflegeleicht, spart Wasser und bleibt immer grün - viel besser als die umstrittenen Schottergärten, oder? Während sich immer mehr Menschen für Kunstrasen entscheiden, sehen die Behörden den Trend kritisch.
Wird Kunstrasen der neue Schottergarten? Letztere sind in vielen Kommunen bereits verboten. Doch auch das künstliche Grün ist nicht ohne Kontroversen. Erste Behörden ziehen nun Konsequenzen.
Statt gelber Steppe wollen viele Gartenbesitzer lieber leuchtend grünen Rasen. Und weil das immer aufwendiger wird, setzen einige mittlerweile auf Kunstrasen. "Es wird immer trockener, die Leute sollen und müssen die Wasserressourcen schonen. Da ist Kunstrasen die Alternative schlechthin", sagt etwa Nico Reichelmann von Premium Kunstrasen aus Kissing (Bayern). Für die biologische Vielfalt sei Kunstrasen "total wertlos": "Es wird keine Insekten darauf geben, keine Wildbienen und keine Nahrung für Vögel. Die heimische Fauna profitiert nicht davon", kritisiert dagegen Marc Marx vom Umweltbundesamt den Trend.
Voll im Trend: Ist Kunstrasen die bessere Alternative?
"Flauschig, 40 bis 50 Millimeter. Da geht der Trend gerade hin", sagt Andreas Wilshusen, Inhaber von Natürlich Kunstrasen aus Aschendorf (Niedersachsen). "In der Corona-Zeit haben sich viele zu Hause ihre Oase geschaffen. Damit ist das Ding ins Rollen gekommen", sagt er. "Einige Kunden fangen klein an und probieren es erst im Vorgarten, um später dann den ganzen Garten machen zu lassen", berichtet ein Mitarbeiter von Top Green aus Bernau bei Berlin. Gerade in Regionen, wo die Bewässerung reglementiert werde, sei das Wassersparen ein wichtiger Grund. In Bernau hat die Firma einen Schaugarten angelegt.
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Es gehe den Kunden auch um die Zeit- und Kostenersparnis, berichten verschiedene Verkäufer. "Bequemlichkeit", dieses Stichwort fällt häufig. Der Pflegeaufwand für Kunstrasen sei gering und gewässert werden müsse er auch nicht. Die steigende Nachfrage nach dem künstlichen Grün, das mittlerweile täuschend echt aussieht, sei eine ganz natürliche Entwicklung, meint Nico Reichelmann.
Doch dass Kunstrasen wirklich die bessere Alternative ist, bezweifeln Fachleute. Bodenexperte Marc Marx sieht Parallelen zu den berüchtigten Schottergärten: "Es ist natürlich keine umweltgerechte Gartengestaltung. Vermutlich heizen sich die Flächen wie bei Schottergärten stark auf." Der kühlende Verdunstungseffekt falle weg. Durch die fehlende Vegetation gebe es auch keine Staubbindung und keine Reinigung der Luft.
Kunstrasen und Schottergärten in der Kritik: So leidet die Natur darunter
"Der Kunstrasen ist nur das, was man an der Oberfläche sieht. Zuerst wird der Boden verdichtet, darauf kommt die Kiesdrainage, darauf Vlies oder Folie. In der Folge verhungert das Bodenleben und dadurch wird der Boden langfristig zerstört", erklärt Moritz Nabel vom Bundesamt für Naturschutz.
Spiegel-Bestseller von Judith Rakers: 'Homefarming: Selbstversorgung ohne grünen Daumen' bei Thalia ansehenDer unterirdische Lebensraum sei eigentlich sehr vielfältig. "In unseren Breiten findet sich dort fast die Hälfte der Biodiversität. "Unter Kunstrasen hungert der Boden aus und stirbt ab, denn er bekommt keinen Eintrag organischen Materials mehr von oben."