Bei einer Bundestagswahl könnten die Parteien demnach derzeit mit folgendem Ergebnis rechnen: CDU/CSU 27 Prozent (Bundestagswahl 32,9%), SPD 15 Prozent (20,5%), FDP 10 Prozent (10,7%), Grüne 23 Prozent (8,9%), Linke 7 Prozent (9,2%), AfD 10 Prozent (12,6%). 8 Prozent würden sich für eine der sonstigen Parteien entscheiden (5,2%). In dieser Konstellation wäre für Söder eine Regierung zusammen mit den Grünen denkbar - und nachdem er sich in den letzten Jahren bei einigen "grünen" Themen in Bayern bewegt hat, wohl auch vorstellbar. Andererseits wäre auch eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP denkbar - ohne die CDU/CSU und Markus Söder. Die Frage, ob Söder Chancen auf die Kanzlerwürde hätte, hängt stark am Umgang der jetzigen Regierung mit der Corona-Krise und der Verarbeitung der politischen Skandale der letzten Zeit durch CDU/CSU und weniger an der Person Markus Söder. Eine Prognose ist deshalb derzeit noch nicht möglich.
Würde Söder sein Ministerpräsidenten-Amt im Wahlkampf niederlegen?
Das ist sehr unwahrscheinlich. Dass Ministerpräsidenten als Kanzlerkandidaten agieren, ist mittlerweile Normalität in der Bundesrepublik. Auch Markus Söders Konkurrent Armin Laschet ist Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Und Markus Söders prominenter Vorgänger Edmund Stoiber führte seine Kanzlerkandidatur 2002 ebenfalls aus der Position des bayerischen Ministerpräsidenten.
Ein Nachfolger drängt sich derzeit nicht auf. Auch dass wohl einer der Gründe, warum Markus Söder seine Kandidatur nicht aggressiver vorantreibt. Denn Söder hatte es in Bayern geschafft, die CSU wieder zu stabilisieren und etwas von der CSU-typischen Selbstverständlichkeit zurückzubringen - trotz der nicht so überzeugenden Ergebnisse in der letzten Landtagswahl.
Als möglicher Nachfolger kursieren verschiedene Namen: Staatskanzleichef Florian Herrmann, Finanzminister Albert Füracker, Innenminister Joachim Herrmann und Landtagspräsidentin Ilse Aigner werden regelmäßig genannt. Für Aigner würde sprechen, dass Söder sich dafür stark gemacht hat, Frauen in der CSU zu stärken. Vermutlich wird es ein Zweikampf um die Macht in Bayern: Diese Namen haben die besten Chancen auf die Nachfolge.
Eine klare Tendenz wird sich jedoch erst zeigen, wenn Söder sich tatsächlich als Kanzlerkandidat aufstellen lässt. Erst dann werden sich die potenziellen Nachfolger positionieren und aus der Deckung trauen.
Würde es Neuwahlen in Bayern geben?
Die nächste reguläre Landtagswahl in Bayern ist für den Herbst 2023 angesetzt. Sollte Söder tatsächlich in die Bundespolitik wechseln, sind Neuwahlen nicht unbedingt zu erwarten. Der Ministerpräsident wird laut bayerischer Verfassung vom Landtag gewählt. Dies gilt auch für den Fall, dass der aktuelle Ministerpräsident während der Legislaturperiode aus welchen Gründen auch immer zurücktritt.
Sollte Söder also zurücktreten, bedeutet dies automatisch auch den Rücktritt der Staatsregierung (Art. 44 Abs. 3 S. 3 BV), also aller Minister und Staatssekretäre. Der Landtag müsste dann einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Nur wenn die Wahl nicht innerhalb von vier Wochen zustande kommt, muss der Landtagspräsident den Landtag auflösen (Art. 44 Abs. 5 BV). Dann erfolgen Neuwahlen.
Würde Söder als Kanzler nach Berlin ziehen?
Eine Pflicht im Bundeskanzleramt in Berlin und der dort zur Verfügung gestellten Kanzlerwohnung zu wohnen, existiert nicht. Gleichwohl: Es ist kaum vorstellbar, dass der deutsche Bundeskanzler nicht in Berlin wohnt. Zu viele logistische und zeitliche Gründe sprechen gegen eine solche Lösung. Insofern: Ja, als Bundeskanzler würde Markus Söder wohl zumindest zeitweise nach Berlin ziehen.
Welche Folgen hätte eine gescheiterte Kandidatur für Markus Söder?
Doch was wäre, wenn Söder nicht gewänne? Oder schon bei seiner Kandidatur scheitern würde? Ist der Verlierer der Kandidatenkür am Ende nicht so politisch beschädigt, dass er sein Amt als Parteichef überhaupt weiterführen kann?
Der Franke muss hier wohl keinen Putsch befürchten. Dies liegt zum einen an seiner unangefochtenen Machtposition, die er gerade in der Corona-Krise sehr gut ausbauen konnte. Zum anderen - auch das gehört zur Wahrheit - drängen sich aber auch keine Konkurrenten ins Bild. "Söders Glück ist, dass es keinen zweiten Söder gibt", sagt ein CSU-Vorstand. In der CSU scheint es unstreitige Meinung, dass Söder auch im Falle einer Entscheidung für Laschet vordergründig ohne Machtverlust seine Arbeit als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef fortsetzen kann. In Bayern gibt es sogar Stimmen, die davon ausgehen, dass Söder in diesem Falle von den Wählern besonders wohlwollend wieder aufgenommen würde, denn schon lange sprechen sich in Umfragen die Menschen im Freistaat mehrheitlich gegen einen Gang von Söder nach Berlin aus.
Klar ist aber auch, dass sich das Image Söders als Erfolgspolitiker neu justieren müsste. Nicht zum ersten Mal übrigens, denn schon bei der Landtagswahl 2018 in Bayern, als Söder Spitzenkandidat war, musste die CSU schwere Verluste hinnehmen. Am Ende ging die Wahl aber dennoch zumindest für Söder als Erfolg ins kollektive Gedächtnis ein, da er mit der Koalition mit den Freien Wählern die Regierungsmacht für die CSU sicherte. Dass die absolute Mehrheit verloren ging, wurde Söder nie wirklich angekreidet.
Ungeachtet der Kandidatenfrage gehen Söder wie Laschet aber noch ein weiteres Risiko ein. Denn nach der Kandidatenkür steht die Union ja noch vor der nicht minder schweren Aufgabe, bei der Bundestagswahl erfolgreich zu sein. Längst deuten Umfragen darauf hin, dass dies keineswegs ausgemachte Sache ist. Eine Niederlage im Herbst wäre für beide Parteichefs in jedem Fall das noch größere Problem. Denn die Verantwortung liegt dann eben nicht nur beim Kanzlerkandidaten, auch wenn er die Kampagne anführt. In den Geschichtsbüchern werden dann für immer die Namen Laschet und Söder mit dem Verlust des Kanzleramtes nach 16 Jahren Angela Merkel verknüpft.
rowa/mit dpa/Foto: Michael Kappeler/dpa
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