Seit 2011 spielen die Shanty-Rocker von Santiano einen Hit nach dem anderen ein. Dabei setzen sich die Bandmitglieder konsequent für Demokratie und Menschlichkeit ein. "Und dann musst du eben auch in Kauf gehen, dass Leute gehen", fand Sänger Björn Both im WDR-Talk "Kölner Treff" deutliche Worte.
Seit Jahren gehören Santiano zu den beliebtesten und erfolgreichsten Bands in Deutschland. Ihr neues Album hat es wieder mal ganz nach vorne in die Charts geschafft. Darauf ist Björn Both natürlich unglaublich stolz. Er ist Frontmann und Sänger der Band und am Freitagabend Gast in der WDR-Talkshow "Kölner Treff".
"Mein Vater hat zu mir gesagt: Lerne erst etwas Vernünftiges, und dann kannst du mit der Gitarre losziehen", erzählt Both in der von Micky Beisenherz und Susan Link geleiteten Talk-Runde. Da müssen sich die Väter der Bandmitglieder einig gewesen sein. Denn alle sechs Musiker haben auch ganz normale Berufe: Bademeister, Uhrmacher, Heilpädagoge, Architekt, Erzieher und Maschinenbauer. "Bei mir war das nur die Ausbildung zum Maschinenbauer", sagt Björn Both. "Dann habe ich das Glück gehabt, von der Musik leben zu können."
Björn war 47 Jahre alt, als der Erfolg kam. "Wir haben seitdem nicht einen erfolglosen Tag gehabt", ist die Bilanz von Björn Both.
"Wir machen das große Fass auf." Das war Santiano klar, als sie sich 2011 getroffen haben, um einer Musikrichtung auch in Deutschland auf die Beine zu helfen, die es schon in vielen Ländern zum Erfolg gebracht hat: Folkrock. "Es war wie ein Traum", sagt Björn Both. Und dass der Erfolg erst spät im Leben kam, findet er okay. "Dann hast du Geld bis zum Ende", grinst er.
"Das ist eine teuflische und miese Krankheit"
Die Norddeutschen seien so etwas wie eine "Seemannschaft", erzählt Björn Both. Das bedeute, füreinander einzustehen. Jeden Tag. Und da ist egal, wer zur Crew gehört, sagt der Musiker, der jede Form von Rassismus ablehnt. "Seemannschaft ist für mich wie ein Kodex, der auf die ganze Gesellschaft angewendet werden kann. Das bedeutet, dass man füreinander einsteht. Seefahrer waren wahrscheinlich die ersten Kosmopoliten auf dieser Welt, denn um sich auf seine Nebenfrau oder seinen Nebenmann verlassen zu können, hat es von Anfang an und immer schon ein bisschen mehr gebraucht als Religion oder Hautfarbe. Dass Du ein anständiger Mensch bist, zeigt sich in allen Aspekten."
Das gilt für alle in der Band. Das hat auch Gründungsmitglied und Gitarrist Andreas miterleben dürfen, den eine schwere Krankheit getroffen hat. "Und das ist kein Almosen und keine Freundschaftsgeste. Wir brauchen ihn auch." Bei Andreas Fahnert wurde vor einigen Jahren Parkinson festgestellt, bei Live-Auftritten kann er nicht mehr dabei sein. "Das ist eine teuflische und miese Krankheit, das muss man ehrlich sagen", so Björn Both.
Bevor sich die Band 2011 traf, hatten schon alle Mitglieder mehr als 20 Jahre Musikerfahrung. Bei Björn Both kam die Liebe zum Meer noch dazu. Sein Vater war Kapitän, und er und seine Geschwister haben ihre Kindheit "auf See" verbracht. Mit dabei war die Großmutter. "Die hat die Musik in unsere Familie gebracht", sagt Björn Both. Sein Vater spielte Akkordeon. "Und er war ein richtig Guter. Das habe ich erst ganz spät festgestellt."
"Und dann musst du eben auch in Kauf gehen, dass Leute gehen"
Was ihm nicht gefällt: Die Musik von Santiano wird gerne von Menschen gefeiert, mit denen die Band nichts gemeinsam hat: Menschen aus der rechten Ecke. "Das sind Leute, die zum Beispiel den Begriff Heimat ganz absurd verwenden. 2015 haben wir das gemerkt. Da ging es auch mit der Pegida-Bewegung los. Da haben wir gemerkt: Hier verrutscht richtig was. Wir sind seit zehn Jahren dabei, darauf hinzuweisen, was sich hier am Horizont zusammenbraut. Die dunklen Wolken stehen fast schon über uns", mahnt Both.