Boris Palmer schockt bei "Maischberger" mit AfD-Vorschlag: "Schauen, was passiert, wenn die mitregieren"

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Maischberger
Philipp Türmer (links) und Boris Palmer zoffen sich bei Sandra Maischberger.
WDR/Oliver Ziebe

Boris Palmer ist der bekannteste Oberbürgermeister Deutschlands. Bei Sandra Maischberger soll er sich ein wenig mit JUSO-Chef Philipp Türmer streiten. Vor allem am Ende des Gesprächs geht es hoch her. Da wird über einen eigenwilligen Vorschlag Palmers diskutiert.

Die Bundesregierung streitet. Und das schon seit Monaten. Aktuell geht es um die Rente. Dort sind sich vor allem junge Abgeordnete der Union mit ihrer Parteiführung uneins. Bei Sandra Maischberger treffen sich zwei Politiker, die eigentlich gar nichts mit dem Rentenstreit zu tun haben. Doch das sie sich zanken werden, ist klar.

"Ich bin überzeugter Sozialdemokrat", sagt Juso-Chef Philipp Türmer, "und ich kämpfe dafür, dass die Sozialdemokratie wieder zu dem wird, das sie mal war: Eine starke Partei vor allem derjenigen, die von ihrer Arbeit leben." Darum ist der Politiker auch mit der Bürgergeldreform nicht einverstanden. Er unterstützt ein entsprechendes Mitgliederbegehren in seiner Partei. Die Parteispitze hat sich mit der Union auf eine Reform bereits verständigt.

"An entscheidenden Stellen geht diese Einigung in eine falsche Richtung", findet Türmer. "Ich finde es zum Beispiel falsch, dass Menschen, die beispielsweise mal einen Brief nicht öffnen, die Leistungen komplett gestrichen werden, einschließlich der Miete. Das bedeutet, man wird damit Leute in die Wohnungslosigkeit treiben." Es gebe einen gewissen Standard, der zu einem Sozialstaat gehöre, und den müsse man auch sichern.

Boris Palmer und Philipp Türmer streiten sich über die Rente

Boris Palmer ist der bekannteste Oberbürgermeister Deutschlands. Auch das Stadtoberhaupt von Tübingen würde sich wünschen, dass die Regierung mehr für die arbeitenden Menschen täte. Er ist jedoch der festen Überzeugung, "dass wir in den Behörden keine mitleidlosen, unbarmherzigen Trottel haben". Zu Türmer gewandt sagt Palmer: "Das, was sie da unterstellen, wird nicht stattfinden. Das machen unsere Behörden nicht. Das sind nämlich alles kluge Leute, die mit Augenmaß handeln. Sie bauen sich da einen Popanz auf, um danach die Obdachlosen zu verteidigen. In Tübingen können alle eine Wohnung haben. Wenn sie auf der Straße sind, dann weil sie die öffentlichen Unterbringungen nicht annehmen. Das wird der Sache nicht gerecht."

Deutschland befinde sich in der schlimmsten Industriekrise und in der schlimmsten Finanzkrise der Kommunen seit Gründung der Bundesrepublik. Deswegen müsse bei den Ausgaben des Staates deutlich zurückgefahren und die Belastungen für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer deutlich reduziert werden, fordert Palmer. "Wofür Herr Türmer kämpft, ist das Gegenteil." Das gelte auch für die Rente: Da sollten die Empfänger von Transferleistungen mehr bekommen, während den Arbeitnehmer mehr abgeknöpft werden sollte.

"Ich will, dass auch wenn meine Generation mal in Rente geht, wir noch von dieser Rente leben können", sagt Türmer. "Generationengerechtigkeit hat zwei Aspekte. Da geht es einerseits darum, dass die Beiträge für die Arbeitnehmer nicht immer weiter steigen. Es geht aber auch darum, dass wir davon leben können, wenn wir mal in Rente gehen."

Das Rentenniveau läge im Schnitt nur 100 Euro oberhalb der Armutsgrenze, so Türmer. "Wenn sich die Union jetzt mit ihren Vorschlägen durchsetzt, würde das Rentenniveau noch weiter sinken. Aber das ist falsch. Deswegen brauchen wir grundsätzliche Reformen bei der Rente. Ich bin beispielsweise dafür, dass Beamte und Selbständige auch in die Rentenversicherung einzahlen." Damit könne man das Rentenniveau stabilisieren. Zusätzlich würden die Rentenbeiträge nicht immer weiter steigen. Zudem sei das auch eine Gerechtigkeitsfrage.

"Wenn die Wertschöpfung nicht da ist, gibt es nichts zu verteilen", kontert Boris Palmer. Bei den von der Bundesregierung geplanten Reformen werde der Rentenbeitragssatz von derzeit 18,6 Prozent in vier Jahren auf 20 Prozent ansteigen. Damit kämen auf Arbeitnehmer und Wirtschaft noch mehr Belastungen zu. Palmer schlägt vor, dass sich die JUSOs mit der Jungen Union zusammentun, zumindest in diesem Punkt. "Es stimmt: Die Vermögenden müssen mehr beitragen. Aber das allein wird nicht reichen. Wir müssen den Rentenbeitragssatz unten halten und die Vermögenden zur Kasse bitten."

"Bei dieser Reform sehe ich nur Verlierer"

Ein Beschluss des Bundeskabinetts von Mittwoch könnte dafür sorgen, dass bald noch mehr finanzielle Leistungen auf die Kommunen zukommen. Dabei geht es darum, dass Menschen aus der Ukraine bei ihrer Einreise kein Bürgergeld, sondern Asylleistungen bekommen. Die müssen die Kommunen finanzieren. Palmer findet die Regelung trotzdem gut. Weil für viele ukrainische Familien die Bürgergeldleistungen hoch gewesen seien, sei es nicht gelungen, Menschen schnell in Arbeit zu bringen.

Vielmehr habe man die Erfahrung gemacht, dass viele Ukrainer Arbeit ablehnen. "Deswegen ist es richtig, sie wie alle anderen Zuwanderer zu behandeln und sie über das Asylbewerberleistungsgesetz zu bezahlen, auch wenn das für die Kommunen schlechter ist. Das Gesetz ist richtig."

Türmer ist mit dieser Regelung nicht einverstanden. Er sagt: "Es hilft nicht bei dem, was wir eigentlich machen müssen." Eigentlich müsse man Geflüchtete aus der Ukraine schnell in Arbeit bringen. Das sei jedoch nicht möglich, wenn sie aus dem Asylbewerberleistungsgesetz bezahlt würden. "Bei dieser Reform sehe ich nur Verlierer: Die Asylbewerber bekommen weniger Geld, der Staat spart aber kein Geld, und es wird schwieriger, Leute in Arbeit zu vermitteln. Das ist ein Schuss in den Ofen."

Parteiverbot für die AfD? "Es muss so schnell wie möglich sein"

Dann geht es endlich um die AfD, die Palmer eigentlich bekämpfen will. Darauf zielt auch sein neuester Vorschlag. Palmer fordert, die AfD ohne Risiken für die Verfassung begrenzt in Verantwortung zu nehmen. Gerade in Ostdeutschland werde die Partei immer stärker. Wenn man jetzt nicht entsprechend handele, befürchtet Palmer eine absolute Mehrheit der Rechtsextremen in einigen Jahren. "Ich gehe da pragmatisch ran. Wenn der Weg, den ich vorschlage, erfolglos ist, gibt es andere."

Seine Idee: In einem ostdeutschen Bundesland könne der Ministerpräsident und der Verfassungsminister von der CDU gestellt werden. So könnte man ein Risiko für die Verfassung ausschließen. "Ansonsten wird der AfD ein sehr klares Koalitionsangebot gemacht, und dann schauen wir, was wirklich passiert, wenn die mitregieren. Sie werden ganz sicher nicht das Rentenniveau auf 70 Prozent erhöhen, wie es in ihrem Wahlprogramm steht. Wer noch weniger Realismus bei der Rente hat als Herr Türmer und die JUSOs, ist die AfD."

Palmers Vorschlag sei sehr nahe und fast wortgleich zu dem, was Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre über die NSDAP behauptet worden sei, entgegnet Türmer wütend. "Ich halte die AfD für eine sehr gefährliche Partei. Man darf sie nicht in Regierungsverantwortung lassen. Und aus guten Gründen gibt es in unserer Verfassung ein Mittel gegen solche Parteien, gegen Parteien, die am Ende die Mittel der Demokratie dafür nutzen würden, die Demokratie selbst zu beseitigen. Das ist das Parteienverbot. Da muss man jetzt mal Nägel mit Köpfen machen."

"Es muss so schnell wie möglich sein", sagt auch Palmer. "Nichts ist schlimmer, als jahrelang über das Verbot zu reden, und dann nichts zu machen. Ich prophezeie Ihnen: Das geht schief in Karlsruhe." Die AfD müsse bekämpft werden, findet der Tübinger Oberbürgermeister. "Aber so lange wir in zwei verschiedene Richtungen marschieren, wird der Kampf nicht erfolgreich sein."

Quelle: teleschau – der mediendienst