"Wenn die Wertschöpfung nicht da ist, gibt es nichts zu verteilen", kontert Boris Palmer. Bei den von der Bundesregierung geplanten Reformen werde der Rentenbeitragssatz von derzeit 18,6 Prozent in vier Jahren auf 20 Prozent ansteigen. Damit kämen auf Arbeitnehmer und Wirtschaft noch mehr Belastungen zu. Palmer schlägt vor, dass sich die JUSOs mit der Jungen Union zusammentun, zumindest in diesem Punkt. "Es stimmt: Die Vermögenden müssen mehr beitragen. Aber das allein wird nicht reichen. Wir müssen den Rentenbeitragssatz unten halten und die Vermögenden zur Kasse bitten."
"Bei dieser Reform sehe ich nur Verlierer"
Ein Beschluss des Bundeskabinetts von Mittwoch könnte dafür sorgen, dass bald noch mehr finanzielle Leistungen auf die Kommunen zukommen. Dabei geht es darum, dass Menschen aus der Ukraine bei ihrer Einreise kein Bürgergeld, sondern Asylleistungen bekommen. Die müssen die Kommunen finanzieren. Palmer findet die Regelung trotzdem gut. Weil für viele ukrainische Familien die Bürgergeldleistungen hoch gewesen seien, sei es nicht gelungen, Menschen schnell in Arbeit zu bringen.
Vielmehr habe man die Erfahrung gemacht, dass viele Ukrainer Arbeit ablehnen. "Deswegen ist es richtig, sie wie alle anderen Zuwanderer zu behandeln und sie über das Asylbewerberleistungsgesetz zu bezahlen, auch wenn das für die Kommunen schlechter ist. Das Gesetz ist richtig."
Türmer ist mit dieser Regelung nicht einverstanden. Er sagt: "Es hilft nicht bei dem, was wir eigentlich machen müssen." Eigentlich müsse man Geflüchtete aus der Ukraine schnell in Arbeit bringen. Das sei jedoch nicht möglich, wenn sie aus dem Asylbewerberleistungsgesetz bezahlt würden. "Bei dieser Reform sehe ich nur Verlierer: Die Asylbewerber bekommen weniger Geld, der Staat spart aber kein Geld, und es wird schwieriger, Leute in Arbeit zu vermitteln. Das ist ein Schuss in den Ofen."
Parteiverbot für die AfD? "Es muss so schnell wie möglich sein"
Dann geht es endlich um die AfD, die Palmer eigentlich bekämpfen will. Darauf zielt auch sein neuester Vorschlag. Palmer fordert, die AfD ohne Risiken für die Verfassung begrenzt in Verantwortung zu nehmen. Gerade in Ostdeutschland werde die Partei immer stärker. Wenn man jetzt nicht entsprechend handele, befürchtet Palmer eine absolute Mehrheit der Rechtsextremen in einigen Jahren. "Ich gehe da pragmatisch ran. Wenn der Weg, den ich vorschlage, erfolglos ist, gibt es andere."
Seine Idee: In einem ostdeutschen Bundesland könne der Ministerpräsident und der Verfassungsminister von der CDU gestellt werden. So könnte man ein Risiko für die Verfassung ausschließen. "Ansonsten wird der AfD ein sehr klares Koalitionsangebot gemacht, und dann schauen wir, was wirklich passiert, wenn die mitregieren. Sie werden ganz sicher nicht das Rentenniveau auf 70 Prozent erhöhen, wie es in ihrem Wahlprogramm steht. Wer noch weniger Realismus bei der Rente hat als Herr Türmer und die JUSOs, ist die AfD."
Palmers Vorschlag sei sehr nahe und fast wortgleich zu dem, was Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre über die NSDAP behauptet worden sei, entgegnet Türmer wütend. "Ich halte die AfD für eine sehr gefährliche Partei. Man darf sie nicht in Regierungsverantwortung lassen. Und aus guten Gründen gibt es in unserer Verfassung ein Mittel gegen solche Parteien, gegen Parteien, die am Ende die Mittel der Demokratie dafür nutzen würden, die Demokratie selbst zu beseitigen. Das ist das Parteienverbot. Da muss man jetzt mal Nägel mit Köpfen machen."
"Es muss so schnell wie möglich sein", sagt auch Palmer. "Nichts ist schlimmer, als jahrelang über das Verbot zu reden, und dann nichts zu machen. Ich prophezeie Ihnen: Das geht schief in Karlsruhe." Die AfD müsse bekämpft werden, findet der Tübinger Oberbürgermeister. "Aber so lange wir in zwei verschiedene Richtungen marschieren, wird der Kampf nicht erfolgreich sein."
Quelle: teleschau – der mediendienst