Gegen 20 Uhr geht bei den Mönchen in Münsterschwarzach auch im Sommer der Tag zu Ende. Ein langer Tag, der immer wieder Zeit zum Gebet gibt. Das Leben in Frankens einziger Männer-Abtei der Benediktiner läuft oft anders als gedacht.
Nein, das mit der Nachtruhe "kann nicht immer exakt eingehalten werden", sagt Bruder Alfred. Um 19.35 Uhr treffen sich die Mönche zur Komplet. Gegen 20 Uhr endet dieses Gebet, das letzte von fünf, die über den Tag verteilt sind. Jeden Tag. Danach beginnt das "nächtliche Stillschweigen". Die Mönche gehen zu Bett.
Bruder Alfred dreht auch nach 20 Uhr hin und wieder eine Runde mit dem Fahrrad. "Um den täglichen Arbeitsdruck in einem Industriebetrieb wegzukriegen", erzählt er. Industriebetrieb? Der 65-Jährige meint damit nicht seine Klostergemeinschaft, die Benediktinerabtei Münsterschwarzach (Landkreis Kitzingen). "Ora et labora" lautet die bekannte Regel des Ordensgründers. Was die Mönche neben dem Gebet arbeiten, ist sehr unterschiedlich. Bruder Alfred leitet seit knapp zehn Jahren die Druckerei der Mönche, Benedict Press. Er ist Chef von 28 Mitarbeitern. Bis auf einen Mitbruder sind sie alle weltliche Angestellte.
"Wir haben im gesamten Kloster ungefähr 220 Beschäftigte von außerhalb", erzählt er.
Beginn als Schriftsetzerlehrling "Redaktion: Br. Alfred Engert" ist in den Münsterschwarzacher Schriftwerken immer wieder zu lesen. Den Familienname hat Engert auch beim Eintritt ins Kloster behalten. Vor 50 Jahren war er als Schriftsetzerlehrling aus dem kleinen Ort Sträublingshof im Landkreis Lichtenfels nach Münsterschwarzach gekommen, in die heute einzige Männer-Abtei des Ordens in Franken. 1966 entschied er sich fürs Klosterleben. Zehn Jahre später legte er die ewige Profess ab.
Ab in den Urlaub "Wir sind so um die 80 Mönche hier", berichtet Engert. Die genaue Zahl sei schwierig.
Einige sind zur Mission in Afrika, andere wohnen ebenfalls nicht im Kloster, werden aber zur Gemeinschaft mitgezählt wie der Würzburger Krankenhausseelsorger oder der Pfarrer von Schwarzach. Bruder Alfred vergleicht das Klosterleben mit dem Familienleben. "Ich habe mir meine Geschwister nicht ausgesucht. Genauso ist es im Kloster." Auch hier müssten alle so agieren, dass ein Zusammenleben möglich ist. "Ich kann nicht sagen, ich gehe nicht zum Chorgebet, weil ich gerade jemanden nicht leiden kann", nennt Engert ein Beispiel.
Auch Mönche haben Urlaub. Drei Wochen im Jahr darf jeder verreisen. Bruder Alfred besuchte unlängst seine Geschwister. Auch sonst ist er nicht eingesperrt. "Wir Benediktiner sind nicht so streng klausuliert wie etwa die Trappisten. Wenn ich zu Kunden oder zu Vorträgen fahre, verlasse ich das Kloster", erzählt der Druckereileiter. Vorher meldet er sich beim Abt oder Prior ab. "Wir haben keine Scheuklappen hier.
Wir sind an der Außenwelt interessiert. Nur so können wir Fürbitten zu bestimmten Themen sprechen." Auch ein Kinobesuch sei für einen Mönch kein Hindernis.
Als Druckereileiter erhält Bruder Alfred kein Gehalt. Ob Geselle oder Chef: Mönche verdienen nichts. "Ich bin versorgt", sagt Engert. Um Unterkunft und Essen brauche er sich nicht kümmern. "Wenn ich Schuhe kaufen will, muss ich Pater Anselm Grün fragen." Anselm Grün - das sagt auch Außenstehenden etwas. Der Münsterschwarzacher Pater hat sich aufgrund seiner Schriften und Seminare einen Namen gemacht. So wie andere Mönche zum Beispiel in der Spenglerei oder im vom Kloster geführten Egbert-Gymnasium, hat auch Grün seine ihm zugedachte Arbeit.
Er ist Cellerar der Abtei, kümmert sich um die Finanzen.
In der Welt der Kräuter Alle Hände voll zu tun hat in diesen Tagen auch Bruder Thaddäus Beez. Seine Welt sind Gemüse, Kräuter und Schnittblumen. "Ein Sommertag in der Gärtnerei ist umtriebig", sagt der 32-Jährige, während er mit einem Schlauch Wasser auf die Beete verteilt. Aktuell erntet er Tomaten, Gurken und Salat. Was die Mönche nicht selbst verspeisen, landet zum Verkauf im Klosterladen.
Es ist kurz nach 17 Uhr. Bis zur Vesper um 18 Uhr will Bruder Thaddäus noch einiges schaffen. Er gießt, solange es geht. Im Sommer kommt er deswegen oft verschwitzt zum vierten Gebet des Tages. Ein Tag, der stets früh beginnt. Um 4.40 Uhr sei seine Nacht zu Ende, sagt Bruder Alfred. Fünf nach 5 Uhr treffen sich die Mönche erstmals, zu Vigil und Laudes.
Um 6.15 Uhr beginnt das Konventamt, um 12 Uhr die Mittaghore. Am Abend kommen dann noch Vesper und Komplet. Dazwischen liegen Arbeit und Mahlzeiten. Beim Essen werde nicht geredet, erzählt Bruder Alfred. Einer liest etwas vor, die Mitbrüder hören zu, wenn sie nicht gerade Küchendienst haben. Bevor er einschläft, greift auch Bruder Alfred zu einem Buch auf dem Nachttisch. Dann hält er Nachtruhe - noch vor der Sonne.
Säkularisation, Gestapo und andere Krisen
Anfänge Münsterschwarzach wird um 780 als Frauenkloster gegründet. Nach 877 übernehmen die Benediktinermönche von Megingaudshausen (ehem. Lkrs. Scheinfeld) die Klosteranlage. Die Nonnen waren nach Zürich gezogen.
Erste Krise Nach anfänglicher Blüte erlischt im zehnten Jahrhundert das klösterliche Leben. Aber Mönche von St.
Emmeram (Regensburg) begründen es 1001 wieder. Abt Egbert (1047-1077) lässt eine Basilika erbauen, die bis ins 18. Jahrhundert besteht.
Auf und Ab Rund 200 Jahre erlebt die Abtei eine spirituelle und wirtschaftliche Blüte, gründet andere Klöster wie Melk in Österreich. Doch ab 1300 gibt es wieder Krisen. Zunächst, weil bis 1444 nur noch Adelige ins Kloster aufgenommen werden. Später kommen immer wieder Zerstörungen hinzu, vor allem in den Bauernkriegen. 1525 ist von Kloster, Archiv und Bibliothek fast nichts mehr übrig. Kaum ist vieles wieder aufgebaut, sorgt der Dreißigjährige Krieg für kurzzeitige Verwaisung (1631 - 1635).
Barockblüte Ab 1650 geht es wieder aufwärts. Die Klosteranlage wird erneuert, Balthasar Neumann baut eine imposante Barock-Basilika, die 1743 eingeweiht wird.
Zwangsende Am 7. Mai 1803 fällt das Kloster der Säkularisation zum Opfer. Bis auf geringe Reste wird alles zerstört oder verschleudert. Die Kirche wird nach einem Brand (1810) als Steinbruch benutzt.
Neubeginn 110 Jahre vergehen, dann kaufen 1913 die Benediktiner von St. Ottilien am Ammersee die Reste des alten Klosters zurück.
Nazi-Terror 1938 wird die heutige Abteikirche geweiht. Im Kloster leben zu diesem Zeitpunkt 435 Mönche. Am 9. Mai 1941 beendet die Gestapo dieses Klosterleben. Münsterschwarzach wird Lazarett. Doch 1945 beginnt wieder der Neuaufbau. Heute besteht die Gemeinschaft aus rund 80 Mönchen.