Blütezeit der Grandhotels ist die Belle Èpoque
Das Londoner Palais steht noch heute und beherbergt im Moment eine Luxus-Kosmetikmarke und sündhaft teure Apartments. Auch Lows Wortschöpfung für eine luxuriöse Unterkunft überlebt. Grandhotel - dieser Begriff steht schnell für Neubauten mit einer gewissen Großartigkeit. Als eines der ersten Häuser dieser Art in deutschen Landen eröffnet 1807 der Badische Hof in Baden-Baden. Die Belle Époque der deutschen Kaiserzeit gilt als Blütezeit der Grandhotels.
«Das waren Häuser, die mit einer Palastarchitektur den Luxus und Geschmack ihrer Zeit widerspiegelten», sagt Tobias Warnecke, Geschäftsführer des Hotelverbands Deutschland (IHA). Zu den Annehmlichkeiten gehören damals eine Gourmetküche, erstmalig fließend warmes und kaltes Wasser auf den Zimmern und bisweilen ein eigenes Bad und WC. Das ist mehr Komfort als in vielen Schlössern dieser Zeit. Kaiser Wilhelm II. soll von den Duschen im Berliner Luxushotel Adlon, das 1907 eröffnete, beeindruckt gewesen sein.
Für Warnecke sind Grandhotels auch Ort einer kleinen Revolution in der hierarchisch gegliederten Ständegesellschaft. Denn dort öffneten sich die Klassenschranken, Adel und gut betuchtes Bürgertum logierten gemeinsam. Grandhotels mit ihren Ballsälen, Bädern und Gärten werden zu einem Zentrum des gehobenen gesellschaftlichen Lebens, zum Ort für Geschäfte, Sehen und Gesehenwerden, Klatsch und Tratsch und auch so manchen kriminellen Akt. Das Hotel als faszinierende Bühne hinterlässt bald auch Spuren in der Literatur - im Hotelroman. Im 20. Jahrhundert folgen Kinofilme und TV-Serien.
Reiseangebot hat sich wenig verändert
Tourismusforscher Spode kann gut beschreiben, wie Grandhotels bis heute einen gekonnten Spagat hinlegen: «Sie schaffen es, dem Gast auch bei Hunderten von Zimmern Individualität und Fürsorge vorzuspielen - in Wirklichkeit ist es ein industrialisierter Betrieb wie eine Fabrik.» Techniker, Köche oder Zimmermädchen bleiben oft im Verborgenen. Spode nennt die reichen Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts «Touristenklasse». Mit neuer Infrastruktur wie der Eisenbahn sei für sie ein anderer Lebensrhythmus entstanden - mit Sommerfrische und Winterquartier. Das Angebot habe sich bis heute weitgehend gehalten: Strand oder Berge, Abenteuer oder Entspannung, gern auch mal Kunst gucken. Wobei es dafür auch andere Quartiere gibt als ein Grandhotel.
Der Erste Weltkrieg ist ein jäher Einschnitt in dieser Erlebniswelt. Grandhotels scheinen damals aus der Zeit zu fallen. Die Idee von «Urlaub» setzt sich langsam in breiteren Gesellschaftsschichten durch, die Nationalsozialisten locken mit Massenquartieren wie in Prora auf Rügen. Nach dem Zweiten Weltkrieg reist bald schon die Hälfte der Deutschen, heute sind es nach Berechnungen des Statistikamtes der Europäischen Union knapp 80 Prozent.
Luxus in Grandhotels hat sich gewandelt
Wofür stehen Grandhotels in der Gegenwart? Tobias Warnecke verbindet damit historische Architektur, individuellen Service und hochwertige Kulinarik. Geschützt sei der Begriff jedoch nicht, sagt er. In Deutschland gebe es heute 119 zertifizierte Luxushotels mit 5 Sternen, davon seien 78 in der gehobenen Liga 5 Sterne Superior. Doch nur wenige nennen sich noch Grandhotel. Für Karina Ansos, Direktorin des wiederaufgebauten Berliner Adlon Kempinski am Brandenburger Tor, gehört zu einem Grandhotel eine Vision, eine Geschichte, ein markanter Bau, eine exklusive Ausstattung und ein erstklassiger Service mit einem hohen Personalschlüssel.
Der Begriff von Luxus hat sich in Ansos Augen gewandelt. «Das definiert sich heute nicht allein über die Ausstattung, sondern über personalisierten Service», sagt sie. «Die große Kunst ist es, Wünsche zu erahnen, bevor der Gast sie überhaupt weiß.» Im Adlon gibt es noch Berufe, die immer seltener werden: Butler wie Ricardo Dürner, Wagenmeister wie Sebastian Großmann und Bellboys, die sich um die Koffer kümmern. Die Chefin wohnt in der sechsten Etage.
Staatsgäste und Prominente hätten zwar andere Sicherheitskriterien und Abläufe - aber sonst sei jeder Gast König, versichert Ansos. Eine Nacht im Adlon gönnten sich heute nicht allein vermögende Menschen. Es gebe auch Gäste, die sich zum Beispiel zum Hochzeitstag etwas Besonderes leisten wollten. Wissenschaftler Hasso Spode sieht das ganz ähnlich: 250 Jahre Grandhotel - das erzähle auch die Geschichte der Demokratisierung des Reisens, sagt er.