Platzmangel in Männerschutzhäusern – Bedarf steigt deutlich

3 Min
Nutzungsstatistik 2024 - Männergewaltschutz-Einrichtungen
Der heute 40-jährige Rene Pickhardt berichtet, er sei von seiner Ex-Freundin emotional und körperlich missbraucht worden.
Nutzungsstatistik 2024 - Männergewaltschutz-Einrichtungen
Andreas Arnold/dpa
Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz
«Männer brauchen mehr Anlaufstellen in Deutschland», fordert Annalena Schmidt von der Stelle Männergewaltschutz.
Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz
Michael Ukas/dpa
Nutzungsstatistik 2024 - Männergewaltschutz-Einrichtungen
Laut dem Lagebild zur häuslichen Gewalt des Bundeskriminalamts (BKA) waren vergangenes Jahr rund 70 Prozent der Betroffenen weiblich und gut 30 Prozent männlich.
Nutzungsstatistik 2024 - Männergewaltschutz-Einrichtungen
Andreas Arnold/dpa
Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz
Viele betroffene Männer verharmlosen ihre Gewalterfahrung, sagt Tobias Schiefer.
Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz
Michael Ukas/dpa

Vor allem Frauen werden Opfer häuslicher Gewalt. Doch auch immer mehr Männer suchen Schutz und treffen auf einen Mangel an Angeboten. Was Betroffene erleben und warum Experten mehr Hilfe fordern.

Aufgrund von stereotypen Rollenbildern mag seine Geschichte viele Menschen überraschen, sagt René Pickhardt. Denn Pickhardt hat eigenen Angaben zufolge emotionale, körperliche und sexualisierte Gewalt von einer Frau erfahren, seiner Ex-Partnerin. Das war vor etwa zehn Jahren. «Die Folgen der Gewalt waren für mein Leben natürlich gravierend», sagt der 40-Jährige, der heute für die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) von seinen Erfahrungen berichtet, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Staatlich finanzierte Gewaltschutzeinrichtungen gab es damals noch nicht. «Dadurch habe ich mich im Stich gelassen gefühlt und war auch sehr verzweifelt.»

Der Fall Pickhardt steht beispielhaft für ein Thema, das aus Sicht des Vereins lange übersehen wurde: männliche Betroffene von häuslicher Gewalt. Während der Mathematiker damals kaum Anlaufstellen fand, wächst inzwischen das Netz an Hilfsangeboten. Aktuell gibt es in Deutschland 17 staatlich finanzierte Gewaltschutzeinrichtungen für Männer. Immer mehr Männer suchen dort nach Hilfe, wie die Nutzungsstatistik für Männerschutzeinrichtungen für das Jahr 2024 zeigt, die die BFKM in Berlin vorgestellt hat. 

Deutlich mehr Männer suchen sich Hilfe

751 Männer haben sich demnach im Jahr 2024 bei einer solchen Einrichtung gemeldet. Das sind rund 41 Prozent mehr als im Jahr 2023 mit 533 Hilfesuchenden. Vor allem Frauen seien von häuslicher Gewalt betroffen, sagt BFKM-Sprecherin Annalena Schmidt, aber eben auch ein «nicht zu unterschätzender Teil männlicher Personen.» Laut dem Lagebild zur häuslichen Gewalt des Bundeskriminalamts (BKA) waren vergangenes Jahr rund 70 Prozent der Betroffenen weiblich und gut 30 Prozent männlich. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus - bei allen Betroffenengruppen.

Von den 751 Hilfesuchenden fanden nach Angaben der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz 126 Männer Schutz in einer Einrichtung. 256 Schutzsuchende mussten wegen Platzmangels abgelehnt werden. 134 nutzten ausschließlich das Beratungsangebot. Die übrigen Männer konnten oder wollten nach der ersten Kontaktaufnahme keine weiteren Angebote in Anspruch nehmen.

Großteil berichtet von psychischer Gewalt

In den Einrichtungen ging es den Angaben nach in sieben von zehn Fällen um Partnerschaftsgewalt. Rund ein Viertel der Bewohner hat Gewalt innerhalb der Familie erfahren. In rund sechs Prozent der Fälle ging es um Gewalt ausgehend vom sogenannten weiteren sozialen Nahraum, also etwa durch Mitbewohner, Nachbarn oder Freunde. In zwei Drittel aller Fälle wurde die Gewalt demnach von Frauen ausgeübt. Der jüngste Bewohner der Schutzeinrichtungen war 18 Jahre alt, der älteste 82.

Die Mehrheit der 126 Männer gab an, mehr als eine Gewaltform erlebt zu haben. Ein Großteil (rund 88 Prozent) hat eigenen Angaben zufolge psychische Gewalt erlebt. Rund 71 Prozent berichten von körperlicher Gewalt, etwa acht Prozent von sexualisierter Gewalt. 

Schwächen passen nicht zu stereotypen Rollenbildern

Viele Männer, die häusliche Gewalt erfahren, spielten die Situation herunter, sagt Krisenberater Tobias Schiefer vom SKM Bundesverband. Sie hätten stereotype Rollenbilder im Kopf, etwa dass ein Mann stark sein müsse und keine Schwäche zeigen dürfe. Schiefer erläutert: «Es ist schwierig zu sagen, ich bin Betroffener von Gewalt. Das bedarf Mut, egal welches Geschlecht.»

In die Statistik flossen die Daten von 14 Einrichtungen mit insgesamt 48 Plätzen ein. Insgesamt gab es im Jahr 2024 deutschlandweit zwölf Einrichtungen mit 44 Plätzen speziell für Männer und drei geschlechtsunabhängige Einrichtungen mit fünf Plätzen. Zum Teil können Kinder mitgebracht werden. Sie liegen in Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, vor allem in Großstädten. Dieses Jahr sind zwei neue Einrichtungen in Hamburg und Hannover hinzugekommen. Sie liegen in Hamburg und Hannover. 

«Männer brauchen mehr Anlaufstellen in Deutschland»

Das Angebot reiche nicht, sagt BFKM-Sprecherin Schmidt. «Männer brauchen mehr Anlaufstellen in Deutschland», fordert sie. Jeder Mensch dürfe und sollte sich Hilfe suchen können und verdiene Schutz.

Der Bundesrat hat Anfang des Jahres dem Gewalthilfegesetz zugestimmt, das Frauen und ihren Kindern einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung gewährt. Länder werden damit künftig dazu verpflichtet, ausreichend Schutz- und Beratungsangebote zu schaffen - bislang nur für Frauen. 

Pickhardt und die BFKM kritisieren das. «Wir dürfen die Männer nicht vergessen», sagt Pickhardt. «Ich weiß, dass ich kein Einzelfall bin und deswegen ist es so wichtig, dass es flächendeckende Hilfsangebote und Opferschutz für alle Betroffenen, unabhängig von ihrem Geschlecht, gibt», sagt der 40-Jährige. Gemeinsam mit der BFKM fordert er, dass das Gesetz geschlechtsneutral formuliert wird.

Einen kleinen Erfolg hat Pickhardt durch sein Engagement bereits erzielt. Auf sein Wirken hin hat die Polizei Rheinland-Pfalz vor einigen Jahren einen Hinweis für Gewaltbetroffene auf ihrer Website angepasst. Aus «Täter» wurde «die Gewalt ausübende Person». Und anstatt nur auf Frauenhäuser weist die Polizei seitdem auch auf Gewaltschutzeinrichtungen für Männer hin.