Sich einen Straßenhund anzuschaffen, ist Trend geworden. Doch bei weitem nicht jedes dieser Tiere ist wirklich eine bedürftige Seele - und auf dem Vermittlermarkt tummeln sich viele schwarze Schafe.
«Das ist ein geretteter Straßenhund», heißt es in Deutschland immer öfter, wenn Hundebesitzer ihre Vierbeiner vorstellen. Etwa ein Viertel der rund 10,5 Millionen Hunde in Deutschland sollen inzwischen aus dem Ausland importiert sein - eine realistische Schätzung, wie Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund annimmt. Ein Glück für die armen Hundeseelen, mag man meinen. Doch für so manchen Vierbeiner bedeutet die vermeintliche Rettung Experten zufolge belastenden Wohnungsknast statt lebenslang genossener Freiheit - oder endet gar im Tierheim. Zudem haben Kriminelle den lukrativen Vermittlermarkt für sich entdeckt: Vermeintlich hilfsbedürftige Hunde werden extra für diesen Markt produziert.
Eine, die über die Jahre sehr viele Straßenhunde intensiv beobachtet und mit Menschen in deren Umfeld gesprochen hat, ist die Hundetrainerin Sarah Fink. «Ich erlebe Straßenhunde häufig als sehr glücklich», schreibt sie im Buch «Die geheime Welt der Straßenhunde». «Ich bin immer sehr zurückhaltend, was das Mitnehmen von Hunden angeht», lautet ihr Résumé. Dabei fließe auch ihre Erfahrung mit tausenden Kunden im Hundetraining ein. Manchen Hunden sei anzumerken, dass sie die Gefangenschaft – «und nichts anderes ist es für manche Hunde, die seit Generationen frei leben» – sehr stresst.
Empörte Einwohner: Da will schon wieder einer einen Hund stehlen
Hinzu komme, dass sehr viele vermeintliche Straßenhunde etwa in Griechenland, Bulgarien und der Türkei anders als vielfach angenommen sehr wohl feste Bezugspersonen hätten, die sich um sie kümmern. Deutlich häufiger als ernsthaft abgemagerte Hunde seien zu dicke Straßenhunde zu sehen.
Sarah Fink hat in mehreren Ländern Straßenhunde mit Senderhalsbändern versehen, um mehr über ihren Tagesablauf zu erfahren. Das Projekt stieß immer wieder auf dasselbe Problem: Der für den Sender auserkorene Straßenhund war doch keiner, sondern hatte mindestens eine feste Bezugsperson. Es habe fast keinen Hund gegeben, um den sich tatsächlich niemand kümmerte - umgekehrt aber etliche Menschen, die auf die Versuche, einem Hund das Senderhalsband umzulegen, misstrauisch bis entrüstet reagierten. «Weil sie oft die Erfahrung gemacht haben, dass Touristen ihre Hunde stehlen beziehungsweise "retten" in der Annahme, es seien Straßenhunde.»
Echten Straßenhunden fehlt oft die entscheidende Prägung
Bei einem echten Straßenhund wiederum kann sich eine fehlende Prägung und Sozialisierung als nicht zu behebendes Problem erweisen, wie Schmitz erklärt. «Für eine gute Sozialisierung auf den Menschen ist entscheidend, dass ein Hund insbesondere in den ersten Lebenswochen positiven Umgang mit Menschen hat.» Hunde, die nicht mit dem streng geregelten Leben in einer Menschenwohnung im dicht besiedelten Deutschland sozialisiert wurden, können Experten zufolge schwere Verhaltensprobleme entwickeln oder unter großem Stress leiden.
Typisch sind Schmitz zufolge zum Beispiel Angsthunde, die sich kaum anfassen lassen, schnappen und panisch an der Leine ziehen - was von Käufern oft fälschlicherweise als Hinweis auf erlittene Quälerei gewertet wird. Abtrainieren lässt sich das nur mühsam oder auch gar nicht. Am Ende sitzt so mancher einst frei mit seinem Rudel lebende Hund lange Zeit oder für immer in einem deutschen Tierheim.
Womöglich mehrere Hunderttausend Importhunde jährlich
Nach Daten des Trade Control and Expert Systems (TRACES) der EU wurden zwischen 2019 und 2022 allein aus Rumänien, Spanien und Ungarn pro Jahr durchschnittlich fast 72.000 Hunde legal nach Deutschland importiert. Hinzu kommt eine immense Zahl illegal gehandelter Hunde - Schätzungen zufolge womöglich mehrere Hunderttausend jährlich.