Kinder-Impfstoff geht aus - Was tun?

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Die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln sowie gegen Windpocken muss zurzeit in zwei Spritzen verabreicht werden. Foto: Jörg Carstensen/dpa
Die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln sowie gegen Windpocken muss zurzeit in zwei Spritzen verabreicht werden. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Nur eine Firma stellt Kombi-Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken her. Weil sie derzeit nicht liefern kann, kommt es zu Engpässen in den Arztpraxen. Lesen Sie hier, worauf jetzt zu achten ist.

Wenn Kinder gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (Windpocken) geimpft werden, ist das normalerweise mit einem Pieks erledigt: Die vier Impfstoffe stecken in der MMRV-Kombi-Spritze. Jedoch wird das Präparat nur von einer einzigen Pharmafirma produziert, und die hat aktuell wegen eines Herstellungproblems die Freigabe ihrer Kombinations- sowie Varizellen-Einzelimpfstoffe gestoppt. Die Folge ist ein Liefer-Engpass. Was bedeutet das für Ärzte und Patienten?

Zunächst muss man wissen: Das Kombi- sowie das Einzelpräparat sind Lebendimpfstoffe. Sie werden eingeimpft, vermehren sich im Körper und imitieren abgeschwächt die Infektion, ohne dass die Kinder krank werden. "Der Herstellungsprozess von Lebendimpfstoffen ist aufwändig, alles muss gezüchtet werden.
Ein kleiner Fehler in der Produktion, zum Beispiel wenn die Kühlkette nicht eingehalten wird, kann eine Lieferung für drei Monate zunichte machen," sagt Karl-Heinz Leppik. Er ist Kinderarzt in Erlangen und ein Sprecher des Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

Präparate wurden nicht freigegeben

Nach Leppiks Informationen hat es bei der Herstellung des Kombi-Impfstoffs gegen Masern, Mumps und Röteln sowie des Einzel-Impfstoffs gegen Windpocken Probleme gegeben und ist eine ganze Produktionsreihe ausgefallen. Das bestätigt das Robert-Koch-Institut (RKI), das auf seiner Internetseite die entsprechende Mitteilung der Pharmafirma veröffentlicht hat. Während bereits ausgelieferte Chargen der betreffenden Impfstoffe die Freigabekriterien erfüllt haben und uneingeschränkt verwendet werden können, wurden die aktuell produzierten Präparate nicht freigegeben.

Im ersten Quartal 2014 ist es deshalb bereits zu einer Lieferunfähigkeit der beiden Impfstoffe gekommen. Mit erneuten Auslieferungen ist frühestens im Verlauf des zweiten Quartals zu rechnen, jedoch hängt laut RKI der genaue Zeitpunkt von den derzeit laufenden Untersuchungen des Herstellungsproblems ab.

Ärzte müssen zweimal pieksen

Die Kinder- und Jugendärzte müssen dieser Entwicklung jedoch nicht tatenlos zuschauen und können ihre Patienten trotzdem versorgen: Ihnen stehen alle anderen Kombi-Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln zur Verfügung sowie ein Einzelimpfstoff gegen Windpocken. "Leider müssen dadurch unsere kleinen Patienten, die alle vier Komponenten erhalten sollen, zwei Spritzen bekommen", sagt Kinderarzt Leppik. "Ein Pieks in den linken, ein zweiter Pieks in den rechten Oberschenkel." Wie lange die Lieferschwierigkeiten dauern werden und die Ärzte die Vierfach-Impfung auf zwei Portionen aufteilen müssen, ist laut Leppik noch nicht absehbar.

Sehr wohl absehbar ist dagegen schon lange das Ergebnis der Entwicklung, bei der einzelne Pharmafirmen Monopolstellungen bei bestimmten Präparaten einnehmen: Es kommt zu Lieferengpässen wie jetzt bei den Kinder-Impfstoffen. "Je mehr Anbieter da sind, umso weniger Probleme gibt es", sagt Leppik. Der Verbandssprecher kritisiert auch generell die Einmischung von Politik und Kassen in den Alltag der Ärzte und nennt als Beispiel die Grippe-Impfstoffe: "Es gibt eine ganze Reihe davon", sagt Leppik, "aber wir können da nicht auswählen, was wir uns wünschen, sondern wir müssen nehmen, was die Kassen zahlen." Er bedauert das, weil es gerade für Kinder einen gut geeigneten nasalen Impfstoff gebe, den man einfach - und ohne Pieks - anwenden könne. "Aber manche Kassen ignorieren diese Möglichkeit, andere zahlen die Impfung für ihre Patienten."

Leppik bewertet es außerdem als inkonsequent, dass die Grippeimpfung nicht vorsorglich für die breite Bevölkerung verabreicht und bezahlt wird, die Zeckenimpfung aber schon. Dabei verursache ein Zeckenbiss weniger oft schwere Verläufe als die Grippe und komme eine durch einen Zeckenbiss hervorgerufene Hirnhautentzündung (FSME) seltener vor als eine Grippe. "Und wenn dann wieder ein neuer Erreger kommt wie die Schweinegrippe, verfallen alle in Panik", sagt Leppik. "Große Epidemien könnte man vermeiden, wenn eine andere Politik gefahren und die Grippeschutzimpfung in die Vorsorge aufgenommen würde und die Hersteller entsprechend große Mengen des Grippeimpfstoffs produzieren."


Engpässe auch bei Medikamenten

Abgesehen von den Impfstoffen gibt es in Bayern derzeit auch Engpässe bei anderen Medikamenten. Thomas Metz, Sprecher des bayerischen Apothekerverbandes, bestätigte auf Nachfrage: "Bei Schilddrüsen-Präparaten gibt es schon seit Sommer 2013 Lieferschwierigkeiten. Das betrifft vereinzelt auch Bluthochdruckmittel und Antibiotika." Einen besonderen regionalen Schwerpunkt gebe es dabei nicht, sagt Metz. Bei einer kürzlichen Abfrage quer durch Bayern kamen unterschiedliche Rückmeldungen aus den Apotheken. Dass es beim einen mehr, beim anderen weniger zu Engpässen kommt, hänge unter anderem vom Zeitpunkt der Bestellungen ab: Was der Großhandel heute noch auf Lager hat, kann morgen schon weg sein.

Die Patienten und Kunden müssten aber keine Bedenken haben: "Sie werden trotzdem versorgt", sagt Verbandssprecher Metz. "Die Apotheker bemühen sich in Absprache mit der Arzt, eine Lösung zu finden." Man könne dann zum Beispiel Tabletten mit höherer Wirkstärke teilen oder von Tabletten mit niedrigerer Wirkstärke 1,5 oder 2 Stück einnehmen. Metz empfiehlt, nicht bis zur letzten Tablette in der Packung zu warten - sondern sich rechtzeitig mit einem neuen Rezept und Medikament zu versorgen.

Empfehlungen

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut und in Abstimmung mit der Ständigen Impfkommission (STIKO) folgende Vorgehensweise für die Zeit der Impfstoff-Knappheit erarbeitet:

- Auf jeden Fall sollte die erste Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR) durchgeführt werden und gleichzeitig die Einzelimpfung gegen Windpocken. Wenn kein Varizellen-Impfstoff zur Verfügung steht, sollte dies nicht dazu führen, die erste MMR-Impfung zu verschieben.

- MMR-Impfstoffe sollten prioritär für die Erstimpfung vorgehalten werden, um die Durchführung der Erstimpfungen sicherzustellen.

- Derzeit anstehende 2. MMR(V)-Impfungen sollten verschoben werden, bis die Verfügbarkeit von MMRV-Impfstoffen wieder hergestellt ist. Zu diesem späteren Zeitpunkt können dann auch wieder MMR-Impfstoffe für die 2. MMR(V)-Impfung eingesetzt werden.

- Verschobene Impfungen (2. MMR-Impfung sowie 1. und 2. Varizellen-Impfung) sollten möglichst zeitnah nachgeholt werden, um die Entstehung von dauerhaften Impflücken als Resultat der aktuellen Situation zu verhindern. In der Praxis sollte daher, bei jungen Kindern z.B. spätestens bei den nächsten dann anstehenden Vorsorgeuntersuchungen wie U7 bzw. U7a, besonders auf die Vollständigkeit des Impfschutzes geachtet werden bzw. den Eltern diese Untersuchungen als Termin für die Nachholimpfung genannt werden.

Weitere Infos zum Thema gibt es auf der Internetseite des RKI.