Deutschland schrumpft und wird älter

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Offene Briefkästen ängen am 08.07.2015 an einem leerstehenden Wohnhaus in Bad Sachsa im Landkreis Osterode am Harz (Niedersachsen). Besonders starke Bevölkerungsrückgänge soll es bis zum Jahr 2030 geben. ie Bevölkerungszahlen in Deutschland entwickeln sich laut einer Studie in den kommenden 15 Jahren extrem auseinander: Während ländliche Regionen in teils dramatischem Umfang Einwohner verlieren, wachsen städtische Ballungsräume. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Offene Briefkästen ängen am 08.07.2015 an einem leerstehenden Wohnhaus in Bad Sachsa im Landkreis Osterode am Harz (Niedersachsen). Besonders starke Bevölkerungsrückgänge soll es bis zum Jahr 2030 geben. ie Bevölkerungszahlen in Deutschland entwickeln sich laut einer Studie in den kommenden 15 Jahren extrem auseinander: Während ländliche Regionen in teils dramatischem Umfang Einwohner verlieren, wachsen städtische Ballungsräume. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Eine neue Studie sagt vor allem dem ländlichen Raum zum Teil dramatische Einwohnerverluste voraus - auch in Franken. Doch Deutschland schrumpft nicht nur, sondern wird auch noch älter. Diese Entwicklung birgt sozialen Sprengstoff.

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Rainer Detsch heißt der Bürgermeister jener fränkischen Gemeinde, die der demografische Wandel besonders hart treffen soll. Einer am Mittwoch von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Studie zufolge werden im Jahr 2030 nur noch 4210 Menschen in Stockheim (Landkreis Kronach) leben. Dies würde bedeuten, dass die Gemeinde zwischen 2012 und 2030 17,7 Prozent ihrer Einwohner einbüßt. "Ich halte diese Zahl für Unsinn. Wir hatten im vergangenen Jahr 40 Geburten und auch mehr Zu- als Wegzüge", sagte am Mittwoch ein um Gelassenheit bemühter Bürgermeister. Die derzeit 5078 Einwohner starke Gemeinde prosperiere; gerade weil sie sich auf die demografische Entwicklung eingestellt habe und beispielsweise mit einer ausgebauten Kinderbetreuung attraktiver für Familien geworden sei.


Für ihre Studie rechneten die Bertelsmann-Forscher die Bevölkerungszahlen für Städte und Gemeinden ab 5000 Einwohnern sowie aller Landkreise von 2012 bis ins Jahr 2030 hoch. Behalten sie Recht, verliert nicht nur Stockheim Einwohner, sondern Deutschland als Ganzes. Nur noch 79,97 Millionen Einwohner hat die Republik diesem Szenario entsprechend im Jahr 2030. Dies entspricht im Vergleich zum Jahr 2012 einem Minus von einer halben Million Einwohner oder 0,7 Prozent. Die Zuwanderung wird daran im Übrigen nichts ändern können - sie ist in der jetzt veröffentlichten Studie bereits berücksichtigt worden. Der erwartete Bevölkerungsrückgang trifft demnach vor allem Sachsen-Anhalt (minus 13,6 Prozent) und Thüringen (minus 9,9 Prozent). Die südlichen Flächenländer Baden-Württemberg (plus 2,1 Prozent) und Bayern (plus 3,5 Prozent) gehören dagegen zu den Gewinnern.

Ein Teufelskreis droht

Von einem anderem Trend kann sich allerdings auch der Freistaat nicht abkoppeln: Während die Städte eher wachsen, dünnt der ländliche Raum mit ungebremstem Tempo aus. Auch in Franken sollen dementsprechend Nürnberg und Erlangen um 5,9 und 3,4 Prozent gegenüber 2012 wachsen, während die demografischen Perspektiven vor allem im Nord-Osten düster sind: Dem Landkreis Wunsiedel prognostiziert die Studie ein Minus von 14,3 Prozent, dem Landkreis Hof von 13,2 Prozent.

Die Zahlen bergen sozialen Sprengstoff, weil zum Bevölkerungsrückgang etwas Zweites hinzukommt: Deutschland wird älter. Die Studie sagt voraus, dass die Zahl der über 80-Jährigen zwischen 2012 und 2030 um 47,2 Prozent wachsen wird. Konkret rechnet die Stiftung dann mit 6,3 Millionen über 80-Jährigen. Nicht nur, dass in diesem Fall immer weniger Arbeitende immer mehr Rentner finanzieren müssten. Eine schrumpfende und älter werdende Bevölkerung könnte ferner mit einer kollabierenden sozialen Infrastruktur einhergehen.

Schon heute ziehen sich Nahversorger zurück, wo die Einwohnerzahlen sinken. Die im Grundgesetz geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist hier zumindest gefährdet. Als zentrale Herausforderung nennt Brigitte Mohn vom Stiftungsvorstand deshalb, "auch in einwohnerschwachen Kommunen flexible Mobilitätsangebote, schnelles Internet und eine angemessene Gesundheitsversorgung in erreichbarer Nähe anbieten zu können".