Spanien steht im Finale der Basketball-Europameisterschaft in Lille (Frankreich). Mit dem 80:75-Sieg nach Verlängerung über Titelverteidiger Frankreich haben sich die Spanier direkt für die Olympischen Spiele 2016 in Rio qualifiziert. Den zweiten Finalisten ermitteln am Freitag Serbien und EM-Vizemeister Litauen. Das Finale findet am Sonntag statt.
In der Wiederauflage des Halbfinals von 2013, das in Ljubljana Frankreich mit 75:72 gewonnen hatte, hatten diesmal die Spanier die Nase vorn. Vor der Rekordkulisse von 26 922 Zuschauern im Pierre-Mauroy-Stadion von Lille entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel, in dem bei den Franzosen Nando de Colo mit zwei Floatern und einem Dreier zum 11:6 die ersten Akzente setzte. Nicolas Batum riss die Fans mit einem krachenden Dunking von den Sitzen (13:6). Nach dem nächsten Ballverlust rief Sergio Scariolo seine Mannen erst einmal zu einer Auszeit.
Danach fanden die Iberer besser ins Spiel. Getragen vom Turnier-Topscorer Pau Gasol (10 Punkte im ersten Viertel) hielen die bei jeder Aktion ausgepfiffenen Gäste den Rückstand konstant, ehe Sergio Rodriguez per Dreier auf 17:20 aus Sicht der Spanier verkürzte.
Gastgeber im Rebound überlegen
Probleme hatten der Dritte der EM vor allem im Defensivrebound. Immer wieder holten sich die athletischeren Franzosen zweite Wurfchancen mit Offensivrebounds (9 bis zur Pause, am Ende 18). Es dauerte aber über zwei Minuten, bis Mickael Gelabale im zweiten Abschnitt den Score des Titelverteidigers erhöhte. Sergio Llull glich per Dreier zum 22:22 aus.
Danach war Frankreich wieder am Zug. Publikumsliebling Tony Parker punktete zum 31:25 für den Titelverteidiger. Doch die clever agierenden Spanier ließen sich nicht abschütteln. Der von einer Rückenverletzung geplagte Rudy Fernandez ließ die Fans mit einem Dreier zum 32:31 verstummen. Über zweieinhalb Minuten blieben die "Blauen" ohne Punkt, ehe Center Rudy Gobert die 33:32-Pausenführung markierte.
Erstaunlich dabei, dass Spanien trotz einer Feldwurfquote von 37 Prozent im Spiel blieb.
Franzosen mit einem 12:1-Lauf
Die Spanier wurden in den ersten fünf Minuten der zweiten Hälfte in der pickelhart geführten Partie von den Schiedsrichtern nicht immer gut behandelt. Bis zum 39:39 lagen beide Teams gleichauf. Nach dem dritten Foul musste Nikola Mirotic erst einmal auf die Bank. Gegen den 12:1-Lauf mit Dreiern von Parker und Joffrey Lauvergne zum 51:40 hielt Pau Gasol mit Freiwürfen dagegen. Der zweimalige NBA-Champion konnte aber auch nicht verhindern, dass die Franzosen mit einer Acht-Punkte-Führung (56:48) ins letzte Viertel starten konnten.
Spanien bekommt Foulprobleme
Mit einer Zonenverteidigung versuchten die Spanier nun die Offensive des Titelverteidigers zu stoppen. Auf der Gegenseite hatten aber die Franzosen ebenfalls einen knallharten Abwehrriegel aufgebaut, der vor allem von der Athletik lebte. Nando de Colo ließ seinen zweiten Dreier zum 61:52 (34. Min.) durch die Reuse rauschen.
Als Rudy Gobert und Joffrey Lauvergne kurz hintereinander ihr viertes Foul kassierten, wurde es wieder interessant. Gasol verkürzte von der Freiwurflinie auf 56:61.
Clever zog Sergio Rodriguez ein Foul, traf beide Freiwürfe, ehe Gasol per Dunking die Partie drei Minuten vor Schluss wieder offen gestaltet (60:61).
Gasol hält Spanien im Spiel
Nach der Auszeit der Franzosen brachte Gasol Spanien sogar in Front. Nicolas Batum traf zweimal von der Linie. Gasol antwortete ganz cool. Bis in die letzte Minuten fiel kein Korb mehr. Rodriguez sorgte 16,6 Sekunden vor der Sirene für das 66:63, indem er die Freiräume, die Gasol schuf, mit einem Zug zum Korb nutzte.
Die Antwort von Batum erfolgte direkt nach dem Einwurf. Mit dem blitzschnellen Dreier zum Ausgleich hatten die Iberer wohl nicht gerechnet. 14,1 Sekunden waren noch auf der Uhr. Spanien in Ballbesitz. Der Ball ging - natürlich - zu Gasol, der von Gobert beim Wurfversuch geblockt wurde. Den folgenden Ausball überprüften die Schiedsrichter im Video. 1,3 Sekunden und Frankreich hatte den Ball, bekam aber nur einen Versuch von der Mittellinie - Verlängerung. Das hatten sich die 26 922 Zuschauer auch verdient.
Spanien reboundet nun besser
Rodriguez zog beherzt zum Korb. Diaw nach Assists von Parker und Parker selbst warfen Frankreich wieder in Front. Llull glich zum 70:70 aus. Parker vergab nun zwei Freiwürfe. Auf Gegenseite machte es Fernandez besser (70:72). Nun glich Batum wieder aus - zwei Freiwürfe zum 72:72. Beim Alley-oop-Dunking von Gobert glich die Halle einem Tollhaus. Spanien ackerte unter den Körben, glich bis zum Ende das Reboundduell sogar noch aus (beide 44 Abpraller). Den Ball hatten aber trotzdem die "Blauen". Diaw ließ eineinhalb Minuten vor der Sirene mit nur einem Freiwurftreffer die Tür für die Spanier noch offen (75:72). Gasol behielt bei seinen Freiwürfen die Nerven (75:74). Einen Ballverlust bestraften die Iberer mit einem Fast Break, den Gasol per Dunking abschloss. Im Gegenzug wurde Parker im Wurf geblockt. Rodriguez versuchte es mit einem Dreier, den Rebound fischte Gasol vom Brett und stopfte den Ball in den Korb - 18,3 Sekunden waren noch auf der Uhr (75:78). Auszeit Frankreich.
Batum tragischer Held
Würden die Franzosen ihren Gegner erneut überraschen? Batum versuchte es, wurde aber von Victor Claver gefoult. Dem NBA-Profi von den Charlotte Hornets versagten 15,5 Sekunden vor Schluss die Nerven - alle drei Versuche versemmelte er. Die Spanier ließen den Ball anschließend so laufen, dass die Franzosen gar nicht mehr zum foulen kamen. Gasol - wer sonst - ließ die 26 922 mit seinem Dunking und seinen Punkten 39 und 40 verstummen. Die Revanche von Ljubljana war mit 80:75 gelungen - Spanien steht im Finale. Verdient, da es basketballerisch das bessere Kollektiv war, besser Freiwürfe traf (24 von 26, im Gegensatz zu Frankreich 10 von 17), am Ende im Rebound dagegenhielt und einen Pau Gasol hatte, den scheinbar nichts und niemand stoppen konnte.
Spanier kommen noch aus der Kabine
Wie sehr sich die Mannschaft über ihren Sieg freute, zeigte die Tatsache, dass nahezu alle Spieler anschließend noch in die von den französischen Fans bereits verlassenen Halle kamen und mit ihren 150 Anhängern den Finaleinzug feierten.