So viele Zuschauer wie bei der Basketball-Europameisterschaft in Lille waren noch nie bei einem Spiel. Die Anhänger der "Grande Nation" sind begeistert von sich und ihrem Team, haben jedoch eine andere Fankultur als in Deutschland.
Über 26 000 Zuschauer bei einem Basketballspiel gibt es nicht alle Tage. Am Samstagabend kamen so viele Basketball-Fans zum Achtelfinale zwischen Frankreich und der Türkei ins Pierre-Mauroy-Stadion von Lille, wo sonst die Fußballer von OSC dem runden Leder hinterherjagen.
Rund 30 deutsche Fans sind in den Nordosten Frankreichs gereist, hatten auf ein Weiterkommen von Nowitzki & Co. gehofft - vergeblich. Die Ergebnisse sind bekannt. Dafür dürfen sie das ungewohnte Ambiente in der Arena miterleben. Nicht nur das Fußball-Stadion - wie auf Schalke - mit verschließbarem Dach ist außergewöhnlich, sondern auch die Art, wie die Fans der "Blauen" ihre Mannschaft anfeuern.
Keine Klatschpappen und Pauken
In vielen Hallen der Beko-Bundesliga beherrschen Trommler den Rhythmus. In Lille haut keiner auf die Pauke. Und es gibt auch niemanden, der mit einer Klatschpappe seine Hand malträtiert. Das Pierre-Mauroy-Stadion ist absolut klatschpappenfrei.
Die Franzosen kommen in die Halle, um ihre Mannschaft und ein bisschen auch sich selbst zu feiern. Der Hype um die Basketballer ist groß. Die täglich erscheinende Sportzeitung L'Equipe sprach auf der Titelseite vom "großen Nervenkitzel".
Jede Menge NBA-Spieler
Der soll am Dienstagabend (21 Uhr) im Viertelfinale gegen den krassen Außenseiter Lettland weitergehen. Die "Grande Nation" gegen den kleinen baltischen Staat. 25 000 Fans gegen wenige hundert Anhänger aus "Latvia". Ein Menü in blau, weiß und rot wird kredenzt, garniert mit jeder Menge Nationalstolz. Auf dem Parkett glänzen fünf aktuelle und drei ehemalige NBA-Spieler um ihren Anführer, den viermaligen Champion der San Antonio Spurs Tony Parker, mit spektakulären Aktionen. Die athletischste Mannschaft des Turniers hat nur eine Mission, und die heißt Titelverteidigung zu Hause.
Animateur heizt Publikum an
Dafür lassen sie sich einiges einfallen. In Auszeiten kommt zuweilen ein Animateur in Anzug und Krawatte aufs Feld, um die Zuschauer zum Mitklatschen aufzufordern oder mit einem riesigen aufblasbaren Mikrofon einen Dezibeltest anzukurbeln - sehr schräg.
Die Zuschauer sind sich auch nicht zu schade, den Gegner bei Freiwürfen noch auszupfeifen, selbst wenn die eigene Mannschaft fünf Minuten vor Schluss mit 25 Punkten führt. Sie zeigen sich aber fair. Etwa als Pau Gasol nach seiner Viertelfinal-Galavorstellung gegen Polen kurz vor Schluss vom Parkett ging. Der Spanier bekam großen Applaus, obwohl die in Frankreich offenbar verhassten Iberer zuvor bei jeder Aktion ausgepfiffen worden waren.
Nationalstolz pur
Vor Nationalstolz platzen die Franzosen spätestens bei ihrer Hymne. Mit Inbrunst singen sie fähnchenschwenkend die Marseillaise mit und gerne auch mal während des Spiels. Undenkbar in Deutschland.
Zum Spielbeginn sich von den Sitzen erheben und die Mannschaft stehend bis zum ersten Korberfolg unterstützen, wie in Deutschland allenthalben üblich - Fehlanzeige. Brav setzen sie sich wieder hin. Alba-Berlin-Fan Katja von der Beeck freut sich darüber, denn sie sitzt im Rollstuhl und würde ansonsten nichts mehr sehen. "Erst in der Schlussminute sind die aufgestanden."
"Defense"-Rufe, wenn die eigene Mannschaft verteidigt, sind verpönt, ist ja auch englisch. Hier hört man das auf französisch ("défense ") oder es wird nur gepfiffen. Auf der Gegenseite heißt es: "Allez les Bleu". Und die Blauen laufen. Bis ins Halbfinale? Dann gibt"s am Donnerstag das nächste Basketball-Fest und der europäische Zuschauerrekord für ein Hallen-Basketballspiel wird noch einmal von 26 135 nach oben geschraubt.