Unternehmen und Reiche könnten Deutschland aufgrund hoher Kosten und Steuern den Rücken kehren. Experten diskutieren den Trickle-Down-Effekt und seine Folgen für Bürgerinnen und Bürger.
Handelsverbände in Deutschland befürchtend eine zunehmende Abwanderung von Unternehmen ins Ausland, was gesamtgesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Der Standort Deutschland wird zusehends unattraktiver. Wie Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, seien die Gründe dafür struktureller Natur.
Energieintensive Branchen seien vor allem von hohen Kosten betroffen. Chemie, Metall und Maschinenbau sind hierzulande ein teures Unterfangen. Hinzukommen hohe Steuerbelastungen für Unternehmen in Deutschland. Wo hier die Steuerbelastung auf Gewinne 30 Prozent beträgt, liegen zahlreiche EU-Staaten bei nur 21 Prozent. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer fordert sogar ein Absenken auf 10 Prozent.
Befürchtung: Unternehmen und Reiche wandern ins Ausland ab - ist das überhaupt so einfach?
Janduras Bestandsaufnahme lautet: "Die Großunternehmen verlagern, der Mittelstand leidet oder macht dicht." Bundesweit haben im letzten Jahr 196.100 Unternehmen aufgeben müssen, wie aus einem Bericht des Datev Magazins hervorgeht. Wer seinen Wohnsitz ins Ausland verlagern möchte und Unternehmensanteile ab einem Prozent Beteiligung an einer Firma hat, dem wird es nicht unbedingt einfach gemacht. In Deutschland gibt es die sogenannte Wegzugsbesteuerung.
Ein Umzug ins Ausland wird wie ein Verkauf des Unternehmens beziehungsweise der Anteile behandelt, wenn dieses eine GmbH, eine AG, UG oder KG ist. Ermittelt wird zudem von den Finanzbehörden der Jahresgewinn, wobei der Gesetzgeber von einer Unternehmensrendite von sieben bis acht Prozent ausgeht. "Im Ergebnis ergibt sich eine maximale Steuerlast von 27 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer", erklärt die Steuerberatung Winheller. Eine Ratenzahlung an den deutschen Fiskus ist zwar möglich, mag aber doch den ein oder anderen finanziell erstmal fordern.
Seit Januar 2025 gilt die Wegzugsteuer auch für Fonds und ETFs; allerdings erst ab einem Betrag von 500.000 Euro. Betrachtet werden hier nur die Gewinne - auch bei sogenannten thesaurierenden Fonds und ETFs.
Wohlstand wieder für alle schaffen: Die Theorie des Trickle-Down-Effekts
Von zahlreichen Unternehmens- und Handelsverbänden werden mit Nachdruck Maßnahmen seitens der Politik gefordert, um Deutschland wieder zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort zu machen: weniger Bürokratie, Steuersenkungen, eine ordentliche Digitalisierung und bezahlbare Energiekosten. Denn wo die Wirtschaft floriert, wächst der Wohlstand und eine Gesellschaft kann im Gesamten profitieren. Ökonomen verweisen hier immer wieder auf den sogenannten Trickle-Down-Effekt.
Der Trickle-Down-Effekt ist eine ökonomische Theorie, die besagt, dass Vorteile, die Unternehmen und Reichen zugutekommen, letztendlich Arbeitsplätze sichern, Investitionen ermöglichen, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und so gesamtgesellschaftlich Wohlstand entsteht und beibehalten werden kann.
Was in der Theorie gut klingt, wird jedoch von Politikwissenschaftlern wie Martyna Linartas ebenso kritisiert*. Sie bemängelt, dass in keinem anderen westlichen Land Vermögen so ungleich verteilt ist und verteilt wird wie in Deutschland. Während das Vermögen von Wohlhabenden in Deutschland wächst, sehen sich immer mehr Rentner, junge Familien, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund, Geflüchtete und jedes fünfte Kind mit Armut konfrontiert.
Bundeswehr, Rente, Bürgergeld: Sozialstaat ade?
Lösungen seitens der Politik scheinen zu fehlen. Junge Menschen sollen zur Bundeswehr, Rentnern wird vorgeschlagen, ein freiwilliges soziales Jahr einzulegen oder anderweitig länger zu arbeiten, Geflüchtete, die Opfer von Kriegen geworden sind, sollen abgeschoben werden, Sozialleistungen sollen gekürzt werden, beim Bürgergeld soll massiv gespart werden und das, obwohl es einen jeden auffangen soll, der seinen Job verliert. Sei es durch äußere Umstände, Schicksalsschläge oder Krankheit.
In einem Bericht des Focus von Oktober 2025 prognostiziert Journalist Matthias Weik: "Wenn Deutschland nicht umsteuert, ist die Zukunft düster." Der umgangssprachliche "Tritt nach Unten" hilft der Gesellschaft nicht weiter. Die Wirtschaft müsse gefördert werden, sodass Menschen attraktive Jobs finden und eine Perspektive haben.
Bildung sollte für jeden zugänglich gemacht werden. Ungleichheiten müssten aufgebrochen werden, um Frust in der Gesellschaft entgegenzuwirken und damit auch Rassismus, ein soziales Miteinander müsste wieder gefestigt werden. Dann könnte ein Aufatmen stattfinden.
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