Umstrittene Bundeswehr-Lotterie schon wieder vom Tisch? Einigung wohl geplatzt

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Umstrittene Bundeswehr-Lotterie schon wieder vom Tisch? Einigung wohl geplatzt
Bundeswehr
Oliver Berg/dpa
Wie bei "Tribute von Panem": Schwarz-rote Wehdienstpläne sorgen für massive Kritik
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Die Freiwilligkeit ist weiterhin Knackpunkt bei den Verhandlungen rund um die neue Wehrpflicht. Jetzt will die Koalition eine Lösung gefunden haben - und zwar eine Wehrdienst-Lotterie. Doch plötzlich scheint eine Einigung in wieder in weite Ferne gerückt.

Update vom 14.10.2025, 18.45 Uhr: Einigung zur Wehrpflicht geplatzt? Pressekonferenz überraschend abgesagt

Der Streit zwischen Union und SPD über den neuen Wehrdienst eskaliert. Die Koalitionspartner ließen am späten Nachmittag eine Pressekonferenz zum Wehrdienstgesetz wegen zu großer Unstimmigkeiten kurzfristig platzen. Die für den späten Nachmittag anberaumte Veranstaltung werde verschoben, sagte ein SPD-Fraktionssprecher. Ob das Gesetz wie geplant am Donnerstag in den Bundestag eingebracht wird, ist nun nach Angaben von beiden Seiten wieder völlig offen. 

Dem Schritt gingen heftige Diskussionen in der SPD-Fraktion voraus. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, dass es keine Zustimmung zu den Eckpunkten gegeben habe, auf die sich zuvor Unterhändler beider Seiten geeinigt hatten. Die vier Fachpolitiker hatten Ergänzungen zu dem von Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgelegten Gesetz ausgehandelt. Dazu zählte ein umstrittenes Losverfahren. Vertreter beider Seiten hatten von einer Grundsatzeinigung auf Eckpunkte gesprochen. 

Ein Sprecher der Unionsfraktion sagte nun: "Wir haben die Pressekonferenz abgesagt, weil die beabsichtigte Einigung ausgeblieben ist. Wir hatten fest damit gerechnet. Wir wissen nicht, wann die erste Lesung des Gesetzentwurfs erfolgen wird und werden Sie dazu zeitnah informieren."

Ursprungsmeldung: Wie bei "Tribute von Panem" - Schwarz-rote Wehrdienstpläne sorgen für massive Kritik

Umstrittener Vorstoß: Union und SPD haben sich nach langem Ringen im Grundsatz auf ein Wehrdienstmodell verständigt, das auch ein Losverfahren enthalten soll. Die Details sollen am späten Nachmittag bei einer Pressekonferenz der Fachpolitiker bekanntgegeben werden. Schon jetzt gibt es heftige Kritik aus der Opposition. 

CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn verteidigte die von der Union stammende Idee des Losverfahrens, dessen Einzelheiten noch unklar sind. Sollte es zu einer neuen Wehrpflicht kommen, müsse man ein möglichst gerechtes Auswahl treffen, sagte er. "Da scheint mir das vorgeschlagene Verfahren das fairstdenkbare. Ich habe jedenfalls noch keinen faireren Vorschlag gehört."

Musterung per Los - Union und SPD mit umstrittenem Wehrdienst-Plan

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann wies rechtliche Bedenken zurück. Die Union habe ein Rechtsgutachten dazu in Auftrag gegeben, nach dem eine solche Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten. Ein Losverfahren diene dazu, in einem Auswahlprozess Gleichheit herzustellen. "Der Prozess der Auslosung gewährleistet diese Gleichheit, weil alle die gleiche Chance haben oder Nicht-Chance, gezogen zu werden."

Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag in den Bundestag eingebracht werden. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch wies daraufhin, dass es bis zur Verabschiedung noch Änderungen geben könne. Es werde voraussichtlich eine Expertinnen- und Expertenanhörung geben. Dann werde ausgewertet, "wie wir in die zweite und dritte Lesung gehen". Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte dem Internetportal "The Pioneer", er werde sich nicht querststellen, auch wenn er "inhaltlich ein bisschen skeptisch" sei. 

Die Grünen im Bundestag sprachen dagegen von einem "völlig undurchdachten Vorschlag". Das Los entscheiden zu lassen, wer gemustert und einberufen werden solle, sei ein "absolut willkürliches" und ein "total bürokratisches" Verfahren, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. Selbst beim alten Wehrdienst habe niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden können, stattdessen habe es den Ersatzdienst gegeben.

Opposition entsetzt - "Kinder für Hungerspiele ausgelost"

Linksfraktionschef Sören Pellmann warnte vor einer "Lotto-Wehrpflicht". Das Vorhaben erinnere ihn "an den Roman 'Tribute von Panem', wo Kinder für die Hungerspiele ausgelost werden". AfD-Chefin Alice Weidel sagte: "Ich habe so etwas Schwachsinniges selten gehört. Die Amerikaner haben das damals während des Vietnamkrieges gemacht", sagte sie. "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass man so etwas in Deutschland einführen würde."

Hintergrund für das Wehrdienstgesetz ist, dass die Bundeswehr 80.000 zusätzliche Soldaten benötigt. Als Begründung wird eine Verschärfung der Bedrohungslage infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine genannt. Aktuell hat die Bundeswehr rund 183.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, rund 260.000 sollen es werden. Auch die Reserve soll wachsen.

Der neue Wehrdienst soll weiterhin freiwillig bleiben. Als Anreiz soll es für Wehrdienstleistende unter anderem mehr Geld geben. Schon im bisherigen Gesetzentwurf ist aber auch die Option für eine Wehrpflicht festgehalten, "wenn die verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist". Es bräuchte dafür dann aber eine extra-Verordnung des Bundeskabinetts und eine Zustimmung des Bundestages, so der bisherige Entwurf.

Freiwilligkeit sorgt weiter für Ärger - Alternative gesucht

Das ist der Union aber zu schwammig und zu aufwendig. Sie ist skeptisch, dass genug Freiwillige zusammenkommen und hatte einen Automatismus hin zu einer verpflichtenden Heranziehung gefordert, wenn die Zahlen nicht erreicht werden. "Das wird am Ende genauso kommen", sagte CSU-Landesgruppenchef Hoffmann. Über die Zeitschiene und Zielmarken für die Rekrutierung von Personal werde es eine konkrete Vereinbarung geben. "Das wird verbindlich vereinbart werden schon jetzt in diesem Gesetzentwurf", sagte er.