Psyche: Welche Ängste sind gelernt - und mit welchen Ängsten kommen wir auf die Welt?

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Ängste sind Emotionen, die uns lähmen und meist beklemmende Gefühle auslösen. Als häufiges Reaktionsmuster verkriechen und verstecken wir uns.
Ängste sind Emotionen, die uns lähmen und meist beklemmende Gefühle auslösen. Als häufiges Reaktionsmuster verkriechen und verstecken wir uns.
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Prüfungsangst steht im Zusammenhang mit Angst vor Versagen. Hier können z.B. mangelndes Selbstbewusstsein oder viele negative Prüfungserfahrungen der Grund sein.
Prüfungsangst steht im Zusammenhang mit Angst vor Versagen. Hier können z.B. mangelndes Selbstbewusstsein oder viele negative Prüfungserfahrungen der Grund sein.
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Angst vor Spinnen ist weitverbreitet aber eigentlich unbegründet, es sei denn du hast eine Allergie gegen ihr Gift.
Angst vor Spinnen ist weitverbreitet aber eigentlich unbegründet, es sei denn du hast eine Allergie gegen ihr Gift.
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Ängste haben die Funktion einer Alarmanlage in der Psyche. Wenn sie anspringt, schlägt das Herz schneller, du beginnst zu zittern, zu schwitzen oder im Bauch grummelt es. Woher kommen Ängste? Haben wir sie erlernt?

  • Hier entsteht die Angst
  • Funktionen der Angst
  • Urängste oder gelernte Ängste?
  • Umgang mit Angst
  • Hier findest du Hilfe

In unserem Gehirn befindet sich die Amygdala (Mandelkern), die Teil des limbischen Systems ist. Sie nimmt eine bedeutende Funktion bei der Verarbeitung von Emotionen ein. Die Amygdala dient sowohl bei Tieren als auch beim Menschen als Alarmanlage. In nur Bruchteilen von Sekunden werden hier Situationen bewertet und Gefahrenpotenziale eingeschätzt. So können Bilder, Geräusche oder Gerüche entweder schon von Geburt aus oder aber durch Erfahrungen erlernt Angst auslösen.

Funktionen der Angst

Angst gehört zum Leben und ist grundsätzlich nichts Schlimmes. Ausgebildet in einem gesunden Ausmaß, warnt Angst dich vor Gefahren, erhöht deine Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit. Biologisch aktiviert Angst dein Herz-Kreislauf-System, deine Blutgefäße verengen sich, wodurch sich dein Blutdruck erhöht, gleichzeitig verringert sich aber die Durchblutung deiner Extremitäten, also deiner Arme und Beine. Das so vorhandene "überschüssige Blut" fließt an die Skelettmuskulatur weiter, wo es für deine lebenswichtigen Organe verfügbar bleibt, falls du es im Notfall benötigst. In der Regel steigert sich auch deine Atemfrequenz. So erhältst du mehr notwendigen Sauerstoff, um dein Blut schneller zirkulieren zu lassen.

Angst ist für den Körper eine Stressfunktion. Stress dient in seiner positiven Form grundsätzlich dazu, Energie zu mobilisieren. Normalerweise wird diese später wieder abgebaut, was zurück in ein emotionales Gleichgewicht führt. Der Mensch ist nicht darauf ausgelegt, Stressreaktion längere Zeiträume - wie Tage, Wochen oder gar Monate - aufrechtzuerhalten. Stress und damit auch Angst sind viel mehr als ein "Kurzzeit-Notfall-Programm" gedacht, welches nicht länger als 20 bis 25 Minuten anhält. Dauerhafter, nicht abgebauter oder verarbeiteter Stress kann allerdings Krankheiten verursachen, die auch chronische Verläufe entwickeln können. 

In dem Zusammenhang sind Erkenntnisse aus der sog. "Fight, Flight, Freeze"-Theorie interessant. Bei der Untersuchung neurobiologischer Abläufe von Tieren auf Bedrohung, zeichneten sich die drei affektartigen Reaktionen "Angriff, Flucht oder Totstellen" ab. Alle drei Reaktionen erfolgen reflexartig und unterliegen keinem Prozess der Abwägung oder bewussten Entscheidung. Auch beim Menschen gehören diese Reaktionsmuster zur evolutionären Überlebensstrategie

Urängste oder gelernte Ängste?

Angst zählt wie Freude und Traurigkeit, Wut und Liebe zu den menschlichen Grundemotionen. Die Wahrnehmung von Angst ist in ihrer gefühlten Intensität und empfundenen Bedrohung jedoch ein "komplexes Zusammenwirken von genetischen Faktoren und Faktoren der Umwelt." So wurde im Zusammenhang mit der Entstehung von Angsterkrankungen in Untersuchungen z.B. der Effekt zwischen belastenden Lebensereignissen und einer Genvariante des Transporters für den Botenstoff Serotonin im Menschen gefunden. Serotonin wird auch als "Glückshormon" bezeichnet. Es wird im Gehirn gebildet und hat maßgeblichen Einfluss auf unser seelisches Wohlbefinden.  

Wenn Ängste bzw. ihr subjektives Empfinden in Phobien umschlagen, können die Gründe vielfältig sein: Erbanlagen und darauf aufbauend eine sich (überängstlich) entwickelnde Persönlichkeit, traumatische Erlebnisse (z.B. Gewalt, Verletzungen) und ein daraus geprägter Lebensstil (Vermeidung, Rückzug). Auch wenn eine amerikanische Studie aus 2013 gezeigt hat, dass negative Erfahrungen auf dem biologischen Weg vererbt werden können, so sind vererbte Anlagen nicht zwangsweise und alleine für die übertriebene Entwicklung von Angstgefühlen verantwortlich.

Setzt du dich bewusst mit deinen Ängsten auseinander und bist emotional in der Lage, Ursache und Wirkung rational zu hinterfragen, kannst du einen Umgang mit deinen Ängsten erlernen. Wenn du dich tiefergehend damit beschäftigen möchtest, dann empfiehlt sich das Buch "Die Grundformen der Angst*" von Fritz Rieman, einem Psychoanalytiker. Er unterscheidet zwischen der Angst vor der Hingabe (die schizoiden Persönlichkeiten), der Angst vor der Selbstwertung (die depressiven Persönlichkeiten), der Angst vor Veränderung (die zwanghaften Persönlichkeiten) sowie der Angst vor der Notwendigkeit (die hysterischen Persönlichkeiten).

Umgang mit Angst

Eine weit verbreitete Angst ist z.B. die vor Spinnen. Aktuell gut zu beobachten bei der Ausbreitung der Nosferatu-Spinnen hierzulande. Hierbei handelt es sich eher um eine metaphysische Angst, der du beispielsweise mit der bekannten Konfrontationstherapie begegnen kannst. Die dabei zugrunde liegende Angst stellt keine wirkliche lebensgefährliche Bedrohung dar - außer du hast eine ausgeprägte Allergie gegen Tiergift.

Die Angst vor Spinnen rührt vielmehr von deinen Vorstellungen her. So wie sprichwörtlich der Glaube Berge versetzen kann, so können deine (irrealen) Vorstellungen auch Ängste erzeugen. Hierzu zählen auch Ängste vor Blitz und Donner, vor Dunkelheit, vor Krankheiten oder vor Höhen. Kopfkino ist da leider so effektiv wie die Realität. Deshalb funktionieren auch Horror- und Gruselfilme so gut.

Im Vergleich dazu gibt es die reale evolutionsbiologische Angst. Gerade jetzt machen sich angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklungen große Zukunftsängste breit. Existenzen sind bedroht, weil der Arbeitsplatz gefährdet oder schon weggefallen ist. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten für Nahrung, Energie (Gas) und Mobilität (Benzin) sprengen jedes Haushaltsbudget und gefährden das Dach über dem Kopf. Fluten, Hitzewellen, Brände und Dürren zerstören zugleich Ernten und Lebensräume. Diese Ängste haben ihre Ursachen in der Wirklichkeit. Ihnen zu begegnen und standzuhalten bedarf einer ausgesprochen ausgeprägten Resilienz, Zuversicht und Lebensmut.

Hier findest du Hilfe

Ob deine Ängste nun "nur" aus deinen Vorstellungen herrühren oder einen realen Grund haben, in beiden Fällen ist das für dich nicht angenehm und unterliegt auch keiner Wertigkeit. Je nach Form, Intensität und Ausprägung deiner empfundenen Ängste gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten, ihnen zu begegnen. Manchmal helfen schon unterstützende Ratschläge aus dem Familien- oder Freundeskreis, niederschwellige Seminare oder entsprechende Literatur.

In anderen Fällen ist jedoch professionelle Hilfe, z.B. in Form einer Psychotherapie, angemessen. Wichtige Anzeichen sind dabei die von dir empfundenen Einschränkungen bezogen auf dein Arbeits- oder Alltagsleben. Hier können auch zusätzlich Medikamente zum Einsatz kommen, wenn beispielsweise die Produktion von Serotonin gehemmt ist. Ob und inwieweit dir eine solche Therapie hilft, besprichst du am besten zunächst mit deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin. 

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