Am 18. Juli 2022 ist der "Ernährungsreport 2022" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erschienen. Für den Report hat das Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa eine repräsentative Umfrage unter eintausend Bürger*innen durchgeführt. Dabei konnte festgestellt werden, dass rund die Hälfte der Befragten schon einmal oder mehrmals zu vegetarischen oder veganen Alternativen zu tierischen Produkten gegriffen hat.
Zahlen der Online-Statistik-Plattform statista zufolge hat sich die Zahl der Veganer*innen innerhalb der Jahre 2015 bis 2021 fast verdoppelt. Im Jahr 2022 liegt die Anzahl der Menschen in Deutschland, die sich selbst als Veganer*innen einordnen, laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse bei 1,58 Millionen.
Vegane Ernährung: Welche Mythen stimmen?
Veganer*innen sehen sich oft Vorwürfen ausgesetzt. Viele davon beruhen auf Mythen, die über vegane Ernährung im Umlauf sind. Hier fünf davon:
#1 "Für das Soja für vegane Produkte wird der ganze Regenwald abgeholzt!"
Es ist eine der häufigsten Behauptungen, die aufgestellt wird, wenn es um vegane Ernährung geht: Für das Soja für die Herstellung veganer Produkte würde der ganze Regenwald abgeholzt werden. In der Online-Publikation Our World in Data der Oxford University wurden die Verwendungszwecke von Soja untersucht. Die Forscher*innen kamen zu dem Ergebnis, dass 77 Prozent der globalen Sojaproduktion für die Herstellung von Tierfutter genutzt werden. Dagegen werden nur etwa 19 Prozent für Produkte wie Tofu oder Sojamilch verwendet.
Die Albert Schweitzer Stiftung betont zudem, dass die meisten deutschen Hersteller von Sojaprodukten auf Nachhaltigkeit und gentechnikfreie Anbaumethoden achten. Daher beziehen sie ihr Soja größtenteils aus EU-Ländern, zum Teil auch aus Nordamerika oder China. Das meiste Soja wird laut den Forscher*innen von Our World in Data allerdings in Brasilien und somit in einer der größten Regenwaldregionen der Welt produziert. Die Nachfrage nach Soja sei in den letzten 50 Jahren rapide angestiegen. Der Bedarf sei vor allem durch die gestiegene Nachfrage nach Tierfutter und Biokraftstoffen angetrieben worden.
Eine vegane Ernährung trägt also deutlich weniger zur Abholzung der Regenwälder bei als eine Ernährungsform, die tierische Produkte integriert.
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Ein weiterer Mythos, der sich seit langer Zeit hält, besagt, dass Veganer*innen eine höhere Wahrscheinlichkeit hätten, mangelernährt zu sein als Fleischesser*innen. Der österreichische Ernährungswissenschaftlicher und Autor Niko Rittenau widerspricht diesem Vorurteil. "Ohne Zweifel enthält Fleisch eine Reihe an wichtigen Nährstoffen für die menschliche Gesundheit, aber es hält kein Monopol auf irgendeinen Nährstoff. ", schreibt er in seinem Buch "Das 1x1 der veganen Ernährung". Es gebe keinen überlebensnotwendigen Nährstoff, den man nur über den Konsum von Fleisch oder anderen tierischen Lebensmitteln zu sich nehmen könnte. Ein häufiger Einwand von Vegan-Kritiker*innen ist Vitamin B12 in der veganen Ernährung. Das Vitamin benötigen wir vor allem für den Energiestoffwechsel. Ein Mangel macht sich beispielsweise durch dauerhafte Müdigkeit bemerkbar.
Vitamin B12 wird weder von Pflanzen noch von Tieren produziert, sondern von Mikroorganismen. Diese befinden sich wiederum in den Mägen von Wiederkäuern. Pflanzliche Lebensmittel stellen tatsächlich keine sichere Quelle für B12 dar. Allerdings ist das auch bei dem Fleisch, das zum Großteil konsumiert wird, nicht der Fall. Dem deutschen Tierschutzbüro zufolge stammt 97 Prozent des in Deutschland verzehrten Fleisches aus der Massentierhaltung. Diese Tiere haben allerdings nicht die Möglichkeit, sich in der freien Natur zu bewegen und werden meist nicht natürlich ernährt. Daher produzieren auch sie keine ausreichenden Mengen an B12, weshalb ihnen das Vitamin laut der Tierschutzorganisation PETA häufig in ihr Futter beigemischt wird. Das heißt, wir können problemlos B12 selbst über Nahrungsergänzungsmittel zu uns nehmen und sind nicht auf tierische Produkte angewiesen.
#3 "Soja ist ungesund wegen der ganzen Hormone!"
Soja enthält eine Menge gesunder Bestandteile. So ist es ein guter Lieferant von Eiweiß, Vitamin B, Magnesium, Eisen und Omega 3. Viele Menschen sind allerdings skeptisch, was die Hormone in Sojabohnen angehen. Denn in der Bohne stecken sogenannte Isoflavone. Diese ähneln dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen. Daher wird vermutet, dass sie eine "hormonell aktivierende Wirkung" haben könnten, erklärt der Mediziner Stefan Kabisch von der Berliner Charité gegenüber der Apotheken Umschau. Die Isoflavone könnten an die gleichen Östrogenrezeptoren im Körper andocken und die gleichen Prozesse in Gang setzen wie Östrogene. Gesunde Menschen müssten sich bei einem normalen Verzehr jedoch keine Sorgen machen, entwarnt Kabisch.
Lediglich Menschen mit hormonell bedingten Erkrankungen wie Brustkrebs und Stoffwechselstörungen sollten ihre Ernährung ärztlich abklären, betont Nicole Schlaeger, Teamleiterin Gesunde Ernährung und Ernährungsbildung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der Apotheken Umschau. Zudem sei es wichtig, nicht nur auf Sojaprodukte zu setzen, sondern auch auf Alternativen, wie beispielsweise Hafermilch, zurückzugreifen.
#4 "Vegane Ernährung ist teuer!"
Oft wird kritisiert, dass sich gar nicht alle Menschen eine vegane Ernährung leisten könnten. Allerdings kommt es dabei wie bei jeder anderen Ernährungsform darauf an, welche Lebensmittel man kauft. Die Grundlage für eine vegane Ernährung bilden vor allem Obst und Gemüse. So sind zum Beispiel Hülsenfrüchte sehr beliebt bei Veganer*innen. Ernährt man sich also zum Großteil von unverarbeiteten Nahrungsmitteln, ist vegane Ernährung im Schnitt sogar günstiger als eine Ernährungsform mit tierischen Produkten. Teuer wird es erst, wenn man viele Markenersatzprodukte zu sich nimmt. Allerdings gibt es auch in dem Bereich immer mehr günstige Alternativen bei verschiedenen Discountern.
#5 "Mit veganer Ernährung macht man sowieso keinen Unterschied!"
Ein Mythos, der sich immer wieder findet, ist die Vermutung, dass durch eine vegane Ernährung keine Missstände verändert werden könnten. Lässt man einmal die ethischen Aspekte rund um Massentierhaltung und Tierleid außen vor, gibt es vor allem drei Aspekte, auf die Veganismus einen großen Einfluss haben kann. Laut der Welthungerhilfe wird fast ein Drittel der weltweiten Landflächen für die Futtermittelproduktion genutzt. Würde man die Flächen für den Anbau von Getreide verwenden, können die dort lebenden Menschen direkt mit Nahrung versorgt werden.
Ein zweiter Punkt, den Veganer*innen häufig als Grund für ihre Ernährungsweise angeben, ist das Klima. Und tatsächlich lässt sich der eigene CO₂-Fußabdruck laut ökotest um bis zu 73 Prozent reduzieren, wenn man auf Fleisch und Milchprodukte verzichtet.
Auch der Wasserverbrauch von Fleisch ist enorm im Vergleich zu pflanzlichen Produkten. So werden für die Erzeugung von einem Kilo Rindfleisch rund 15.000 Liter Wasser benötigt. Für ein Kilo Kartoffeln braucht es dagegen lediglich 210 Liter.