Der Arzt Christoph Specht attestiert den Deutschen, sich zu sehr auf das System zu verlassen. Um sich wirklich gesund zu fühlen, seien aber andere Dinge wichtig.
Viele Menschen wollen zum neuen Jahr gesünder leben. Doch viele Deutsche seien zu bequem und verließen sich zu sehr auf ihr Gesundheitssystem, kritisiert der bekannte Mediziner Christoph Specht. Wie er in einem aktuellen Interview mit der Welt berichtet, habe sich die Vorstellung etabliert, Gesundheit sei "eine staatliche Lieferleistung". Das habe hohe Kosten zur Folge. Diese Krankenkassen erhöhen 2026 sicher wieder ihre Beiträge.
Specht widerspricht dieser Annahme vehement: "Gesundheit kann man nicht beziehen wie Strom oder Wasser", erklärt er. Ursprünglich hätten Krankenkassen lediglich extreme finanzielle Risiken abfedern sollen. Heute erwarte die Gesellschaft jedoch, dass sie Gesundheit regelrecht herstellen – eine Illusion, die nicht funktionieren könne. Insbesondere beim Thema Ernährung seien viele Deutsche auf dem falschen Weg.
Reduzierte Portionen, Sinn, Soziales & mehr: 6 Prinzipien für mehr Gesundheit
Der Arzt stützt seine Thesen auf Erfahrungen aus Afrika, wo er beobachtete, dass Menschen ohne moderne Medizintechnik subjektiv zufriedener und gesünder sein können als Patienten in hoch entwickelten Ländern. In der Welt beschreibt Specht ein "Gesundheitsparadox": Je fortschrittlicher die medizinische Versorgung, desto kränker fühlten sich die Menschen.
"Große Probleme sind gelöst – also werden kleine Probleme groß", so seine Analyse. Die permanente Verfügbarkeit diagnostischer Möglichkeiten führe dazu, dass bereits kleinste Abweichungen vom Idealzustand als bedrohlich wahrgenommen würden. Statt auf immer neue medizinische Leistungen zu setzen, empfiehlt Specht sechs grundlegende Lebensbereiche, die gleichwertig zur Gesundheit beitragen.
"Nicht Superfoods, nicht Diäten" seien entscheidend, betont der Mediziner dabei ausdrücklich. Seine Prinzipien umfassen tägliche Bewegung im Alltag statt im Fitnessstudio, eine einfache Ernährung mit reduzierten Portionen nach japanischem Vorbild ("Hara hachi bu") sowie den bewussten Umgang mit Stress statt dessen Vermeidung. Besonders wichtig sei zudem ein sinnstiftendes Leben, soziale Verbundenheit und Zuversicht. "Menschen brauchen Aufgaben, die Bedeutung haben", erklärt Specht der Welt.
Einsamkeit "einer der größten Verstärker": So stark ist laut Specht der Einfluss der Psyche
Selbst kleine, konkrete Tätigkeiten reichten aus. Wer morgens nicht wisse, warum er aufstehe, verliere Gesundheit. Einsamkeit bezeichnet er als "einen der größten Verstärker für Krankheit" – ein Problem, das sich nicht durch staatliche Programme lösen lasse. "Die Behebung von Einsamkeit ist keine Leistung, die staatlich geliefert werden kann", stellt er klar.
Die Bedeutung der mentalen Einstellung untermauert der Mediziner mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Psychoneuroimmunologie. Wie die Welt zitiert, hätten HIV-Patienten mit optimistischer Einstellung "messbar höhere Immunzellzahlen" aufgewiesen. Alle sechs Faktoren müssten dauerhaft Teil des Alltags werden, betont der Arzt. Es gehe um Jahre und Jahrzehnte, nicht um kurzfristige Programme.