"Da ist mir schon öfter eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen, schildert er die körperlichen Reaktionen infolge des erlittenen Traumas. Er berichtet von Unwohlsein und Angstgefühlen. "Auch ein Frösteln, Wut, Trauer und Entsetzen spüre ich." Die Bilder der Opfer machen sich zudem wiederkehrend im Geist des Arztes bemerkbar. Sie treten demnach teils auch in verfremdeter Erscheinungsform auf. "Ich habe zum Beispiel die Toten, aber auch Helfer, so gesehen wie in der Darstellung von Munchs 'Der Schrei'." Der Titel ist das bekannteste Bildmotiv des norwegischen Malers Edvard Munch.
"Es geht nicht mehr": Notarzt begibt sich nach Messerangriff in spezielle Traumatherapie
"Mit ganz großen Augen, offenem Mund." Schwarzmann nimmt darin Entsetzen wahr. "Das Nichtwahrhabenwollen, dass das passiert ist. Die Trauer, auch der Schmerz, die Tragödie und der Tod." Es sei erstaunlich, was Bilder, Gerüche und Laute mit einem machen, sagt Schwarzmann. "Obwohl man ja weiß, dass man dort nicht mehr ist", hält er mit Blick auf den Tatort fest. Doch erst als er einen Vortrag über sein Eingreifen im Kaufhaus halten soll, wird ihm laut Eigenaussage bewusst, dass er so nicht weitermachen kann. "Da habe ich gemerkt: 'Ich brauche Hilfe. Es geht nicht mehr.'"
Nach dem Messerangriff wurde in Würzburg eigens eine Traumaambulanz eingerichtet. Hier findet schließlich auch Gerhard Schwarzmann die professionelle Unterstützung, die er benötigt. Mithilfe der sogenannten EMDR-Methode versucht der 61-Jährige, seine einschneidenden Erlebnisse aufzuarbeiten. EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing. "Das heißt, eine Traumaverarbeitung mittels Augenbewegung", erklärt Dr. Marion Schowalter im TV-Beitrag. "Es geht darum, dass sich der Gerhard in eine traumatische Situation hineinversetzt", sagt die Psychotherapeutin. "Sich wieder hineinfühlt. Sich wieder ein schlimmes Bild vor Augen führt."
Sie leite den Patienten anschließend an, seine Augen zu bewegen, schildert Schowalter den Ablauf einer Sitzung. "Und allein diese Augenbewegung hilft, dass er in einen Verarbeitungsprozess kommt." Ausführliche Informationen zum Thema gibt es auf der Webseite des wissenschaftlichen Fachverbands wissenschaftliche Fachverband EMDRIA Deutschland e.V.
Besondere Therapie hilft Notarzt - Mediziner geht ungewöhnlichen Schritt
Dank der EMDR-Methode gelingt es Schwarzmann letztlich, immer mehr loszulassen. "Die Therapie ist jetzt erst einmal abgeschlossen", konstatiert er. "Ich könnte sie aber jederzeit wieder aufnehmen." Mit seinem erlittenem Trauma geht der Notarzt mit jahrzehntelanger Erfahrung bewusst offen um.
"Ich halte zu dem Thema auch Vorträge. Es geht mir darum, die Hemmschwelle zu senken und das Thema zu etablieren", hält Schwarzmann im Gespräch mit inFranken.de fest.
Auch seinen Kollegen und Kolleginnen in der Notfallmedizin wolle er an seinem Beispiel zeigen: "Leute, das kann sogar mir passieren." Das Ereignis vom 25. Juni 2021 hat demnach bei vielen Menschen nachhaltig Spuren hinterlassen. "Der Angriff war im Herzen Würzburgs und hat die Würzburger in ihrem Herz getroffen."