Kommentar zum Axt-Attentat in Würzburg: Man kann sich kaum schützen

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Ein Polizeifahrzeug steht am 19.07.2016 auf einer Wiese bei Würzburg (Bayern). Am Montagabend war ein 17 Jahre alter Afghane mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Vier Menschen wurden schwer verletzt, ein weiterer leicht. Die Polizei erschoss den Angreifer als er flüchtete. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Ein Polizeifahrzeug steht am 19.07.2016 auf einer Wiese bei Würzburg (Bayern). Am Montagabend war ein 17 Jahre alter Afghane mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Vier Menschen wurden schwer verletzt, ein weiterer leicht. Die Polizei erschoss den Angreifer als er flüchtete. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Nach der Attacke in einem Regionalzug in Würzburg mit vier Schwerverletzten ist die abstrakte Gefahr plötzlich ganz nah und konkret. Ein Kommentar.

Nach Brüssel, Paris und Nizza war es immer wieder zu hören, aber es blieb diffus: Es kann keine absolute Sicherheit geben. Jetzt plötzlich ist diese abstrakte Gefahr ganz nah und konkret. Gewalt in einem Regionalzug, im Herzen Frankens.

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Es ist klar, dass die Wahnsinnstat des jungen Flüchtlings Reflexe auslöst: Die Einen fühlen sich sofort darin bestärkt, dass die Zuwanderung Gewalttätern die Tür öffnet, dass man sich gegen potenzielle Terroristen am besten schützt, indem man die Grenzen dicht macht und auffällig gewordene Zuwanderer und besser gleich alle konsequent abschiebt.

Die Anderen werden in dem
Angriff die Tat eines Einzelnen sehen, sie werden in persönlichen Problemen des Jugendliche die Ursache für die Gewalt suchen und vor der Verallgemeinerung warnen, dass alle Zuwanderer gefährlich sind. Weil die allermeisten Fremden in diesem Land nichts anderes wollen als in Frieden leben.

Es gibt eine dritte, die größte Gruppe, Menschen, die offen sind und immer erst das Gute sehen wollen. Auch sie können sich am Tag nach Würzburg kaum gegen eine Beklemmung wehren, wenn sie in einen Bus steigen, wenn sie sich ins Getümmel beim Weinfest stürzen, wenn sie sich einer Gruppe junger Männer nähern, die als Fremde zu erkennen sind.

Die bisher abstrakte Gefahr ist durch die Gewalt in Würzburg konkret geworden, völlig unabhängig davon, welche Motive den 17-Jährigen trieben, ob er ein "Soldat" des IS war oder aus eigenem Antrieb "Idolen" nacheiferte. Der Täter hatte eine Axt und ein Messer dabei, als er in den Zug stieg. Sein Angriff auf die Fahrgäste war also kein Amoklauf oder ein spontaner Ausbruch von Gewalt, er war geplant, wenn auch die Opfer wohl zufällig gewählt.

Natürlich gibt es gegen Wahnsinnige keine absolute Sicherheit, ebenso wenig gegen Täter, die ihr Verbrechen akribisch planen. Das weiß man alles, das hat man oft gehört. Aber der Einbruch von Gewalt in das vertraute Umfeld verändert das Gefühl. Der Rucksack im Zugabteil und die seltsam dicke Jacke an diesem warmen Sommertag werden jetzt sehr viel öfter ein mulmiges Gefühl erzeugen, und der unvermeidliche Ruf nach mehr Polizeipräsenz und mehr Überwachung wird daran nichts ändern.

Ende der Willkommenskultur? Es ist richtig, dass mit der Zuwanderung die Probleme der Welt importiert werden. Und ein Teil dieser Probleme ist religiöser Fanatismus. Aber ebenso richtig ist, dass sie sich nicht aussperren lassen. Kein Land ist eine Insel, und Extremisten machen nicht vor Grenzen halt. Wer mit Ausgrenzung reagiert, mit Hass und Ablehnung gegen viele wegen der Tat eines Einzelnen, der spielt der Gewalt in die Hände. Naivität ist nicht angebracht, doch viel weniger noch alte oder neue Feindbilder. Davon gibt es nun wirklich genug auf der Welt.