Der Schlächter aus Würzburg - seine blutige Spur von Spanien bis Warschau

5 Min
Obwohl seine Biographie Bände füllen würde, gibt es von Oskar Dirlewanger nur wenige Bilddokumente. Das große Foto zeigt ihnr 1944 in der Uniform des SS-Oberführers, das Bild in ziviler Kleidung wurde 1945 unmittelbar nach der Festnahme des Kriegsverbrechers im Allgäu durch französische Truppen aufgenommen. Die Aufnahme unten entstand 1944 nach einem Massaker von Dirlewangers Einheit in Warschau. Fotos: Bundesarchiv
Obwohl seine Biographie Bände füllen würde, gibt es von Oskar Dirlewanger nur wenige Bilddokumente. Das große Foto zeigt ihnr 1944 in der Uniform des SS-Oberführers, das Bild in ziviler Kleidung wurde 1945 unmittelbar nach der Festnahme des Kriegsverbrechers im Allgäu durch französische Truppen aufgenommen. Die Aufnahme unten entstand 1944 nach einem Massaker von Dirlewangers Einheit in Warschau. Fotos: Bundesarchiv
 
 
 

Im Juli vor 80 Jahren brach der Spanische Bürgerkrieg aus. Der Unterfranke Oskar Dirlewanger begann hier seine blutige Karriere.

Er war Sohn eines Kaufmanns aus dem beschaulichen Fachwerk-Juwel Würzburg. Er promovierte zum Doktor der Staatswissenschaften, war Geschäftsführer und wurde als Soldat mehrfach wegen außergewöhnlicher Tapferkeit ausgezeichnet. Er war aber auch ein Kinderschänder, Betrüger und Kriegsverbrecher von perfider Grausamkeit: Oskar Dirlewanger, der Schlächter von Warschau, hat eine Biographie, die man heute nur kopfschüttelnd lesen kann. Ein böser Mensch aus Unterfranken.

Der fanatische Nazi lernte nicht zuletzt im Spanischen Bürgerkrieg sein blutiges Handwerk. Im Juli 1936 brach dieser Konflikt aus, der für Nazi-Deutschland eine Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg war. Und nicht nur das. Spanien war auch beim Aufstieg faschistischer Kräfte an die Macht ein Vorreiter im damaligen Europa.
Mehrfach hatten Demokraten versucht, aus dem Königreich eine Republik zu machen, zuletzt nach der Weltwirtschaftskrise 1929.

Doch das parlamentarische System stand von Beginn an auf tönernen Füßen, Konflikte innerhalb der tief gespaltenen Gesellschaft, alte Machtstrukturen und nicht zuletzt wirtschaftliche Probleme und ein ums andere Mal scheiternde Reformen gaben den Radikalen Vorschub. Letztlich beendete ein Militärputsch den demokratischen Traum in Spanien, General Franco erkämpfte sich in einem blutigen Bürgerkrieg die Macht.


Blutbad auf der Ferieninsel

Eine Randnotiz: Zu den Schauplätzen des Spanischen Bürgerkriegs (1936 bis 1939) gehörte auch Mallorca. Unter anderem im bei deutschen Urlaubern beliebten Badeort Sa Coma auf der Ostseite der Insel kann man an der Küste heute noch Relikte der Küstenbefestigung sehen. Republikanische Truppen hatten 1936 versucht, die Faschisten von der Insel zu jagen. Die Invasion endete blutig und mit einer Niederlage der Demokraten; auf beiden Seiten gab es 1500 Gefallene.

Zu den Besonderheiten des Spanischen Bürgerkriegs gehört die lange geheim gehaltene und bis heute nur fragmentarisch erforschte Unterstützung für Franco durch Hitler-Deutschland. Lange, auch noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg, galten sie als Helden, als Ritter der Lüfte, die Piloten der deutschen Luftwaffe, die Hitler und Göring nach Spanien schickten. Schneidige Offiziere wie Adolf Galland und vor allem Werner Mölders, der sich nach 1945 mit einem gefälschten Brief selbst "entnazifizierte", und auch schon der Deckname "Legion Condor", trugen zur Legendenbildung, ja Verklärung bei. Die Suche nach der Wahrheit ist schwierig: Alle Unterlagen zu Hitlers erstem Krieg wurden bei den Angriffen auf Berlin 1945 vernichtet, Details kennt man nur aus widersprüchlichen Augenzeugenberichten.


"Das haben Sie gemacht"

Das berühmteste Dokument des Spanischen Bürgerkriegs ist ein Bild, 3,50 mal 7,77 Meter groß: Pablo Picassos Ölgemälde "Guernica". Es entstand unter dem Eindruck der Zerstörung der baskischen Kleinstadt durch deutsche und italienische Jagdbomber am 26. April 1937. Die heilige Stadt Guernica (baskisch: Gernika) war nur einer von vielen Orten in Spanien, die während des Bürgerkrieges völkerrechtswidrig in Schutt und Asche gebombt wurden.

Die Symbolik des barbarischen Angriffes auf dieses wehrlose zivile Ziel wirkt aber bis heute, nicht nur wegen Picasso. 1944 kam ein deutscher Soldat in Picassos Atelier in Paris. Er blickte auf eine kleine Nachbildung des Bildes "Guernica" und fragte den Künstler: "Haben Sie das gemacht?" Picasso antwortete: "Nein, Sie."

Es ist nichts Heldenhaftes und schon gar nichts Ritterliches zu sehen im Kampf der "Legion Condor". Es hat auch nichts mit Gerechtigkeit oder Wiedergutmachung zu tun, dass das, was in Guernica geschah, sich im Zweiten Weltkrieg in hunderten deutschen Städten wiederholte und bis zu dem steigerte, was Goebbels im Berliner Sportpalast herbeigebrüllt hatte: totaler Krieg. Es gibt nichts Gerechtes im Krieg. Krieg ist böse.


Die Spanische Allee in Berlin

Trotzdem: Erst 1998 beschloss der Bundestag, die "Helden" der "Legion Condor" nicht mehr als Vorbilder für die Soldaten der Bundeswehr zu empfehlen. Bis 2005 waren eine Kaserne und ein Jagdgeschwader der Bundesluftwaffe nach Werner Mölders benannt. Die frühere Wannseestraße in Berlin-Zehlendorf heißt bis heute Spanische Allee; 1939 verfügte Hitler die Namensänderung, um die aus Spanien heimkehrenden Kämpfer zu ehren, deren Existenz er bis dahin geleugnet hatte: "Deutschland hat keinerlei Truppenverbände nach Spanien geschickt."

Tatsächlich kämpften die Deutschen in Spanien verdeckt, ohne Uniform und Hoheitszeichen, zu Lande, zur See und in der Luft. Bis zu 20.000 Angehörige der Wehrmacht standen an Francos Seite, viele deutsche Unternehmen wie IG Farben lieferten Waffen und Material, unterstützten den Putsch der Faschisten mit Geld.

Für Hitler war die Hilfe für Franco ein Baustein, um das Machtgefüge in Europa nach rechts zu verschieben und Verbündete für den geplanten Eroberungsfeldzug zu gewinnen. Das deutsche Militär sah auf der Iberischen Halbinsel vor allem eine Gelegenheit, neue Technik "real" zu erproben. Besonders augenfällig war dies bei der Luftwaffe, die ihre neuen Jagdflugzeuge und Bomber nach Spanien schickte und in Guernica studieren konnte, was die neu entwickelte Stabbrandbombe, in Massen abgeworfen, in einer eng bebauten historischen Stadt anrichtet. Offiziell galt der Angriff einer steinernen Brücke, gegen die eine Brandbombe gar nichts ausrichten kann.


Söldner im Auftrag des Bösen

Der Krieg in Spanien lockte auch Abenteurer, fanatische Militaristen und Faschisten. Unter ihnen war Oskar Dirlewanger. 1895 in einer Würzburger Kaufmannsfamilie geboren, meldete er sich, kaum das Abitur in der Tasche, bereits 1913 freiwillig zum Militär. Im Ersten Weltkrieg wurde er mehrfach verwundet; dennoch kämpfte er bis zum Waffenstillstand an der Front. Nach 1918 schloss sich Dirlewanger verschiedenen nationalistischen Freikorps an, paramilitärischen Verbänden, die unter anderem die sozialistische Räterepublik in München bekämpften.

Nebenbei studierte er an der Handelshochschule in Mannheim Wirtschaftswissenschaften, wo er wegen antisemitischer Hetze auffiel. 1922 promovierte Dirlewanger in Frankfurt zum Doktor der Staatswissenschaften. Von 1928 bis 1931 leitete er das Textilunternehmen einer jüdischen Familie in Erfurt. Dort unterschlug er Geld, das er der SA zuschob, dem bewaffneten Arm der NSDAP. 1922 wurde er Parteimitglied mit der Nummer 1 098 716.

Nach der Machtübernahme 1933 erhielt Dirlewanger als "alter Kämpfer" eine Anstellung am Heilbronner Arbeitsamt, wo er es bis zum stellvertretenden Direktor brachte. Weil er Kollegen anschwärzte, kam es zu einem Disziplinarverfahren, in dessen Verlauf mehrere Anzeigen gegen Dirlewanger aufgegriffen wurden, die die Justiz bis dahin unterdrückt hatte. 1934 wurde er wegen der Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Er verlor seine Stellung, seinen Doktortitel und alle militärischen Auszeichnungen.

Nach der Entlassung nahm Dirlewanger drei Jahre lang am Spanischen Bürgerkrieg teil. Er wurde mit dem "Spanienkreuz" ausgezeichnet und reaktivierte über das Militär seine Kontakte zum NS-Machtapparat. Er erhielt sogar seinen Doktortitel zurück und wurde Obersturmführer der Waffen-SS. Die "SS-Sondereinheit Dirlewanger" sollte in den von der Wehrmacht eroberten osteuropäischen Ländern gegen "Banden" und Partisanen kämpfen. Seine Soldaten - besser: Söldner - rekrutierte Dirlewanger unter anderem in Zuchthäusern. Verurteilte Wilderer holte er sich für seine Scharfschützenbataillone.


Selbst für die SS zu grausam

Die "Banden", die Dirlewanger bekämpfte, waren Zivilisten in Weißrundland, der Ukraine und Polen, darunter Frauen und Kinder, die Unbeschreibliches erleiden mussten. Nicht nur bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes 1944 fielen Dirlewangers Truppen durch eine Hemmungslosigkeit auf, die selbst führenden Köpfen der SS zu weit ging. In Augenzeugenberichten wird Dirlewanger oft als "Butcher", Schlächter bezeichnet. Seine Truppe hat mehrere zehntausend Menschen massakriert.

Im April 1945 tauchte Dirlewanger unter, versuchte sich in Zivilkleidung der Verhaftung zu entziehen. Doch er flog auf und geriet im Allgäu in französische Kriegsgefangenschaft. In einem Lager in Oberschwaben erkannten ihn Mithäftlinge. Unter nicht völlig geklärten Umständen starb Dirlewanger am 7. Juni 1945 vermutlich an der Folge schwerer Misshandlungen.

Der Historiker Wolfgang Benz zieht Parallelen zum 30-jährigen Krieg und charakterisiert Dirlewanger als Typ des Landsknechts, der "moralisch haltlos und machtbesessen (...), von Grausamkeit und Willkür getrieben, Verbrechen zum Prinzip des Kampfes macht." 17 Jahre, ein Drittel seines Lebens, verbrachte der Würzburger im Krieg, nur da hatte er "Erfolg", während er im zivilen Leben nie richtig Fuß fassen konnte.