Religion und Satire: Die Grenzen des guten Geschmacks

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Kreuz bei einer Pegida-Demonstration. Foto: dpa
Kreuz bei einer Pegida-Demonstration. Foto: dpa
Der Papst ist oft Ziel von Karikaturisten. Hier ein Archivfoto vom Besuch Kilian Kemmers beim ehemaligen Past Benedikt Benedikt XVI..
Der Papst ist oft Ziel von Karikaturisten. Hier ein Archivfoto vom Besuch Kilian Kemmers beim ehemaligen Past Benedikt Benedikt XVI..
 

Der Höchstadter Dekan Kilian Kemmer verfolgt die aktuelle Diskussion um Karikaturen zur Religion. Im Interview kritisiert er auch die Verwendung von christlichen Symbolen bei den Demonstrationen der Pegida.

Nach dem Attentat auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo wird darüber diskutiert, wo bei Karikaturen die Grenze des guten Geschmacks liegt. Die katholische Kirche sieht sich schon lange einer ausführlichen Beachtung durch Karikaturisten und Künstlern ausgesetzt. Beispiele sind das Bild eines gekreuzigten Frosches von Martin Kippenberger oder eine umstrittene Titelseite der Satirezeitschrift Titanic. Darauf zu sehen ist der damalige Papst Benedikt XVI. als Inkontinenter mit besudelter Soutane. Die Überschrift "Die undichte Stelle ist gefunden" spielte auf die Vatileaks-Affäre an, bei der vertrauliche Informationen aus dem Vatikan an die Öffentlichkeit kamen. Beim Presserat gingen damals zahlreiche Beschwerden ein.

Der Höchstadter Dekan Kilian Kemmer verfolgt die Diskussion um die Verletzung religiöser Gefühle mit dem Zeichenstift schon seit längerem. Die Verwendung christlicher Symbole bei den Pegida-Demonstrationen sieht er höchst kritisch.

inFranken.de: Was darf Satire?

Kilian Kemmer: Satire darf grundsätzlich alles. Dazu gibt es sie. Die Darbietung liegt in der Verantwortung der Satiriker. Das bedeutet, zu beachten wo Schmerzgrenzen in menschlicher, persönlicher, politischer und religiöser Hinsicht sind.

Die Sicht der Satire auf den Islam ist gerade in aller Munde. Die katholische Kirche war immer Ziel von Komik und Karikaturen. Wie gut können Sie damit umgehen, wenn der Papst mit durchnässter Soutane dargestellt wird?

Wer in der Satire vorkommt, dessen Person oder dessen Inhalt ist wichtig. Von daher ist es schon mal gut, wenn man von Satirikern aufs Korn genommen wird. Die katholische Kirche hat ein hohes Maß an Schmerzgrenze. Das zeigen die beiden großen K, Kirche und Karneval, die auseinander hervorgegangen sind. Man schaue zum Beispiel ins Rheinland. Da gibt es im Karneval im Prinzip keine Tabus. Die Menschen empfinden aber aus ihrem Glauben heraus eine ganz natürliche Grenze.

Wurden bei den Karikaturen zum Islam in der Zeitschrift Charlie Hebdo religiöse Gefühle verletzt?

Zunächst: Das schlimme Attentat in Paris ist durch nichts zu rechtfertigen. Aber ganz klar hat Charlie Hebdo massiv religiöse Gefühle verletzt. Wie gesagt, Satire darf alles. Aber wie gesagt: Die Satiriker haben auch ein gewisses Maß an Verantwortung.

Können Sie über kirchenkritische Karikaturen lachen?


Einen gekreuzigten Frosch empfinde ich als geschmacklos, weil das Bild die Religion allgemein verunglimpft. Bei der Karikatur des Papstes mit durchnässter Soutane wird eine betagte Person bloßgestellt. Eine Karikatur zum Missbrauchsskandal wiederum scheint mir eine legitime Reaktion auf ein tatsächliches Thema zu sein. Wenn man bedenkt, was in der Missbrauchsaffäre oder bei Vatileaks alles geschrieben wurde, ist es auch verständlich, dass solche klaren Worte auch als Pendant humorvoll in der grafischen Form dargestellt werden.

Wo liegt Ihre Schmerzgrenze?

Die liegt relativ hoch. K und K, Kirche und Karneval kommen ja auch in meinen Initialen vor. Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein humorvoller Mensch bin. Jahrelang bin ich bei den Prunksitzungen an Fasching aufgetreten.

Auf den Demonstrationen der sogenannten Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegdia) in Dresden ist Religion ja auch ein Thema. Was halten Sie davon, wenn dort schwarz-rot-golden bemalte Kreuze gezeigt werden?

Mich wundert es, dass gerade in Dresden so etwas geschieht. Wenn schätzungsweise 70 Prozent der Menschen in Ostdeutschland ungetauft sind, wundert mich es, warum sich gerade dort die mutmaßlichen Retter des Abendlandes auf die christlichen Werte berufen. Ich kann nicht feststellen, dass die Kirchen in Ostdeutschland voller sind, als im Westen.Wenn Sternsinger aus dem Bildungsministerium in Potsdam hochkant hinaus fliegen, weil es sich angeblich um religiöse Einflussnahme handelt, darf man sich andererseits auch nicht wundern, dass solche faschistoiden Bewegungen wie Pegida von Teilen religiös motivierter Menschen unterstützt werden.

Pegida sind also nicht die Retter des Abendlandes?

Ein patriotischer Europäer, der das Abendland retten will, der hat keine Angst vor dem interreligiösen Dialog. Ich habe weniger vor dem Bau einer Moschee Angst, als vielmehr vor leeren Gottesdiensten. Wenn Christen zusammen stehen, dann können sie im interreligiösen Austausch auch Probleme gemeinsam meistern.