Nach der Tötung der Giraffe Marius in Kopenhagen richtet sich ein Sturm der Entrüstung gegen den Zoo in Dänemark. Helmut Mägdefrau, Vize-Chef des Nürnberger Tiergartens, kann die Empörung nicht so recht verstehen.
Nach der Tötung der Giraffe Marius in Kopenhagen richtet sich ein Sturm der Entrüstung gegen den Direktor des Zoos. Das Tier war am Sonntag erschossen worden, weil es nicht genügend Platz im Zoo gab. Wegen der Inzuchtgefahr konnte es laut Zoo aber auch nicht in einen anderen Tierpark umziehen. Auf Facebook rissen die wütenden Kommentare am Montag nicht ab: "Schäm dich, Kopenhagener Zoo", lautete ein Eintrag. Helmut Mädgefrau, der Vize-Direktor des Tiergartens Nürnberg, kann die Aufregung nicht so ganz verstehen.
Herr Mägdefrau, warum trauern Sie nicht um die getötete Giraffe in Dänemark? Helmut Mägdefrau: Wir trauern auch nicht um jedes Rind oder Schwein, das auf unseren Tellern landet. Unsere Löwen und Tiger sind keine und werden keine Vegetarier werden. Warum soll die Giraffe ein besseres Tier sein als die, die wir verfüttern? Die Giraffe hatte keine Massentierhaltung und keinen Tiertransport hinter sich. Das sind klare Tierschutzargumente, die für das Verfüttern von Tieren aus dem jeweiligen Zoo sprechen.
Tut es Ihnen nicht in der Seele weh, dass das edle Tier auch noch an die wilden Löwen verfüttert wurde? Diese Art der Verwertung beinhaltet Biofleisch, das tierschutzgerecht gewonnen wurde. Die Löwen haben beim Zerlegen noch artgemäße Beschäftigung. Was soll mir da in der Seele wehtun?
Tierliebe Menschen gelten gemeinhin als sympathisch...was gefällt Ihnen an der tierlieben Öffentlichkeit nicht? Tierschutz und Tierliebe sind wichtig, müssen aber auf biologischen Grundlagen basieren. Die emotionale Entrüstung beim vorliegenden Fall grenzt an Heuchelei und ist durch nichts zu rechtfertigen.
Inwieweit könnten Sie ohne die mediale "Affenliebe" mehr für den Artenschutz tun? Laut internationaler Naturschutzunion wurden die Nashörner in Südafrika durch legale Großwildjagd gerettet, die Bestände haben sich erholt. Das darf nicht mit der derzeitigen illegalen Wilderei verwechselt werden, die aktuell eine massive Bedrohung für Nashörner darstellt. Viele Europäer zucken beim Thema Großwildjagd zusammen, weil da ein individuelles Tier getötet wird. Auf der anderen Seite akzeptieren wir einen Flächenverbrauch in Deutschland mit dem Verlust der Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren. Artenschutz und Tierschutz können nicht immer dieselbe Zielrichtung haben. Ohne Artenschutz können wir aber Tierschutz auf Dauer vergessen.
Daß Löwen Giraffen fressen, ist ein ganz natürlicher Vorgang - und so kann Herrn Mägdefrau nur zugestimmt werden. Ein Großteil unserer Nutz-, selbst unserer Haus- und Kuscheltiere wird alles andere als artgerecht gehalten. So mancher Hund, so manche Katze stirbt aus selbstsüchtigeren Gründen. Jagd dient auch in Deutschland oft - sicher nicht immer - mehr dem Vergnügen als naturgerechter Hege. Die Verwendung des Giraffenfleisches als Löwenfutter ist demgegenüber nun wirklich nicht als bedenklich einzustufen.
Wird nicht immer wieder das Miterleben der Aufzucht und des Schlachttods eines Tieres als pädagogisch wertvoll angepriesen, damit Kinder und Jugendliche wieder lernen, woher unser Braten stammt, so daß sie ihn schätzen und das Tier respektieren lernen? Was also ist am Verhalten des dänischen Zoos verwerflich?
Einen Einwand sollte man Herrn Mägdefrau allerdings doch ans Herz legen - ohne daß ich die von ihm zitierte Argumentation völlig von der Hand weisen will. Werden die Jagd auf ungefährdete (Teil-)Bestände von Nashorn oder auch Elefant sowie der Handel mit aus ihnen gewonnenen Produkten legalisiert, kann legale und illegale Ware kaum unterschieden werden. Das völlige Handelsverbot signalisiert immerhin: Es ist immer illegal. Aber richtig ist auch: Wer Tierbestände nutzen darf, ist an ihrem Schutz interessiert und engagiert sich entsprechend - wenn ihm die benötigten Mittel zur Verfügung stehen. Der Abwägungsprozeß ist kein einfacher - und kann definitiv nicht am Stammtisch entschieden werden.