In geschlitzten "Bluderhosen" inszenierte sich der modebewusste Mensch des Frühbarock für den Porträtmaler. Heute wird in zerschlitzten Jeans fürs Selfie posiert. Manches ist in Mode geblieben. Anderes war längst vergessen, kam aber wieder. Was eine Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg über Kleidung und Gesellschaft verrät.
War es vor zwei oder vor drei Jahren, dass weiße Lederschuhe in Mode kamen? Oder ist es doch schon so viel länger her? Im Germanischen Nationalmuseum (GNM) Nürnberg diskutieren zwei Besucherinnen über ein weißes Leder-Riemen-Schühchen in einer Vitrine. "Könnte man tragen", sagt die eine. "Hippiemäßig" findet die andere den 400 Jahre alten Schuh wegen seiner ins Leder gestanzten Ornamente. "Aber zu einer Tunika ... könnte man ihn tragen!"
Einzigartige Sammlung
Der weiße Tanzschuh ist eines der ersten Stücke, mit denen das Museum vor über 150 Jahren begann, seine Sammlung historischer Kleidung, "Kostüme" genannt, aufzubauen. Heute zählt die frühneuzeitliche Kostümsammlung des GNM zu den ältesten, bedeutendsten und umfangreichsten der Welt. Zum ersten Mal wird sie jetzt in einer Sonderausstellung gezeigt: "In Mode - Kleider und Bilder aus Renaissance und Frühbarock" ist bis 6. März zu sehen.
Hüte und Handwerkszeug
Etwa 50 Originalkostüme aus der Zeit zwischen 1560 und 1650 wurden in einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt neu bearbeitet. Kleider und Ärmel, Samtmäntel, Seidenwämser, Halskrausen und Hüte werden nun gemeinsam mit Gemälden und Handwerkszeug, mit schematischen Schnittmustern und Flugblättern so präsentiert, dass es nicht nur um Zeitgeschmack und Handwerk geht. Sondern um die gesellschaftliche Bedeutung von Kleidung.
Parallelen zur modernen Modewelt
Dabei gibt es jede Menge Par allelen zur heutigen Modewelt. Der praktische Nutzen war bei den kostbaren Textilien weniger wichtig als ihre Funktion als Statussymbol, als Provokation und Spiel. Wenn heute unter Rissen in zerschlissenen Jeans nackte Haut hervorblitzt, ist das ein alter Trick. Die spielerische Wirkung, bei der mit einer Bewegung etwas eben noch Verborgenes sichtbar wird, ist eine Erfindung von Modeschöpfern des ausgehenden 16. Jahrhunderts.
Mode: gerissen und zeitlos
Der Hipster des Frühbarock trug geschlitzte "Bloderhosen", bei denen mehrere Stofflagen den Drunter-und-Drüber-Effekt erzielten. Solch "unzimbliche" Tracht wurde ähnlich wie heute eine kunstvoll zerfetzte Jeans nicht von jedermann geschätzt: Je länger und wilder die Schlitze seinerzeit waren, desto mehr galten sie der christlich motivierten Modekritik als Teufelswerk. Doch der reiche Patrizier provozierte damals genauso gern wie manch Modeblogger heute. Es gibt vieles, was in der Mode wiederkehrt und einiges, das sich nie ändert. Im Barock dienten Repräsentationsbildnisse der wohlüberlegten, beiläufig wirkenden Selbstinszenierung. Heute heißen solche Bilder Selfie.
Reizwäsche des Barock
Interessant ist auch die Inszenierung der Geschlechter in der Mode. Ein unauffälliges, schlabberig-weites Hemdgewand ist das erotischste Stück der Ausstellung. Es soll aus der Türkei stammen; die Nürnberger stellten sich exotische Frauen vor, die unter dem dünnen Seidenstoff "nackhendt" gingen. Doch insgesamt ist die frühneuzeitliche Mode überraschend geschlechterneutral. So wie heute die Jeans wurden viele Kleidungsstücke von Männern und Frauen gleichermaßen getragen. Männer waren nach heutigen Maßstäben sehr offen für Mode: Genau wie die Dame trug auch der barocke Herr beispielsweise gern mal weiße Leder-Riemen-Schühchen mit Hippie-Ornamentik.
Zur Ausstellung
Termin Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg zeigt "In Mode - Kleider und Bilder aus Renaissance und Frühbarock" bis zum 6. März 2016.
Öffnungszeiten Dienstag bis Donnerstag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr. Heiligabend, am Ersten Feiertag und an Silvester hat das Museum geschlossen.
Programm Am Aktionstag "In Mode" am Sonntag, 10. Januar, ab 10 Uhr finden spezielle Führungen, eine Aufführung des Jugendclubs des Staatstheaters Nürnberg und eine offene Schneiderwerkstatt (auch am Sonntag, 7. Februar) statt. Weitere Informationen unter
www.gnm.de.