Plätze in Städten prägen unser tägliches Leben. Doch vielfach dominieren hier Funktionalität und Verkehr, statt Schönheit und Lebensfähigkeit. Eine Schau in Nürnberg zeigt die Probleme - überall in Deutschland.
Siegfried Dengler braucht nur aus dem Büro zu schauen, um die ganze Misere zu sehen. "Das ist der Bauhof-Platz", sagt der Leiter des Nürnberger Stadtplanungsamtes und zeigt auf viele bunte Autodächer. Wie so viele Plätze in Deutschland ist er vieles - nur nicht schön.
"Parkflächen sind schon wichtig. Aber auf der anderen Seite, ist der Platz dadurch verschenkt", sagt der 53-jährige Stadtplaner und steigt ein paar Stufen von seinem Büro ins Foyer hinab. Dort zeigen Fotografien von 1950 und heute, dass "hässliche Plätze" offensichtlich deutschlandweit ein Problem sind.
Bonn oder Halle - überall das gleiche Bild. Wo früher Leben war, herrscht heute Funktionalität. Wo früher die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer weitgehend gleichberechtigt waren, spielt der motorisierte Verkehr heute die Hauptrolle. Schöner ist das Schauspiel auf den Plätzen dadurch nicht geworden. Das beweist die Ausstellung "Plätze in Deutschland - 1950 und heute", die noch bis zum 19. Februar im Offenen Atelier in der Lorenzer Straße in Nürnberg zu sehen ist.
Opfer rigider Stadtplanung Das Leitbild der "verkehrsgerechten Stadt" habe zu massiven Eingriffen in die Struktur vieler deutscher Plätze geführt, erklärt Christoph Mäckler zur Eröffnung der Ausstellung. Stadtautobahnen und Hochstraßen mit Tunneln und Rampen waren die Folge. Viele Plätze seien zu reinen Verkehrsknotenpunkten ohne jegliche Aufenthaltsqualität degradiert worden. Auch Plätze, die den Krieg unbeschadet überstanden hatten, wurden Opfer einer rigiden Stadtplanung, die sich an den funktionalen Ansprüchen des Automobilverkehrs orientierte und die historischen Strukturen und Maßstäbe unberücksichtigt ließ.
Davon kann auch Siegfried Dengler ein Lied singen. Schon drei Tage nach seinem Amtsantritt musste sich der Chef-Planer der Stadt im Jahr 2012 anhören, wie hässlich der frisch umgestaltete Friedrich-Ebert-Platz nördlich der Kaiserburg geraten sei. "Der Platz heißt zwar Platz, ist aber ein großer Verkehrsknotenpunkt", gibt Dengler zu bedenken. Die aufgebrachten Bürger, die sich noch heute über den "hässlichen Ebert" ärgern, könne er freilich verstehen. Die Summe der Einzelinteressen ergebe selten ein harmonisches Ganzes. Das zeige der Ebert-Platz besonders deutlich. Hier bimmelt nicht nur die Straßenbahn. Hier hupen auch Autos auf vier Fahrspuren. Hier gibt es eine Metro-Station. Und natürlich Radfahrer und Fußgänger. Und Aufzüge nicht nur für Rollstuhlfahrer. Auch Mütter mit Kinderwägen wollen "barrierefrei" über den Platz flanieren. Die gestalterische Gesamtplanung falle bei der Berücksichtigung der zahlreichen Einzelinteressen oftmals unter den Tisch, sagt Dengler, der mit der (Fehl)Planung des Friedrich-Ebert-Platzes nichts zu tun hat. Für Ästhetik fehle den Städten oft schlicht und einfach das Geld.
Der Sinn für Schönheit fehle oft auch den Architekten und Stadtplanern, kritisiert Christoph Mäckler. Die Fachwelt habe Schönheit in der Stadt jahrzehntelang als "Romantik" abgelehnt, sagt der Direktor des Instituts für Stadtbaukunst. Der Professor aus Dortmund will deshalb mit seiner Ausstellung insbesondere der Fachwelt "die Augen öffnen", weil er erschüttert sei, was moderne Stadtplaner aus den Plätzen in Deutschland gemacht haben.
Vor dem Hintergrund dieser Kritik wirbt Siegfried Dengler auch für Verständnis. "Die Gestaltung unserer Städte ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Denn Qualität und Schönheit kostet Geld. Dengler will sich mit dem Verweis auf die klammen Kassen aber nicht abfinden.
Die Stadtplaner haben die Ausstellung wohl auch deshalb nach Nürnberg geholt, um eine Diskussion in Gang zu setzen. Wie können die Plätze in der Stadt wieder schöner werden? Pläne gibt es dafür genug. Für den Hauptmarkt und den Hans-Sachs-Platz in der Altstadt zum Beispiel. Am nötigen Kleingeld scheitert derzeit eine zügige Umsetzung auf breiter Front. Dengler hofft, dass Nürnberg etwas mehr Geld für den Städtebau aus Berlin von der neuen Bundesregierung bekommt.
Dann könnten auch andere Plätze wieder wachgeküsst werden, die derzeit noch ein trauriges Leben fristen müssen.