Nürnberg und die bösen N-SU-Kennzeichen

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Foto: Nikolas Pelke
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Stefan Ulzheimer und sein Auto mit Wunschkennzeichen. Foto: Nikolas Pelke
Stefan Ulzheimer und sein Auto mit Wunschkennzeichen. Foto: Nikolas Pelke
 
N für Nürnberg, S für Stefan, U für Ulzheimer - eigentlich logisch. Foto: Nikolas Pelke
N für Nürnberg, S für Stefan, U für Ulzheimer - eigentlich logisch. Foto: Nikolas Pelke
 

Es sind nur ein paar Buchstaben auf dem Nummernschild: N-SU! Aber in Nürnberg entscheidet die "Stoßstangen-Poesie" immer häufiger darüber, ob Mann oder Frau am Steuer gut oder böse ist - besonders seit die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" bekannt wurde.

Neulich an der Ampel. Diese Kurven, dieser Sound. Auch der Typ hinter dem Lenkrad schaut nicht übel aus. Beim Blick nach unten dann der Schock: NSU steht da schwarz auf weiß auf dem Nummernschild. Kurvt da ein Sympathisant des Terrors im 911er durch die Gegend? "Nein", sagt Stefan Ulzheimer lachend und lässt die schwarze Wagentür sanft ins Schloss fallen. "Aber ich muss mich immer häufiger gegen solche absurden Vorwürfe wehren."

Denn in der Stadt der Reichsparteitage ist die Frage der Stoßstangen-Poesie besonders heikel. Neben den üblichen Verdächtigen von KZ bis SS, die bundesweit von den Behörden nicht vergeben werden, hatte Nürnberg lange Zeit exklusiv auch noch ein N-PD-Problem. Also rein autoschildtechnisch. Mit Bekanntwerden der mörderischen Taten der Zwickauer Terrorzelle bekam Nürnberg ein neues Problem aus der Buchstabensuppe für Stoßfänger: N-SU.


Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) hatte der symbolträchtigen Abkürzung daraufhin den Kampf angesagt, und wollte das schändliche Kürzel von den Straßen der Stadt fegen. Die orangefarbenen Dienstautos der Stadtentwässerung bekamen kurzerhand neue Kennzeichen verpasst, um sich fortan politisch korrekt um die Kloaken zu kümmern. "Bisher haben 48 Bürger das Angebot eines verwaltungskostenfreien Umtauschs genutzt", sagt Steffen Keßler von der Zulassungsstelle. Aktuell seien noch 371 Fahrzeuge (bei einem Bestand von rund 314.000) mit den unerwünschten Schildern unterwegs. Darunter befänden sich auch etwa zehn Prozent türkische Mitbürger. Nach einer erfolgreichen Aktion klingt das nicht.

Den Porsche-Fahrer im leicht verdächtigen Fieldjacket stimmt das nicht um. Obwohl sich der 42-Jährige mit den bemitleidenswerten Initialen immer häufiger vom Verdacht freisprechen muss, er führe auch nur das Geringste mit dem Nationalsozialistischen Untergrund im Schilde. Die Story, die er dann zu seiner Verteidigung erzählt, geht in Kurzform so. "Ich habe einem Wall-Street-Jüngelchen den Porsche abgekauft." Damals wollte der Kerl die Kiste unbedingt loswerden. Die Häuserblase war gerade explodiert. Der Arme konnte sich den schicken Drittwagen nicht mehr leisten in Manhattan. "20.000 Meilen auf der Uhr, 42.000 Dollar, zum damaligen Wechselkurs waren das 25.000 Euro - da habe ich zugeschlagen." Reiste von Philadelphia nach New York und verschiffte den 911er in Watte verpackt für schlappe 800 Mäuse nach Bremerhaven. Alles ganz easy. "Nur die Bahnfahrt nach Hamburg war der Horror."


12,80 für das Wunschkennzeichen

Im Tunnel blieb plötzlich der Zug stecken, alle Passagiere mussten evakuiert werden. Zum Glücke hatte er nicht den Rucksack mit den Nummernschildern im Abteil vergessen. Die hatte ihm sein Vater extra schon vor seiner Rückkehr aus den Staaten besorgt. Ein Wunschkennzeichen für 12,80 hatte der Papa spendiert: N für Nürnberg, S für Stefan und U für Ulzheimer. Die meisten Menschen, denen er diese Geschichte erzählt, lachen dann verständnisvoll und schütteln über den ganzen Buchstabensalat auf Blechkarossen den Kopf.

Der Oberbürgermeister verzichtet sogar auf die Verwaltungsgebühren, die bei einem Schilderwechsel entstehen, um die letzten Mohikaner zu überreden, die alten N-SU-Kennzeichen an den Nagel zu hängen und sich neue stanzen zu lassen. Aber auch dieses generöse Angebot kann Ulzheimer nicht überzeugen. "Was für ein alberner Unsinn!", sagt der Mann mit dem schönen Wagen und dem bösen Kennzeichen verärgert. "Zahlt die Stadt auch die neuen Schilder? Bekommt mein Vater auch das Geld für das Wunschkennzeichen zurück?", fragt der 42-Jährige ketzerisch und wundert sich, dass "die Stadt nichts besseres" zu tun habe, als reflexhafte Symbolpolitik zu betreiben. Aber wehe ein Bürger wie er würde sich mit einem ernsthaften Anliegen an die Mächtigen wenden. Wehe er beschwere sich beispielsweise über den Terror der Politessen und die Abzocke mit den hohen Strafmandaten. Dann sei niemand zuständig. Ein böses Symbol ist eben einfacher aus der Welt zu schaffen als eine böse Wirklichkeit.