So berühmt wie Bratwürste und Glühwein: die Nürnberger Lebkuchen

3 Min
Lebkuchen kurz vor dem Schokoladenbad Foto: Lebkuchen-Schmidt
Lebkuchen kurz vor dem Schokoladenbad Foto: Lebkuchen-Schmidt
Um den Nikolaustag herum müssen in der Verpackungsabteilung täglich mehr als 50 000 Pakete auf den Weg gebracht werden. Foto: Lebkuchen-Schmidt
Um den Nikolaustag herum müssen in der Verpackungsabteilung täglich mehr als 50 000 Pakete auf den Weg gebracht werden. Foto: Lebkuchen-Schmidt
 
So berühmt wie Bratwürste und Glühwein: die Nürnberger Lebkuchen. Die Firma Schmidt - hier ein Bild aus der Qualitätskontrolle - ist der älteste Versandhändler dieses Gebäcks. Foto: Lebkuchen-Schmidt
So berühmt wie Bratwürste und Glühwein: die Nürnberger Lebkuchen. Die Firma Schmidt - hier ein Bild aus der Qualitätskontrolle - ist der älteste Versandhändler dieses Gebäcks. Foto: Lebkuchen-Schmidt
 

Derzeit laufen Herstellung und Export von fränkischen Lebkuchen auf Hochtouren. Die Firma Schmidt in Nürnberg liefert sie in mehr als 120 Länder.

Ja, ja die Nürnberger. Was den Export angeht, waren sie historisch gesehen schon immer Experten. "Nürnberger Tand geht durch alle Land", lautet ein Sprichwort. Als Spielzeughersteller-Stadt hat Nürnberg eine mehr als 600 Jahre alte Tradition. Fast genauso lang betreiben die Nürnberger Fernhandel mit einem Erzeugnis, das schon auf "Hänsel und Gretel" anziehend wirkte: Pfefferkuchen, auch Gewürz-, Honig- oder - am häufigsten - Lebkuchen genannt.


Bis zu drei Millionen Lebkuchen täglich sind möglich

Größter Hersteller der Stadt ist heute die Firma Schmidt. Das Unternehmen hat von Anfang an auf das Verschicken seiner Ware zum Kunden gesetzt und gilt heute als der größte Lebkuchen-Versandhändler der Welt. "Wir können bis zu drei Millionen Lebkuchen am Tag produzieren", sagt Dirk Kuen, Betriebsleiter bei Schmidt.

Durch die Fabrikhalle im Nürnberger Stadtteil Langwasser zieht sich ein süßer Duft, eine Mischung aus Orangeat, Marzipan und Schokolade. In großen Edelstahlkesseln wird die Teigmasse angerührt. 200 Kilogramm passen in jeden hinein. Mehl, Eier, Zucker, Honig, Haselnüsse, Walnüsse, Mandeln, Orangeat, Zitronat, Marzipan - die Grundzutaten für den Lebkuchen sind seit Jahrhunderten erprobt. Hinzu kommen exotische Gewürze aus aller Welt wie Zimt, Nelken, Anis, Kardamom, Koriander, Ingwer und Muskatblüte.


Spicken ist Handarbeit

Hier am Beginn der Fertigung arbeiten gelernte Bäcker. Sie bedienen die verschiedenen Maschinen. Die eine knetet den Teig, die andere streicht eine genau festgelegte Menge auf die Oblatenscheiben, eine weitere streut Mandelsplitter auf den Teig. Das Spicken der Lebkuchen mit ganzen Mandeln bleibt aber Handarbeit, ebenso die ständige Qualitätskontrolle oder das Verpacken der Sortimente in Kartons oder Metall-Truhen, die jedes Jahr neu gestaltet werden.

"Im Oktober und November haben wir Hoch-Zeit, ab Mitte Dezember wird es dann wieder etwas ruhiger", beschreibt Marketing- und Vertriebsleiter Erhard Frank das Saisongeschäft. Richtig los geht es bei Lebkuchen-Schmidt im September. Dann steigt die Zahl der Mitarbeiter auf 800. Viele Saisonarbeitskräfte sind darunter, meist immer wieder dieselben: Hausfrauen, ein Bademeister, der über den Winter eine Beschäftigung sucht oder ein Student, der ein Semester überbrücken will.


Treue Auswanderer

Im Januar arbeitet in der Firma wieder nur das Stammpersonal: 200 Mitarbeiter. Sie fertigen weiter Lebkuchen. "Für unsere Ganzjahresläden in Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt und München. Und auch für unsere Versandkunden, die nicht nur zu Weihnachten Lebkuchen genießen möchten", sagt Frank.

Die Firma Schmidt hat in Übersee treue Stammkunden. Auswanderer, die seit Jahrzehnten beliefert werden. Nicht nur mit Lebkuchen, auch mit Christstollen, Spekulatius oder Vanillekipferl.


Keine Lebkuchen für Nordkorea

Beliefert werden nahezu alle Länder weltweit, außer Staaten wie Nordkorea oder Weißrussland. Spitzenreiter unter den ausländischen Konsumenten seien die Amerikaner, berichtet Exportmanager Jürgen Merkel. "Die Weihnachtstradition ist dort ähnlich wie bei uns." Insgesamt ist der Exportanteil des Lebkuchenproduzenten mit zehn Prozent trotzdem überschaubar. Die Deutschen sind einfach die größten Liebhaber des haltbaren Gebäcks. Geschätzt isst jeder Deutsche jährlich ungefähr 700 bis 800 Gramm Lebkuchen aus heimischer Produktion. 80 000 Tonnen verlassen pro Jahr die deutschen Backstuben.


Eisdielen als Verkaufsstellen

Derzeit hat Schmidt in Süddeutschland wie jedes Jahr temporär mehr als 100 Eisdielen angemietet. Sie dienen vorübergehend als Verkaufsstellen. Zeitgleich läuft der Versand auf Hochtouren. Rund um die Uhr werden Container voller Lebkuchen über DHL verschickt. "Zwei Wochen vor Weihnachten ist das Exportgeschäft aufgrund der Wegstrecken so gut wie vorbei", sagt Merkel. Nur Russland werde auch im Januar noch beliefert. Die Russen feiern Weihnachten später.


Vor 90 Jahren kamen die Waggons

Voller Stolz bezeichnet sich die Firma Schmidt als das älteste Versandhaus für Nürnberger Lebkuchen. Tatsächlich war der Versand von Anfang an der Erfolgsbringer. Vor 90 Jahren standen auf einem Abstellgleis in Thüringen drei Eisenbahnwaggons voller Lebkuchen. Der Kaufmann, der sie von einem bankrotten Kunden in Zahlung genommen hatte, schickte sie zu seinem Bruder Otto Schmidt nach Nürnberg. Dieser sollte sie vermarkten. Mit einer genialen Idee gelang es Otto Schmidt, die Lieferung an den Mann zu bringen: Er ließ die Lebkuchen zu Sortimenten zusammenstellen, schaltete regional und überregional Anzeigen und ließ sie per Post an den Endverbraucher schicken. Ein Jahr später begann Schmidt dann selbst mit der Lebküchnerei in einer kleinen Backstube. Seiner Versand-Idee blieb er treu. Sie brachte internationalen Erfolg.


Hintergrund: süßes, würziges Gebäck

Erfunden haben sie den Lebkuchen nicht, die Nürnberger. Wie man aus Grabbeigaben weiß, kannten bereits die Ägypter die kleinen gewürzten Honigkuchen. Auch die Römer strichen Honig auf einen Kuchen. Die Geschichte der Nürnberger Lebkuchen beginnt im Spätmittelalter. Urkundlich nachgewiesen ist ein Nürnberger Lebküchner im Jahre 1395. Die ersten Lebkuchenbäcker in Nürnberg waren aber Klosterbrüder, sie aßen die "Pfefferkuchen" (Pfeffer war damals der Sammelbegriff für alle Gewürze) oft in der Fastenzeit.