Faktencheck: So realistisch war der zweite Franken-Tatort

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Im Franken-"Tatort" ermittelten die Kommissare Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid), Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) verdeckt im Institut für Anatomie und Zellbiologie in Würzburg. Institutsleiterin Magdalena Mittlich (Sibylle Canonica) hatte sie wegen eines ominösen Schädels rufen lassen. Foto: Hagen Keller, BR
Im Franken-"Tatort" ermittelten die Kommissare Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid), Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) verdeckt im Institut für Anatomie und Zellbiologie in Würzburg. Institutsleiterin Magdalena Mittlich (Sibylle Canonica) hatte sie wegen eines ominösen Schädels rufen lassen. Foto: Hagen Keller, BR

Ein Handlungsstrang der fränkischen Ausgabe der Krimireihe "Tatort" spielte in Würzburg. Wie viel Wahres steckt im Film?

Das Würzburger Institut für Anatomie und Zellbiologie, eine Einrichtung der Universität, ist im fränkischen "Tatort" Schauplatz für viele Szenen. Wir haben beim Institutsleiter Professor Süleyman Ergün nachgefragt, wie authentisch der Film die Arbeit des Instituts darstellt.

1. Wie realistisch ist es, dass in der Anatomie Knochen vertauscht werden? Was würde das für den Ruf der Anatomie bedeuten?
Im Jahr 2012 sorgte die Anatomie der Universität Köln für einen Skandal. Damals wurde bekannt, dass Dutzende Leichen oder Leichenteile zu spät oder gar nicht bestattet worden sind. Juristische Folgen hatte das Ganze nicht, doch war der öffentliche Druck groß. Ein ehemaliger Institutsleiter nahm sich wegen des Skandals gar das Leben.
Der Leiter der Anatomie Würzburg, Süleyman Ergün, sagt: "In Würzburg werden die Körper nach Abschluss des anatomischen Präparierkurses zusammen mit den präparierten Körperteilen als Ganzes beigesetzt, weshalb so etwas wie in Köln hier nicht passieren kann."

2. Wie viele Körperspenden erhält die Anatomie Würzburg pro Jahr?
"Pro Jahr brauchen wir etwa 40 bis 45 Körperspenden", sagt Ergün. Der Bedarf werde durch ausreichend viele Spender gedeckt, ohne dass man aktiv für Körperspenden werbe. "Eingesetzt werden die Körper beispielsweise in Präparierkursen für Studenten der Human- und Zahnmedizin oder in klinisch-anatomischen Kursen, in denen Ärzte unter realistischen Bedingungen chirurgische Eingriffe üben", so Ergün. Das sei nur mit echten Körpern möglich.

3. Wer kann seinen Körper der Anatomie zur Verfügung stellen?
Grundsätzlich kann jeder seinen Körper nach dem Tod zur Verfügung stellen. Professor Ergün sagt, dass es jedoch auch Einschränkungen gebe. So nehme die Anatomie nur Spender ab einem Alter von über 55 Jahren an, außerdem dürften keine großen operativen Eingriffe zu Lebzeiten vorgenommen worden sein und der Körperspender nicht übermäßig fettleibig sein.

4. Übernachten manchen Studenten tatsächlich vor Arbeitseifer in der Anatomie?
"Dass Doktoranden im Institut über Nacht durcharbeiten, ist tatsächlich nicht auszuschließen", sagt Professor Ergün. Heutzutage hätten Doktoranden zwar mehr Laborexperimente und wären weniger direkt am menschlichen Körper tätig. Aber für längere Analysen könne es schon vorkommen, dass mal eine Nacht durchgearbeitet werde.

5. Werden in Würzburg Leichen mazeriert?
"Acht Skelette haben wir im Schrank", so der Institutsleiter. Eine Mazerationsanlage zur Gewinnung von Skeletten gebe es seit längerer Zeit nicht mehr in der Anatomie Würzburg. Auch in den meisten anderen Universitäten werde nicht mehr mazeriert. Heutzutage konzentriert sich die Forschung in den meisten anatomischen Instituten, so auch in Würzburg, auf mikroskopische, molekularbiologische und ultrastrukturelle Analyse von Zellen und Geweben.

6. In einer Szene nimmt Kommissarin Paula Ringelhahn ein Herz in die Hand. Wurde organisches Material verwendet?
"Nein, das Herz war ein Modell", sagt Süleyman Ergün. Der Professor hatte vor dem Filmdreh darauf geachtet, dass dieses realistisch aussah. "Die Oberfläche des Herzens ist spiegelglatt. Ich habe so ein Modell auch in der Hand gehabt, um die Konsistenz und Oberfläche zu prüfen." Die Dreharbeiten fanden in den Räumen statt, in denen tatsächlich die Präparationen durchgeführt werden. "Wir haben aber viel Wert darauf gelegt, dass die Anonymität der Körperspender bewahrt wurde", erklärt Institutsleiter Ergün. Echte Leichen sind im Film also nicht zu sehen.

7. Holt das Institut Körperspenden wirklich mit einem eigenen Leichenwagen ab?
"Hat der Verstorbene einen Körperspenderausweis, werden wir informiert. Institutsmitarbeiter fahren dann mit unserem Leichenwagen zum Verstorbenen, prüfen den Körper auf Eignung und bringen ihn in unsere Räume, wo sofort konservierende Maßnahmen eingeleitet werden", sagt Ergün.

8. Die Ermittler wundern sich in einer Szene, wie die Anatomie-Mitarbeiter den Leichengeruch aushalten. Riecht es in der Anatomie wirklich so streng?
"Die Konservierungsflüssigkeiten und das Gewebe riechen schon etwas. Wenn Studenten das erste Mal in den Präparationskurs kommen, sind diese zunächst etwas verunsichert - auch weil viele zum ersten Mal eine Leiche sehen", sagt Ergün. Relativ schnell, nach zwei bis drei Tagen, hätten sich die Medizinstudenten jedoch daran gewöhnt.

9. Im Film sagt Institutsleiterin Magdalena Mittlich, für sie sei der Körper ein Mantel, den man mit dem Tod abstreife. Welche Einstellung zum Tod hat man nach dem intensiven Umgang mit Leichen wirklich?
"Vermutlich verändert der Umgang mit Leichen die Einstellung zum Tod", sagt Ergün. Man werde ständig damit konfrontiert, wie vergänglich das Geschenk Leben ist. "Das normalisiert den Tod ein Stück weit und hilft zu verstehen, ihn nicht als Bedrohung, sondern als Teil des Lebens zu sehen", so der Professor.

von Lukas Will