Das Teelicht wurde in Nürnberg erfunden

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Alexander Glafey mit einem Teelicht, das sein Großvater Rolf erfunden hat. Foto: Ronald Rinklef
Alexander Glafey mit einem Teelicht, das sein Großvater Rolf erfunden hat. Foto: Ronald Rinklef
Der Dochthalter ist es, der ein Licht von einer Kerze unterscheidet. Foto: Ronald Rinklef
Der Dochthalter ist es, der ein Licht von einer Kerze unterscheidet. Foto: Ronald Rinklef
 
Die Ewig-Licht-Dochte namens Seraph brennen eine Woche. Foto: Ronald Rinklef
Die Ewig-Licht-Dochte namens Seraph brennen eine Woche. Foto: Ronald Rinklef
 
Das Teelicht wurde in Nürnberg erfunden. Foto: Ronald Rinklef
Das Teelicht wurde in Nürnberg erfunden. Foto: Ronald Rinklef
 
Alexander Glafey vor den Produkten seines Unternehmens. Foto: Ronald Rinklef
Alexander Glafey vor den Produkten seines Unternehmens. Foto: Ronald Rinklef
 
Glafey-Lichte leuchten in der ganzen Welt. Foto: Ronald Rinklef
Glafey-Lichte leuchten in der ganzen Welt. Foto: Ronald Rinklef
 
So funktionieren die schwimmenden Lichte von Glafey. Foto: Ronald Rinklef
So funktionieren die schwimmenden Lichte von Glafey. Foto: Ronald Rinklef
 
Im Gegensatz zu Billigprodukten mit Aluminiumbehälter setzt Glafey auf das Nachfüllprinzip. Foto: Ronald Rinklef
Im Gegensatz zu Billigprodukten mit Aluminiumbehälter setzt Glafey auf das Nachfüllprinzip. Foto: Ronald Rinklef
 
Foto: Ronald Rinklef
Foto: Ronald Rinklef
 
Das Hindenburglicht gehörte zum Marschgepäck der Soldaten. Foto: Ronald Rinklef
Das Hindenburglicht gehörte zum Marschgepäck der Soldaten. Foto: Ronald Rinklef
 
Ein brennendes Hindenburglicht. Foto: Ronald Rinklef
Ein brennendes Hindenburglicht. Foto: Ronald Rinklef
 
Auch Laternen werden von Glafey vertrieben. Foto: Ronald Rinklef
Auch Laternen werden von Glafey vertrieben. Foto: Ronald Rinklef
 
Aus dem Hindenburglicht (rechts) entwickelte sich das Teelicht. Foto: Ronald Rinklef
Aus dem Hindenburglicht (rechts) entwickelte sich das Teelicht. Foto: Ronald Rinklef
 
Foto: Ronald Rinklef
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Foto: Ronald Rinklef
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Foto: Ronald Rinklef
Foto: Ronald Rinklef
 

Ein Baumwoll-Docht, der nicht zusammenfällt. Eine Flamme, die auf Öl schwimmt. Ein Teelicht namens Hindenburg, das um die ganze Welt ging. Solche Innovationen sind untrennbar mit dem Namen Glafey verbunden. Die Nachtlichte des 1808 gegründeten Nürnberger Familienunternehmens erhellten sogar das Heilige Grab in Jerusalem.

Für Alexander Glafey dauert die Ewigkeit genau sieben Tage und sieben Nächte. So lange brennt nämlich der Ewig-Licht-Docht namens "Seraph", den seine Vorfahren entwickelt haben. Dieser 15 Zentimeter lange und millimeterdünne Docht ist eine Wissenschaft für sich. Er besteht aus feinsten Baumwollfasern, die eng miteinander verknüpft und dann mit Wachs ummantelt werden. Der Docht, der dünner als die Mine eines Kugelschreibers ist, aber bis zum Verlöschen "kerzengerade" stehen bleibt, wird in einen Metallhalter gesteckt und in ein mit Öl gefülltes Glas gestellt. Die Flamme entwickelt sich langsam und entfaltet erst nach 24 Stunden ihre volle und dauerhafte Leuchtkraft. Beim Abbrennen verzehrt sich der Doch selber, er muss also nicht "nachgeschnitten" werden. Bei der Brennmasse - flüssigem Pflanzenöl - wird auf absolute Reinheit geachtet, damit das Licht ruß- und geruchlos brennen kann.
Eben diese Verwendung eines Docht halters ist es, was den Unterschied zwischen einer Kerze und einem Licht ausmacht. "Bei der Kerze fiel der Docht immer zum Ende des Abbrandes um, beim Licht wird er - auch im flüssig gewordenen Wachs - durch den Dochthalter aufrecht gehalten", erklärt Alexander Glafey. Daher spricht man also von Tee- oder Grablicht und nicht von Tee- oder Grabkerze.


Gottlob August Glafey ging ein Licht auf


Doch bis dahin war es ein weiter Weg. In den Anfängen der Firma führte Gottlob August Glafey (der Name Glafe bedeutet im Mittelhochdeutschen Streitaxt, die sich auch im Familienwappen befindet) ab 1808 in Nürnberg zunächst ein Speditionsgeschäft. 30 Jahre später nahm er den Vertrieb von Putzpulver für Haushaltsgegenstände auf. Und er begann mit der Produktion so genannter Nachtlichte. Es war eine Zeit, in der es - sobald die Sonne unterging - stockdunkel war. Wer es sich leisten konnte, zündete ein Nachtlicht an, um wenigstens ein bisschen Helligkeit zu bekommen. Kerzen waren dafür allerdings viel zu gefährlich, weil sie leicht umfallen konnten. Lieber griff man auf Öllichter zurück.


Pionier der Patente


Als 1867 der Sohn des Gründers, Gottlob II., das Ruder übernahm, baute er dieses Standbein des Unternehmens mit "Feuereifer" aus und machte die Produkte über die Grenzen hinaus populär: In Paris, Lyon und Marseille entstanden Kommissionslager. Außerdem sorgte der gewiefte Geschäftsmann dafür, dass noch heute gültige Warenzeichen, wie der Glafey-Stern, geschützt wurden (wofür er über 100 Prozesse in Europa und Übersee führte). In Anerkennung seiner Verdienste bei der Ausarbeitung des 1894 in Kraft getretenen Markenschutzgesetzes wurde die Straße in Leipzig, in der das erste Patentamt eingerichtet wurde, Gottlob-Glafey-Straße benannt.


Das Hindenburg-Licht gehörte zum Marschgepäck


Damit in diesen Jahren Glafey-Lichter in der ganzen Welt - unter anderem auch am Heiligen Grab in Jerusalem - brennen konnten, arbeiteten in der Produktion im Nürnberger Stadtteil St. Johannis über 100 Mitarbeiter. Als sich das elektrische Licht ausbreitete, ging man neue Wege: Neben flüssigem Öl wurden nun auch gehärtete Fette verwendet, mit denen man Gefäße aus Ton, Keramik, Blech oder Pappe befüllte. Besonders populär wurde ein Modell, das Rolf Glafey, der Großvater des heutigen Geschäftsführers, in den 1920er-Jahren entwickelte: Er presste das gehärtete Fett in eine kleine Metalldose und versah sie mit zwei Dochten und einem Deckel. Das "Hindenburg-Licht" gehörte lange - auch noch zu Zeiten der Bundeswehr - ins Marschgepäck der Soldaten. Heute wird es von Nostalgikern wieder geordert.
Von diesem Produkt war der Weg zum ersten Teelicht nicht weit. Rolf Glafey legte den Durchmesser auf 38 Millimeter fest, ließ von Porzellanherstellern Stövchen mit entsprechenden Vertiefungen herstellen und kreierte einen Blechnapf (Markenname "Odeon"), so dass man das Teelicht auch anderweitig anzünden konnte. Auch Glasbehälter für die Teelichte kamen ins Angebot, denn man setzte und setzt - im Gegensatz zur heutigen Billigware aus Südostasien mit Aluminium-Wegwerfgefäß - auf das Nachfüllprinzip.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in das Sortiment Grablichte aufgenommen, die noch immer einen Großteil des Geschäfts ausmachen. Insgesamt werden bei Glafey heute etwa 200 Tonnen Paraffin pro Jahr verarbeitet.


Dochte aus Glasfasern?


1962 entstand ein neues Betriebsgebäude in Oberasbach - die Automatisierung, die eine Generation zuvor "Onkel Edmund", der Maschinenbauer in der Familie, eingeleitet hatte, schritt voran. "Aber man musste irgendwann erkennen, dass man nicht alles automatisieren kann", rekapituliert der heutige Geschäftsführer Alexander Glafey, der das Unternehmen von seinem Vater Dieter, der noch beratend tätig ist, übernahm. Der 48-Jährige konzentriert sich nunmehr darauf, die traditionellen Produkte in ein neues Zeitalter zu führen. Er gestaltet die Grablaternen, die mittlerweile aus im Ausland vorgestanzten Metallteilen hier nur noch zusammengefügt werden, nach modernen Formen. Und wie seine Vorfahren experimentiert auch er an Dochten (vielleicht unter Beigabe von Seidenpapier oder aus Glasfaser?) und an der Qualität des Brennmaterials - den beiden Hauptkomponenten für Glafey-Lichte. Ihr Zusammenspiel ist wie schon vor 200 Jahren das A und O, egal ob bei Grab-, Tee- oder Öllicht.


Der letzte Betrieb seiner Art


Diese Qualität ist es, mit der sich das Unternehmen, das als einziger Betrieb auf diesem Sektor in Mitteleuropa noch übrig blieb, am Markt behaupten kann. Die Ware wird im gesamten deutschsprachigen Raum, aber auch nach USA, Singapur oder Japan vertrieben. Mit sechs Mitarbeitern wird ein Jahresumsatz von 750 000 Euro erreicht.
Wachstum um jeden Preis ist dabei nicht vorgesehen. "Unsere Produkte findet man nicht neben der Massenware im Supermarkt, sondern in ausgesuchten Fachgeschäften", sagt Alexander Glafey.
Und ist stolz darauf, dass auch sein zehnjähriger Sohn schon Interesse an der Firma zeigt. Es wäre dann die Generation neun oder zehn ("So genau kann man das gar nicht sagen"), die dafür sorgt, dass in Nürnberg die Lichter nicht ausgehen.