Es ist die zweitgrößte Industriebrache Deutschlands - und steht seit fast zehn Jahren leer. Nun wagt sich ein neuer Investor an das Quelle-Areal in Nürnberg.
Neuer Anlauf für die künftige Nutzung des früheren Quelle-Versandzentrums in
Nürnberg: Das 250.000 Quadratmeter große Gebäude wurde an den Düsseldorfer Projektentwickler Gerchgroup verkauft, wie der Baureferent der Stadt Nürnberg, Daniel Ulrich, am Montag sagte. Zuerst hatte der Bayerische Rundfunk über den Verkauf von Deutschlands zweitgrößter leerstehender Immobilie nach dem Flughafen Berlin-Tempelhof berichtet.
Auf dem Areal sollten vor allem Wohnungen entstehen, sagte Ulrich. Dies sei positiv, weil es daran in dem Stadtteil mangele. Handelsflächen könnten das Areal seiner Einschätzung nach nicht "ausreichend beleben". Die Gerchgroup äußerte sich zunächst nicht zu dem Kauf.
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Jahrelang herrschte in dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex Stillstand: Sonae Sierre, ein auf Einkaufszentren spezialisierter Einzelhandelsentwickler aus Portugal, hatte das ehemalige Versandhaus bei einer Zwangsversteigerung für 16,8 Millionen Euro vor genau drei Jahren ersteigert. Ursprünglich wollte Sonae Sierre rund 300 Millionen Euro investieren. Auf dem rund 250.000 Quadratmeter großen Areal sollte ein Einkaufszentrum und Wohnungen entstehen. Schon im nächsten Jahr sollte die Eröffnung sein. Zeitweise hatte es auch Pläne gegeben, dass mit der Marktforschungsgruppe GfK ein Nürnberger Unternehmen als Hauptmieter an der Fürther Straße 205 einzieht. Auch die Stadt wäre wohl als Mieter eingezogen, um eigene Behörden in dem größtenteils denkmalgeschützten Gebäude unterzubringen.
Zweitgrößte Industriebrache Deutschlands
Immer wieder wurden Zweifel laut, ob sich der Shopping-Center-Spezialist nicht an der puren Größe des Versandhauses die Zähne ausbeißt. Der im Jahr 1955 von Ernst Neufert entworfene Bau mit seiner 250 Meter langen Straßenfassade gilt nach dem Berliner Flughafen Tempelhof immerhin als zweitgrößte Industriebrache in Deutschland.
Dass sich die Stadt bei der Frage der Verkaufsfläche stur stellte, dürfte die Umsetzung der Pläne nicht leichter gemacht haben. Größer als rund 20.000 Quadratmeter sollte das geplante Einkaufszentrum nicht werden, um die Geschäfte in der Innenstadt der Frankenmetropole nicht zu gefährden. Genau an dieser Frage der Verkaufsfläche könnte am Ende das Konzept der Portugiesen gescheitert sein. Zusätzlich dürfte auch der Denkmalschutz die Umsetzung einer Revitalisierung zumindest erschwert haben.
Neuer Investor - neues Glück?
Der städtische Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU) gab sich im Vorfeld demonstrativ skeptisch. "Nach dem Auf und Ab der letzten Jahre und dem langen Warten auf ein Gesamtkonzept von Sonae Sierra bin ich vorsichtig geworden", betont Fraas auf Anfrage dieser Zeitung und erinnert daran, dass der bisherige Eigentümer der Stadt "schon öfters" potentielle Partner aufgetischt habe. Fraas verweist ganz nüchtern auf das Immobilienrecht. Demnach wechsle eine Immobilie erst dann ihren Eigentümer, wenn eine Änderung im Grundbuch erfolgt sei. Ein wenige Vorfreude mischt sich freilich auch bei ihm in die Skepsis. Dass "sich endlich etwas tut" sei laut Wirtschaftsreferent Fraas wichtig. In der gesamten Stadt scheinen derweil neue Hoffnungen im Hinblick auf die Quelle-Zukunft aufzukeimen.
Weiteren Stillstand vermeiden
Der grüne Fraktionschef Achim Mletzko fordert, dass die Stadtverwaltung "jetzt extrem aktiv" wird. Im Gegensatz zur Vergangenheit müsste der Eigentümer mehr gefordert werden. Der neue Investor dürfe nicht mehr in Ruhe gelassen werden. Einen weiteren Stillstand wolle viele unbedingt vermeiden. Mletzko wünscht sich neben mehr Platz für Wohnen auch mehr Raum für Kunst und Kultur.
Die Quelle biete laut dem grünen Fraktionschef im Nürnberger Stadtrat "ein Übermaß an Gelegenheit für eine grandiose Entwicklung". In Nürnberg dürften auch viele Bürger darauf hoffen, dass die Stadt ihre zweite Chance, die sie durch den erneuten Verkauf der Quelle-Immobilie jetzt in die Hand bekommen könnte, nun endlich nutzt.