Auf den Spuren der Schäufele-Schlägerei

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Foto: Pelke
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Andenken oder Beweisstück? Ein Passant fotografiert die Speisekarte des Nürnberger Gasthauses. Foto: Pelke
Andenken oder Beweisstück? Ein Passant fotografiert die Speisekarte des Nürnberger Gasthauses. Foto: Pelke
 

Ein Gast und ein Kellner sind sich neulich so in die Wolle geraten, dass beide anschließend im Krankenhaus behandelt werden mussten. Grund für den heftigen Streit: ein angeblich schlechtes Schäufele. Unser Reporter Nikolas Pelke hat einen Selbstversuch gewagt.

Wenn es um das Nationalgericht geht, versteht der Franke keinen Spaß. Neulich in Nürnberg: Zur besten Schäufele-Zeit hat sich dies am letzten Sonntag ereignet. Gegen 18 Uhr bestellt ein Gast das fränkische Bratenstück par excellence, 10,50 Euro für das gute Stück mit einem Kloß und Sauce. Voller Vorfreude hockt der Mann in dem geräumigen Kellergewölbe.

Vielleicht bestellt er ein "Seidla" aus der Hausbrauerei dazu, das hier "Blonde" heißt und 3,30 Euro kostet. Vielleicht waren die Tische voll und die Kellner im Stress. Davon ist am Mittwochmittag nichts zu spüren. Ein paar Studenten diskutieren beim Bier eifrig über die Fairness des offensichtlich unfairen Professors. Die jungen Physiker schauen trotzdem glücklich aus. Bier vom Fass gibt es in der Mensa wohl eher selten.

Etwas unsicher wirken dagegen die drei Gäste am Nachbartisch. Eine "preußische Familie" (Liebe Zugereiste, verzeihen Sie mir diesen diskriminierenden Ausdruck) bestellt Nürnberger Rostbratwürste (Vater und Sohn) mit Brot und Kraut. Die Mutter entscheidet sich für einen Salat nach Augustiner Art. Das klingt wenigstens ein bisschen nach Bayern, denkt sie vielleicht. Der Sohnemann erhält eine Nachricht auf dem Handy. "Wir wünschen Euch noch viel Spaß in Franken", liest der Junge der Familie die Whats-App-Message vor.

"Die da drüben sind Touristen", denken sich vielleicht jetzt verächtlich die Studenten. Weil paradox ist das schon. Tourist ist jeder gern. Aber daheim werden sie verachtet, die Touristen, weil sie sich vor allen Dingen kulinarisch in der Fremde meistens blamieren und sich all das vorsetzen lassen, was der Einheimische niemals auf die Gabel nehmen würde. Also wenn er selbst nicht gerade im Urlaub ist.


Die Kruste rösch, das Fleisch zart

Derlei Beobachtungen hat vielleicht auch der hungrige Mann gemacht, der am letzten Sonntag von einem "gscheiten" Schäufele träumte. "Die Kruste muss schön rösch sein. Das Fleisch muss so zart sein, dass es fast von selbst vom Knochen abfällt", fasst ein Insider der Braten-Branche die Anforderungen an das fränkische Filetstück schlechthin zusammen. Diese Perfektionen erreichen könne man mit ein wenig Geduld und Fingerspitzengefühl. "Zweieinhalb Stunden bei 170 Grad in den Ofen und bei Bedarf noch zehn Minuten bei 210 Grad für die rösche Kruste", sagt der Schäufele-Fachmann, der lieber anonym bleiben will. Weil in Gastro-Kreisen kennt man sich eben.

Denn freilich geht die Schäufele-Story vom vergangenen Sonntag noch weiter und endet eher blutig und ganz und gar nicht mit Happy End.Denn aus Sicht des hungrigen Mannes gab es am Bratenstück etwas zu bemängeln: "Das Fleisch ist nicht durchgebraten", beschwerte sich der Gast und hieß dem verdutzten Kellner, das Schäufele unberührt zurück in die Küche retour gehen zu lassen. Der Kellner, der den Einwand sofort prüfte, kam wohl zu einem anderen Ergebnis. Denn er verweigerte schlicht und einfach die Rücknahme. Daraufhin stritten die beiden über das Pro und Contra des servierten Bratens. Diese Debatte muss so emotional gewesen sein, dass der Kellner irgendwann den Teller mitsamt des Schäufeles in das Gesicht des jetzt seinerseits verdutzten Gastes schleuderte. Der Schäufele-Perfektionist erlitt daraufhin mehrere Schnittwunden im Gesicht. Auch der stolze Kellner verletzte sich nach Polizeiangaben erheblich an der Hand. Die beiden Schäufele-Streithähne mussten sich sogar im Krankenhaus behandeln lassen.


"Die Kneipe ist ein Touristen-Nepp"

An diesem Mittwochmittag ist von der folgenschweren Auseinandersetzung nichts mehr zu spüren. Touristen kommen und gehen, als sei nichts passiert. Platz wäre trotzdem noch genug für zehn bis zwölf Reisebusse in dem Tonnengewölbe, das Platz für rund 600 Gäste bietet. "Die Kneipe ist ein Touristen-Nepp", sagt ein Insider, der weiß, wie schwierig es sein kann, am Sonntag zur besten Bratenzeit ein "gscheites" Schäufele in der Stadt serviert zu bekommen.

Schwierig ist es an diesem Mittag nicht, das Knusper-Ding mit Sauce und Kartoffeln à la Tennisball dampfend auf den Tisch zu bekommen. Keine zehn Minuten nach der Bestellung schaut das Schäufele den Gast schon vom Teller aus an. "Hat es Ihnen geschmeckt?", fragt die zierliche Kellnerin nach dem durchaus vergnüglichen Vertilgen der deftigen Kalorienbombe. Der Gast sagt schüchtern "Ja" und meint "Naja".

Hätte die Kruste nicht noch röscher, das Fleisch nicht noch zarter sein können? Vielleicht. Aber so viel Platz zum Futtern wie in diesem unterirdischen Tanzsaal für hungrige Mägen bekommt der Schäufele-Freund wohl selten direkt an der Nürnberger Touristen-Hauptschlagader zwischen Bahnhof und Burg. "Uns gibt es seit 20 Jahren. Aber so einen Vorfall hatten wir noch nie", sagt die stellvertretende Restaurant-Leiterin. Derzeit sei man damit beschäftigt, die Scherben wieder aufzukehren, die durch den Schäufele-Streit für den Ruf des Lokals entstanden seien.

Vielleicht hätte sich der rabiate Kellner einfach den Gastronomie-Leitspruch besser merken sollen: "Der Gast ist König und hat immer recht." Weil eigentlich sind sie doch ganz genügsam, die Franken.