Wer in seinem Garten Läuse mit Spritzmitteln bekämpft, der löscht nicht selten auch Nutztiere aus - ein Staffelsteiner Imker appelliert an die Hobbygärtner. Wie am Ende die Rosen blühen und die Bienen trotzdem leben können.
Joseph Schröder hat es einfach mal gestoppt. Der Gartenexperte hat sich neben die Pflanze gestellt und auf die Uhr geschaut: Alle drei Minuten hat eine Schwebfliegenlarve eine Blattlaus ausgesaugt.
Schwebfliegen, das sind die kleinen Insekten, die in der Luft stehen und ein wenig aussehen wie Wes pen. Blattläuse, das sind die natürlichen Feinde der Hobbygärtner. Nicht selten wird den Tierchen mit Pestiziden zu Leibe gerückt.
Otto Scheer ist Imker in Bad Staffelstein, im vergangenen Jahr, Anfang Juni, sind ihm beinahe alle Flugbienen eingegangen, mindestens 10 000.
Der Gärtner war's, nicht der Bauer
Er hat Proben der toten Bienen an ein Forschungsinstitut in Braunschweig geschickt. Das Ergebnis kam im September: Die Bienen wurden, so steht es im Bericht, durch ein Insektizid getötet, das in mehreren Spritzmitteln gegen Läuse vorkommt.
Scheer hat sich beim Pflanzenschutzdienst in Oberfranken erkundigt; demnach werden diese Mittel nicht in der Landwirtschaft, sondern bei Zierpflanzen und im Gartenbau eingesetzt.
Scheer weiß noch von zwei weiteren Imkern, denen dasselbe passiert ist. Er möchte jetzt, da die Gartensaison startet, an die Hobbygärtner appellieren: "Denkt ein bisschen an die anderen Lebewesen und vergesst die Spritzerei in eurem Garten."
Mittel, die als "bienenungefährlich" ausgezeichnet sind, sind das auch wirklich nur dann, wenn die Dosierung genau eingehalten wird. "Aber wer macht das schon?", sagt Scheer. Außerdem komme es auf die Umstände an, unter denen das Mittel eingesetzt wird. Ist es beispielsweise extrem trocken, finden Bienen auf den Blüten nicht mehr genug Nahrung. Auf dem Notfall-Speiseplan stehen dann Läuse.
Und je mehr Läuse die Bienen fressen, desto mehr Pestizide nehmen sie auf.
Die Natur regelt das meist allein
"Man muss einfach warten können", sagt Gartenexperte Schröder. Momentan haben die Blattläuse noch einen Vorsprung gegenüber den Nützlingen wie Marienkäfern oder eben den Schwebfliegen.
In drei Wochen etwa haben sich auch die Nützlinge stark vermehrt, und dann, sagt Josef Schröder, ist mit den Läusen Ruh'. Ganz ohne Gifte.
Blattläuse vermehren sich achtmal so schnell wie Nützlinge, werden dann aber auch achtmal so schnell immun gegen die Pestizide. In der Folge müssen immer stärkere Mittel gespritzt werden.
Von den ganzen pflanzlichen Spritzmitteln hält Josef Schröder nichts. "Das ist alles Unsinn", sagt er. Die Mittel seien schließlich genauso vernichtend wie chemische.
"Tot ist tot", sagt er.
Stefan Ruppenstein ist Vorsitzender des Kreisverbands der Imker. Otto Scheer hatte ihm damals von seinem Problem erzählt. "Meist spritzen die, die noch nicht in einem Gartenbauverein sind", sagt Ruppenstein.
Michael Stromer, als Kreisfachberater für die Gartenbauvereine zuständig, berät erst gar nicht in Sachen Pflanzenschutz mit chemischen Mitteln. Was sich die Leute dann aus dem Baumarkt holen, da könne er nichts machen.
Für mehr Geduld im Garten
Es komme schon vor, dass einer Rosen ziehen möchte und gegen den Rosenrost, die Pilze und so weiter vorgehen will, sagt Stromer. Mit selbst angesetzter Jauche, beispielsweise aus Brennnesseln oder einfach nur mit Wasser, lasse sich das aber auch erledigen.
Und dann sei da immer noch der mechanische Pflanzenschutz: Rosen in die Sonne stellen, in kräftigen Boden.
Richtig beschneiden, Blätter abtrocknen oder entsprechende Abdeckungen anbringen - da berät Stromer gerne.
Blattläuse kommen auch dann, wenn die Pflanzen geschwächt sind. Wird beispielsweise zu viel Dünger verwendet, werden Pflanzen weicher und die Blattläuse können besser an ihnen saugen.
Den Menschen sei das Gefühl für die Natur verloren gegangen, sagt Schröder. Das Hinschauen, das Beobachten, die Geduld - das fehle vielen Hobbygärtnern.
Und vielleicht auch das Vertrauen, dass in der Natur meist nichts ohne Sinn geschieht.
Ohne Blattläuse beispielsweise hätten die Ameisen nichts zu fressen und es gebe weder Wald- noch Tannen- oder Blatthonig.
Blattläuse scheiden über den Rücken Zuckerwasser aus, das fressen die Bienen, nur dadurch entsteht der Waldhonig.
"Keine einzige Laus." Josef Schröder steht inmitten seiner Johannisbeersträucher, in der Hand eine Lupe, und schüttelt ungläubig den Kopf.
Spannende Beobachtungen
Auf den meisten Blättern findet Schröder nur noch die Häute der Läuse. Ausgesaugt von der Schwebfliegenlarve. Gut 1000 schafft die Larve, bevor sie sich verpuppt. Ein paar Blätter weiter, ganz hinten im Strauch, findet Schröder dann doch noch ein paar Läuse und die passende Schwebfliegenlarve dazu. Er nimmt das Blatt auf die Hand und beobachtet. Laus und Larve. Es hört sich an, als würde er ein Fußballspiel kommentieren: "Jetzt hat sie eine! - Nein, doch nicht - jetzt aber!" So sieht es also aus, das natürliche Gleichgewicht.