Ingeborg Hamisch aus Seßlach hat vor zweieinhalb Jahren die Initiative "Nähen für Syrien" gegründet - in Zusammenarbeit mit der "Syrienhilfe der Franziskaner von Vierzehnheiligen". Eine Hilfe, die auch wirklich ankommt.
Die erste Eule sah noch eher aus wie ein Kugelfisch. Ingeborg Hamisch muss selber lachen, als sie den Stoffklumpen aus einem Schrank in ihrem Nähzimmer holt. Dem untersetzten Prototypen folgen noch zwei weitere Modelle, bis schließlich alles passte.
Die Eulen sind heute ihr Verkaufsschlager. Es gibt sie als "Eulenhocker", die Türen aufhalten und Bücher stützen und als "Spring-Eulen", die, auf einem Bleistift sitzend, an einer Spiralfeder hängen - sie sind der Renner bei Kindern. Zweieinhalb Stunden braucht Ingeborg Hamisch für eine Eule. Je nach Ausführung kosten sie zwischen zehn und 16 Euro.
Mit Herz und Verstand Mit ihrer Aktion "Nähen für Syrien" hat sie im vergangenen Jahr rund 7000 Euro Spendengeld zusammenbekommen.
Ingeborg Hamisch ist 68 Jahre alt, sitzt mittlerweile im Wintergarten ihres Hauses in Seßlach, holt eine kleine Kiste vom
Stuhl auf den Tisch und sagt: "So habe ich angefangen". Mit Schlüsselbändern, genäht aus den alten Krawatten ihres Mannes, und Handyhüllen aus Filz. Das war vor zweieinhalb Jahren.
Heute besitzt ihr Mann nur noch schöne Krawatten und Ingeborg Hamisch hat ein kleines, gut funktionierendes Hilfswerk aufgebaut: mit viel Herz, aber vor allem auch Verstand.
Ingeborg Hamisch spricht wie die Geschäftsführerin eines Industrieunternehmens, wenn sie davon erzählt, dass sie natürlich erst einmal den Markt sondiere, aktuelle Trends beobachte und dann nur Sachen fertige, die auch Nutzen stiften.
Und sie reagiert kurzfristig auf das, was der Markt bietet. Als die katholische Kirche Ende 2013 ein neues Gotteslob einführt, beginnt Ingeborg Hamisch Hüllen aus Filz zu nähen, in zwei Größen, für Normal- und Großdruck.
Erst nur für die Kirchengemeinde in Seßlach, dann kommen Ebensfeld und Rödental dazu, schließlich bieten ihr die Franziskaner einen Verkaufstisch in der Basilika für einen Sonntag an.
Ein Krieg ohne Ende Das Geschäft läuft gut, einerseits. Andererseits ist der Gotteslob-Markt relativ überschaubar. "Es kauft sich keiner einen zweiten Umschlag", sagt Hamisch. Ein neues Produkt muss her. Sie beginnt mit dem Entwurf für ihre erste Eule.
Im Schnitt verbringe sie zwölf bis 15 Stunden in der Woche an der Nähmaschine. Manchmal näht sie acht Stunden am Tag. Hinzukommen Verkaufsaktionen in Gemeinden, Kirchen und bei Veranstaltungen.
Material- und Verwaltungskosten tragen sie und ihr Mann selbst. Hamisch vergleicht Preise für Stoffe und Filze, sie kalkuliert, dass am Ende mindestens das Dreifache des Warenwertes rauskommt.
Das Geld geht dann eins zu eins an die "Syrienhilfe der Franziskaner von Vierzehnheiligen".
Seit Ausbruch des Bürgerkrieges im März 2011 sind in Syrien nach Schätzungen der Vereinten Nationen mindestens 220 000 Menschen umgekommen, darunter nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks mindestens 10 000 Kinder.
Knapp elf Millionen Syrer sind nach Schätzungen des UN-Flüchtlingswerk UNHCR seit Beginn des Krieges auf der Flucht. Davon sind knapp vier Millionen in einen Nachbarstaat geflohen; der Großteil jedoch, 6,5 Millionen Menschen, hat Syrien nicht verlassen - sie versuchen sich in anderen Landesteilen in Sicherheit zu bringen.
Berichte von Bombardierungen, Zerstörungen und menschenverachtenden Aktionen von allen Seiten, das habe ihn dazu gebracht, in Syrien helfen zu wollen, sagt Pater Christoph Kreitmeir von den Franziskanern in Vierzehnheiligen.
Rund 8500 Euro hat Pater Christoph im vergangenen Jahr
gesammelt, überwiesen wird das Geld an die Franziskaner in Syrien. Neun Mönche sind derzeit vor Ort, sie schaffen Notunterkünfte - 200 bislang - durchschnittlich 400 Syrer werden pro Tag mit Essen versorgt, für Kinder werden Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen.
"Wir wollen, dass die Menschen in Syrien bleiben, denn irgendwann muss das Land nach diesem verheerenden Krieg wieder aufgebaut werden", sagt Pater Christoph.
Die Spendengelder kommen an Der Austausch laufe gut, sagt Ingeborg Hamisch. "Wir wissen aus persönlichen Briefen und Emails, dass alles wirklich ankommt."
Hamischs Füße stecken in hellbraunen Schlupfhalbschuhen, die Spitze ist mit blauen Perlen verziert. Sie hat sie extra für das Gespräch angezogen, die Schuhe stammen aus der syrischen Wüstenstadt Palmyra.
"Ich hab die Schuhe hier schon zweimal nachbesohlen lassen."
Im Frühjahr 2010 hatte sie mit ihrem Mann Syrien bereist. Die Kultur, das friedliche Zusammenleben der Religionen, das alles habe sie gefesselt.
Als die ersten Bilder der Aufstände in Syrien kamen, habe sie noch gedacht, das sei nur von kurzer Dauer. Als zwei Jahre später immer noch Bürgerkrieg herrscht, beschließt sie zu helfen. "Ich habe mich auf meine Stärken besonnen." Ingeborg Hamisch war Hauswirtschaftslehrerin, das Nähen hat ihr immer Spaß gemacht. Auf die Idee für die ersten Handyhüllen haben sie ihre Kinder gebracht. Damals hatte sie auch Pater Christoph kennengelernt und so von der Syrienhilfe der Franziskaner erfahren. Seitdem arbeiten sie zusammen.
Vor ein paar Tagen hat sie ihr neuestes Projekt begonnen: Wärmekissen mit Rapssamen.
Die Stadt Palmyra, aus der Hamisch ihre Schuhe hat, wurde vor zwei Wochen von den IS-Terrormilizen eingenommen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat der IS dort bislang über 200 Menschen getötet.
Als wäre ein Krieg nicht schon genug.
Die Eule, sagt Ingeborg Hamisch noch, sei auch ein Zeichen für Weisheit. Wenn es danach ginge, könnten die Menschen in Syrien derzeit wohl alle Eulen dieser Welt gebrauchen.
Weitere Informationen über die Syrienhilfe der Frankziskaner und das Projekt von Ingeborg Hamisch gibt es unter:
naehen-fuer-syrien.de und auf der Seite der
Franziskaner von Vierzehnheiligen.