Holger Förtsch ist verrückt. Das haben zumindest andere behauptet - verrückt nach der Feuerwehr. Neben seinem Bett stehen Stiefel und Hose, damit es schnell geht, wenn der Alarm ertönt. Der 27-Jährige ist Feuerwehrmann mit Leib und Seele.
Holger Förtsch macht nicht viel Aufhebens um sich. Er ist kein Mann der großen Worte, für ihn zählt anderes. Seit 15 Jahren ist der 27-Jährige bei der Feuerwehr, die sein Leben seitdem bestimmt. Gruppenführer, Atemschutzträger, Jugendwart bei der Feuerwehr in Michelau - Holger Förtsch lässt nichts aus: "Demnächst mache ich wahrscheinlich meinen Zugführer, aber ansonsten habe ich alle Ausbildungen, die man so machen kann." Hierfür investiert er viel Zeit. Aus Neugier hat er zu Beginn des Jahres aufgeschrieben, wie viele Stunden er bei der Feuerwehr verbringt. "Aber ich hab' es im Februar schon wieder sein gelassen", erzählt er und lacht dabei.
Einen Tag ohne Feuerwehr hält Förtsch zwar aus, aber mit ist es ihm deutlich lieber. Im Urlaub sorgt er sich, dass er einen Einsatz seiner Wehr verpassen könnte. "Aber dann ist man halt mal nicht dabei", sagt Holger Förtsch.
Bis dieser Gedanke Oberwasser bekommt, dauere es allerdings ein paar Tage.
Viel zu tun für die Jugend Angefangen hat alles ganz harmlos. Als Kind haben ihn die Feuerwehrautos fasziniert, wie sie mit Sirenengeheul, Blaulicht und aufheulenden Dieselmotoren an ihm vorgeprescht sind. Er trat in die Feuerwehr Neuensee ein, "obwohl von meiner Familie niemand bei der Feuerwehr war", erzählt Holger Förtsch. "Das war eine kleinere Feuerwehr mit nur einem Auto, deswegen bin ich mit 16 zur Feuerwehr nach Michelau." Dort lebt er sich seitdem richtig aus: Als Jugendwart bildet er den Nachwuchs aus und sitzt in dieser Funktion automatisch mit im Vorstand. Da komme einiges zusammen: Einmal im Jahr ist eine 24-Stunden-Übungen.
Zusätzlich muss Förtsch den Leistungsmarsch, an dem die Michelauer Jugendfeuerwehr heuer teilnimmt, vorbereiten.
Für Holger Förtsch ist es eine Abwechslung zur Arbeit. Es geht ihm nicht um Pflichtbewusstsein. Er macht das gern: "Wenn ich hier bin und was mit den Jugendlichen mache, vergesse ich das andere Zeug drum herum." Mit denen kann er auch einmal Blödsinn machen, ohne über die alltäglichen Probleme nachdenken zu müssen.
Doch seine Aufgabe als Jugendwart ist längst nicht alles, was Förtschs Feuerwehr-Dasein bestimmt. "Wir üben zwei- bis dreimal im Monat." Hinzu kommen die tatsächlichen Einsätze. In diesem Jahr waren es bisher 66. "Heuer hatten wir schon alle Einsätze, die man als Feuerwehr haben kann." Von Großbränden über Hochwasser bis hin zu Einsatz bei einem Tötungsdelikt in Michelau.
Wer zahlt die kaputten Schuhe? Ein Einsatz, der ihm im Gedächtnis bleiben wird, war der Brand im März bei der Firma Metob. Zum einen, weil es für ihn ein besonderes Erlebnis war, mit einer Werksfeuerwehr, die eigens aus Frankfurt anrückte, zusammenzuarbeiten. "Es war beeindruckend für uns zu sehen, wie locker die an die Sache rangegangen sind", erzählt der 27-Jährige. Zum anderen, weil ihm ein fader Beigeschmack blieb; die ausgetretenen Chemikalien haben seine wie auch die Schuhe der anderen Feuerwehrleute zerstört. Das Problem war, dass er sich einen Teil seiner Ausrüstung selbst gekauft hatte - so auch seine Schuhe. "Ich mach' viel, da will ich auch besser geschützt sein, weswegen ich zum Beispiel eigene Stiefel und Hosen habe", sagt Holger Förtsch. Die Schuhe waren hin, und das Geld hätte er gerne von der Gemeinde Michelau zurückbekommen.
"Die Gemeinde wollte sie aber nicht ersetzen." Mittlerweile haben er und die anderen das Geld zwar bekommen, der Stachel sitzt aber nach wie vor tief bei Förtsch. Aus Trotz habe er gar für einen Moment überlegt, den Feuerwehrdienst an den Nagel zu hängen.
Den Gedanken hat er schnell verworfen.
Das neue Paar Schuhe steht mittlerweile vor seinem Bett; genauso wie eine Feuerwehrhose. Damit es schnell geht, wenn er nachts zu einem Einsatz gerufen werde, erklärt er. Für ihn vollkommen normal. Für andere weniger: "Meine Familie sagt, ich spinn'. Keiner versteht bei mir, wieso ich so feuerwehrverrückt bin, aber es gefällt mir halt."
Was ihm neben den theoretischen Schulungen weniger gefällt, sind die Reaktionen, wenn er als Feuerwehrmann Straßen sperrt.
"Wenn wir für den Laternenumzug des Kindergartens die Straße absperren, kommen Autofahrer und beschimpfen einen noch." Dank sei im Allgemeinen die Ausnahme. Im ersten Moment ärgert ihn das, aber nicht lange; dann will er wieder zu den Feuerwehrautos, deren Sirenen und Dieselmotoren ihn noch heute begeistern. Toll findet das seine Freundin nicht immer, weil er dadurch fast mehr Zeit im Feuerwehrhaus als zuhause verbringt. Zu Holger Förtschs Glück ist sie selbst bei der Michelauer Wehr - dann sehen sie sich wenigstens dort. "Es macht Spaß, sonst würde ich es nicht machen", betont er. "Auf Facebook habe ich mal einen Spruch gelesen: Feuerwehr ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung." Holger Förtsch würde das unterschreiben.