Nicholas Cudd: Was man von den EM-Helden lernen kann

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Nicholas Cudd ist derzeit nicht nur Trainer der TS Lichtenfels, sondern hilft auch als Torhüter aus. Foto: H. Günther
Nicholas Cudd ist derzeit nicht nur Trainer der TS Lichtenfels, sondern hilft auch als Torhüter aus. Foto: H. Günther

Nicholas Cudd, Trainer der TS Lichtenfels, hat die Europameisterschaft gebannt verfolgt. Beeindruckt haben ihn dabei vor allem Andreas Wolff und Dagur Sigurdsson.

Es dauerte einen Moment, ehe Andreas Wolff, der Torhüter der deutschen Handball-Nationalmannschaft, nach dem Abpfiff realisierte, was er und seine junge Truppe da geleistet hatten. Die Hände in die Hüfte gestemmt, starrte er einen langen Moment fast ungläubig auf das Spielfeld. Dann wurde er in seinem Kasten, den er überragend gehütet hatte, von einem Pulk freudentrunkener Spieler überrumpelt. Da war er, der unerwartete Europameister-Titel.


Lob für den Torwart-Kollegen

Diesen Moment hat Nicholas Cudd, Trainer der Bezirksoberliga-Handballer der TS Lichtenfels, mit seiner Herren- und Jugendmannschaft live am Fernseher in einer Sportsbar verfolgt. "Sogar die Fußballfans, die das Spiel des FC Bayern anschauen wollten, sind ab und zu vorbeigekommen, um zu sehen, wie es steht", sagt Cudd. Allein das zeige, welche Strahlkraft das EM-Finale der Handballer hatte.


Besonders beeindruckt zeigte sich Cudd von Wolff, der im Endspiel unglaubliche 48 Prozent der Würfe auf sein Tor abwehrte. Cudd ist selbst Torhüter: "Als Kind habe ich einmal bei einem Mini-Turnier im Feld gespielt. Da war ich so schlecht, dass man mich sofort wieder ins Tor gesteckt hat", erzählt er.

Wolffs Leistung, sagt Cudd, sei nicht hoch genug zu bewerten, allerdings habe vor allem der Trainer großen Anteil daran: "Viele waren überrascht, dass Trainer Sigurdsson Andreas Wolff statt den routinierten Silvio Heinevetter für die Europameisterschaft nominiert hat. Letztlich war das aber genau die richtige Entscheidung." Denn Wolff hätten nur wenige auf dem Schirm gehabt, die meisten kannten den Torhüter der HSG Wetzlar nicht einmal. "Er konnte deshalb quasi ohne Druck spielen", sagt Cudd. Zwar habe am Anfang noch der Würzburger Carsten Lichtlein öfter gespielt, doch Wolff habe sich immer weiter gesteigert und "er war mental einfach da". Diese beiden Faktoren seien das Geheimnis hinter den überragenden Leistungen des deutschen Nationaltorwarts.

Nur einer hat Cudd noch mehr beeindruckt als Wolff: Dagur Sigurdsson. "Er ist der beste Trainer, den wir in Deutschland je hatten", sagt der Lichtenfelser. Der EM-Titel in diesem Jahr sei höher zu bewerten als der WM-Titel aus dem Jahr 2007. "Sigurdsson hat eine intakte Mannschaft geformt, ein super Kollektiv, ohne Stars. Deshalb gebührt ihm der Löwenanteil am Erfolg des Teams", erklärt Cudd.


Ansprachen kurz, aber präzise

Ob Cudd von Sigurdsson etwas lernen könne? "Wenn man sich dieses Niveau ansieht, dann ist es natürlich schwierig, es auf unsere Ebene herunterzubrechen. Besonders gut haben mir aber seine Ansprachen in den Timeouts gefallen. Sie waren kurz, aber präzise. Er hat den Spielern klare Anweisungen gegeben, die sie gut umgesetzt haben. Auch die taktische Vorbereitung war herausragend - die 15 Blocks im Finale kommen nicht von ungefähr. Was die Spielvorbereitung betrifft, kann sich jeder Trainer in Deutschland etwas von Sigurdsson abschauen."

Andreas Wolff sagte nach dem gewonnen Finale: "Glaube kann Berge versetzen - und wir haben bei dieser EM einen ganzen Gebirgszug versetzt." Ein Satz, der sich auch auf die TS Lichtenfels übertragen lässt, die voll im Abstiegskampf steckt. "Wir kämpfen seit vier Jahren regelmäßig um den Klassenerhalt. Uns hätte es schon früher erwischen können, aber bislang haben wir es immer geschafft."

Er ist davon überzeugt, dass die mentale Komponente eine wichtige Rolle spielt. Bei einer Trainerfortbildung hat Cudd einen Vortrag von Thorsten Weidig gehört, dem Sportpsychologen der deutschen A-Jugend-Nationalmannschaft der Handballer. Deshalb arbeitet Cudd mit seiner Mannschaft in den vergangenen Wochen verstärkt in diese Richtung. "Unser Vorteil ist, dass wir eine junge Mannschaft haben, mit vielen Spielern aus der A-Jugend, die wir intergrieren. Die mentalen Übungen klappen mal besser mal schlechter. Aber es sind junge Leute, sie können noch viel lernen. "