Seit Montag streiken in Deutschland die Mitarbeiter in den Verteilzentren der Post, seit Mittwoch auch die Briefzusteller. Im Kreis Lichtenfels ist zwar derzeit kein Postbote im Ausstand, dennoch könnte sich die Auslieferung ein wenig verzögern.
Es sind nicht die Streiks, die derzeit zu Verzögerungen im Alltagsgeschäft bei Maria Fusshöller führen. Zumindest nicht direkt. Maria Fusshöller arbeitet am Schalter der Postbank in Bad Staffelstein, doch derzeit würden einfach ständig Kunden anrufen oder vorbeikommen und fragen, ob auch hier gestreikt werde. Das hält auf. Die Briefzusteller, sagt sie, die seien an diesem Morgen bereits alle unterwegs.
Melanie Erhardt ist eine von den acht Briefzustellern in Bad Staffelstein. Keiner der acht hat die Arbeit bislang niederlegt. Die Folgen des Streiks im Briefzentrum Bamberg bekommen sie dennoch zu spüren. Normalerweise, sagt Melanie Erhardt, kommen die Sendungen aus Bamberg sortiert in Bad Staffelstein an - entsprechend der Route, die sie später abfährt. Nun muss sie erst einmal sortieren: "Ich hatte heute morgen eine dreiviertel Stunde mehr Arbeit, bis ich los konnte."
Das sei nun auch kein Drama, sagt sie, dennoch freue sie sich, wenn die Streiks wieder beendet würden. Melanie Erhardt selbst ist in keiner Gewerkschaft. Und außerdem, sagt sie, bevor sie wieder in das Postauto steigt, habe Verdi bei ihnen noch nicht zum Streik aufgerufen.
"Wir werden jeden Tag ein bis zwei Zustellstützpunkte mehr in den Streik einbeziehen", sagt Anton Hirtreiter, Pressesprecher von Verdi in Bayern. Welche, das werde aus taktischen Gründen erst am Morgen des jeweiligen Tages bekanntgegeben.
Gleiches Recht für alle, das fordert die Gewerkschaft Verdi - seit Montag mit unbefristeten Streiks der Mitarbeiter in den Verteilzentren und seit Mittwoch ausgeweitet auf die Briefzusteller. Die Gewerkschaft protestiert damit gegen die Ausgliederung von regionalen Gesellschaften für Paketzusteller, die damit aus dem Haustarifvertrag der Post fallen und nach den niedrigeren Tarifen der Logistikbranche bezahlt werden.
"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", fordert Hirtreiter. Würde die Post die Ausgliederung rückgängig machen, würden Verdi im Gegenzug auf die Forderung nach Verkürzung der Wochenarbeitszeit verzichten. Die Post hatte das Angebot als Mogelpackung zurückgewiesen.
Auch wenn Hirtreiter selbst die Streikbeteiligung als "top" bezeichnet - meistens liege die Quote bei 90 Prozent, teilweise bei 100, vereinzelt nur bei 70 Prozent - , so könne die Post derzeit noch alles ganz gut abfangen, wie Pressesprecher Alexander Böhm versichert. Mitarbeiter, die sonst den Innendienst verrichten oder Azubis, die eigentlich erst in ein paar Wochen die Zustellung kennenlernen sollten, würden dann schon mal mit nach draußen geschickt. Außerdem würden beispielsweise Werbesendungen zugunsten vollbezahlter Briefe, die also mit 62 Cent frankiert sind, auch mal einen Tag länger liegen gelassen.
80 Prozent der Sendungen könnten so trotz Streik am nächsten Tag zugestellt werden.
Kunden sind derzeit noch nicht wirklich betroffen - vielleicht auch, weil viel Schriftverkehr elektronisch läuft.
Auch bei den Behörden. Sollten die Streiks doch noch Lichtenfels erreichen, so ist das Landratsamt jedenfalls vorbereitet: "Bei wichtigen Fristen wird auf Fax oder auch im Einzelfall auf einen Boten, einen Mitarbeiter des Landratsamts, zurückgegriffen", sagt Pressesprecher Andreas Grosch.
Kommentar
Um es vorauszuschicken: Für die Streikenden bei der Post habe ich großes Verständnis. Es ist legitim, dass die Gewerkschaft Verdi keinesfalls Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für die Zusteller hinnehmen will.
Als Kunde ärgere ich mich jedoch, wenn ich keine Post bekomme. So wie sich Bahnreisende ärgern, wenn ihr Zug nicht kommt und wie Eltern sauer sind, weil sie ihre Kinder nicht zur Kita bringen können.
Seit gefühlt mehreren Tagen bleibt mein Briefkasten leer. Vielleicht schreibt mir ja grade keiner? Das ist möglich. Akzeptiert. Aber ich bin eben so ein Fossil, ein Dinosaurier der Kommunikation. Ja, ich schreibe noch Briefe und verziere die Kuverts mit bunten Marken - inzwischen mehr mit selbstklebenden Postwertzeichen als mit solchen, die man anfeuchten muss. Stärker als der Posteingang beschäftigt mich jedoch der Postversand.
Was, wenn meine Sendungen liegen bleiben und zeitversetzt gebündelt zugestellt werden? Es könnte sein, dass ein Empfänger angesäuert reagiert, weil er drei Briefe von mir auf einmal erhält. Ich nehme mir also vor, lösungsorientiert zu denken, nicht problem fixiert: Was ich nicht mit Kuvert und Briefmarke versenden muss, schicke ich per E-Mail. Mit älteren Adressaten, die keinen Mailaccount haben, telefoniere ich eben mal.
Gefahr dabei: Die Post wird unattraktiver und verliert Kunden. Denn wenn die gute gelbe Post nicht mehr zuverlässig zustellt, ist es gleich gescheiter, die elektronische Konkurrenz zu nutzen. Momentan zeigen die Zusteller dem Konzern die gelbe Karte - es könnte sein, dass der Kunde die rote Karte zückt.
Matthias Einwag