Der pensionierte Lehrer Robert Gagel stellt sich gerne der Herausforderung - vor allem, wenn es mit Holz und Handwerk zu tun hat. Da kann es schon mal sein, dass der Michelauer ausschließlich für Kost und Logis arbeitet.
Da saß er nun, auf dem Altstadtfest in Bad Staffelstein und schnitt Schindeln. Eigentlich hätte sein Lebensabend anders aussehen können. "Ich dachte, wenn ich in Rente bin, werde ich den ganzen Tag angeln", sagt der Michelauer Robert Gagel. Aber Leben findet statt, wenn etwas dazwischenkommt, sagte einst John Lennon: Gagel ist etwas dazwischengekommen.
Der ehemalige Lehrer entdeckte den Handwerker in sich und gedenkt sein Leben nun in eine völlig andere Richtung zu leben. Aktiv statt passiv und vielleicht einmal nur gegen Kost und Logis. "Korbmacher gibt's wie Sand am Meer", sagt der 61-Jährige. Darum schloss er eine Betätigung auf diesem Sektor aus. Als Angler "den ganzen Tag ins Wasser starren" wollte er auch nicht.
Mittelaltermärkte als Ausgleich Schon vor ein paar Jahren suchte er einen Ausgleich zum Lehrerberuf und kam dabei auf Mittelaltermärkte. "Da lernt man interessante Leute kennen", weiß er heute. Irgendwann ist der Groschen gefallen: ich bin Waldbesitzer, ich habe Holz und eine Neigung zum Handwerk - all diese Gedanken dürften dem Mann bei seiner Entscheidungsfindung durch den Kopf gegangen sein. Was er jetzt anbietet, ist speziell und ist seinem Ursprung dem Salzburger Land entlehnt: traditionelle Spaltschindeln zum Dachdecken.
"Ich bin im Museum gewesen und hab mich selbst befragt", erzählt der ehemalige Lehrer zu seinen Erkenntnissen über das Handwerk des Schindelmachers. Erkenntnisse sammelt der Michelauer derzeit viele, weil er authentisch sein möchte. Auf Mittelaltermärkten ist das oftmals die Hürde zur Teilnahme. Darum hat sich Gagel einen Schnitzblock nach altem Vorbild selbst gefertigt. "Holzverzapft", wie er stolz sagt. Darum auch den Holzschlegel, darum auch das Schindelspalteisen. Er glaubt, dass die Schindelmacher fahrendes Volk waren, die gegen Kost und Logis gearbeitet hätten.
"Das Problem ist das Holz selbst", führt der Mann aus. Das Holz müsse taugen und musste vermutlich erst vor Ort, dort wo Dächer zu schindeln waren, gespalten werden. Auch die zu benötigende Menge sei erst vor Ort bekannt gewesen, weshalb ein Mitsichführen des getrockneten Holzvorrats wohl unsinnig gewesen wäre. "Holz war kein Handgepäck", fasst der Michelauer seine Überlegungen zusammen.
Ganz bestimmtes Holz Auf dem Altstadtfest betrieb Robert Gagel eine Art offene Werkstatt. So, wie er sich auch auf Mittelaltermärkten im Saarland oder Rheinland Pfalz präsentiert. Immer wieder kamen Menschen und sahen ihm zu, wie er aus Fichtenholzstämmen Scheiben ausspaltete. 40 Zentimeter hoch, zehn Zentimeter breit und einen Zentimeter dick zumeist. In Salzlauge seien derlei Schindeln oft eingelassen gewesen, was als Lasur diente.
Auch unbehandelt hätten die Schindeln, die in drei Schichten übereinander gelegt würden, eine hohe Langlebigkeit auf dem Dach. Nach ungefähr 20 Jahren, in denen sie Wind und Wetter ausgesetzt waren, ließen sie sich sogar noch wenden, was weitere Jahre Verweildauer zulässt. Gerade, astfrei und ohne Drehung im Holz muss sein Material für die perfekte Schindel sein. Dabei wird sie von Gagel so gespalten, dass natürliche Kanäle entstehen, die Regenwasser ableiten können.
Es geht nicht um Schindeln allein, es geht um einen anderen "Way of Life". Denn als Lehrer sei man Theoretiker und er habe gemerkt, dass er immer Handwerker war. Handwerkliches möchte der rüstige Mann noch mehr erlernen. Welche Art von Mörtel gab es im Mittelalter? Wie wurde Holz bearbeitet? Gab es speziellen Lehm? Fragen über Fragen, die er sich noch beantworten möchte. Ein Dach hat er schon gedeckt, einen Partner für ein künftiges Projekt möglicherweise schon gewonnen. Es reizt ihn, gemeinsam mit einem Steinbildhauer ein Bauernhaus im Landkreis zu restaurieren. Es gehe nicht um Geld, sondern um die Herausforderung. Schließlich muss das eigene Tun dann vor dem Denkmalamt bestehen können.
Hinter seiner Einstellung steht ein Schlüsselerlebnis, denn Gagel kam ein 400 Jahre altes Haus unter, das abgerissen wurde. "Aber die alte Wand lebte noch", sagt er. Die Wand hielt zusammen, hatte Bestand, keine Leichtbauweise. Das habe ihn angeregt, lernen und sich einlesen zu wollen. "Weil's Spaß macht", wie er sagt.