Rätsel um Schädelstück aus Banzer Wald

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Hubert Kolling hat das Teil eines Schädels im Banzer Wald gefunden. Foto: privatHubert Kolling hat das Teil eines Schädels im Banzer Wald gefunden. Foto: privat
Hubert Kolling hat das Teil eines Schädels im Banzer Wald gefunden. Foto: privatHubert Kolling hat das Teil eines Schädels im Banzer Wald gefunden. Foto: privat

Hubert Kolling fand im Banzer Wald eine menschliche Schädeldecke. Das Knochenfragment stammt aus der Zeit zwischen 1799 und 1898. Wie kommt es in den Forst? Ist hier ein Mord passiert?

Meistens sind es Pilzsammler, die Leichen finden - also Menschen, die mit offenen Augen und wachen Sinnen durch den Wald gehen. Auch Hubert Kolling sucht hin und wieder nach Pilzen. Als er an einem Tag im Frühjahr eine Seminaristengruppe durch den Banzer Wald führte, war er aber nicht auf der Suche nach Pfiffern. Gleichwohl war der Dozent des Bildungszentrums Bad Staffelstein (frühere Zivildienstschule) mit wachen Sinnen unterwegs, als er etwas Rundes auf dem Waldboden entdeckte: eine menschliche Schädeldecke.

Die Gruppe war unterwegs von Unnersdorf in Richtung Kloster Banz, als der 54-jährige Unterzettlitzer etwas seltsam Bräunlich-Graues ungefähr zwei Meter neben dem Weg liegen sah. Zunächst meinte er, eine Holzkugel oder einen ungewöhnlich runden Stein im Laub entdeckt zu haben.
Als er das Gebilde aufhob, durchfuhr es ihn: "Hoppla - das gibt's ja gar nicht!" Er hielt eindeutig eine menschliche Schädeldecke in den Händen. "Ungefähr 15 Leute hatten die Stelle schon vor mir passiert", erinnert er sich, aber keiner hatte diesen ungewöhnlichen Gegenstand bemerkt. "Plötzlich standen 20 Leute um mich herum", fährt er fort, die sich vor allem für eines interessierten: "Ist das wertvoll?"

Mit geschärften Sinnen

"Laut Wahrnehmungspsychologie entdeckt der Jäger das am Waldrand äsende Reh eher als ein Wanderer, der zufällig des Weges kommt", deutet Hubert Kolling das Spiel des Schicksals, dass er die Schädeldecke finden konnte. Es komme nicht von ungefähr, dass gerade er, der bereits jahrelang zur Sozialgeschichte der Region forsche, mit geschärftem Blick den nicht alltäglichen Fund machte, während bereits mehrere Personen die Fundstelle etwas abseits des Weges passiert hatten. "Ich war nicht unterwegs, um etwas zu finden, das war ein Zufallsprodukt", ergänzt er.

Die Polizei eingeschaltet

Zunächst informierte Hubert Kolling die Staffelsteiner Stadtarchivarin und Museumsleiterin Adelheid Waschka, die den Fund fotografisch dokumentierte und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege meldete. Der weitere Weg führte ihn zur Polizeistation Bad Staffelstein. Die Beamten nahmen ein Protokoll auf und leiteten das Fundstück samt Protokoll und GPS-Daten des Fundorts an die Kriminalpolizei Coburg zur Untersuchung weiter. Die Polizei zog die Schädeldecke ein und stellte Hubert Kolling eine Quittung darüber aus. "Haare und Blut klebten nicht mehr daran, es muss also schon ein wenig älter sein", beurteilte der Finder das Schädelfragment - dennoch musste in diesem Fall alles seinen Weg gehen, um Klarheit zu bekommen.

Die Kripo gab ein gerichtsmedizinisches Gutachten in Auftrag, dessen Ergebnis seit kurzem vorliegt. Demnach stammt die Schädeldecke mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Zeitraum zwischen 1799 und 1898.
Die Gerichtsmediziner ermittelten das Alter des Schädelstücks mit einer Radio-Carbon-Messung, die sehr teuer ist. Hubert Kolling sagt, er sei froh, dass diese Überprüfung amtlicherseits ausgeführt wurde, denn so viel Geld hätten weder er noch die Stadtarchivarin aufbringen können.

Über die Frage, wie die Schädeldecke an den Fundort gelangte, könne nur spekuliert werden, fährt Hubert Kolling fort. Denkbar sei, dass sie einst auf dem nahe gelegenen Banzer Friedhof ruhte und vielleicht von einem Tier verschleppt worden ist. Möglich wäre aber auch, dass sie zu einem Menschen gehörte, der im Wald das Opfer eines Gewaltverbrechens wurde.

Keine weiteren Knochen gefunden

Als er den Fundort später noch einmal aufsuchte, um die GPS-Daten zu erfassen, habe er keine weiteren Knochenteile finden können. Dass der Schädel vom Friedhof aus den Berg hinunter gekullert ist, könne ebenfalls ausgeschlossen werden: Ein Experiment mit einem Ball habe ergeben, dass der Abhang dafür nicht steil genug ist, erzählt Hubert Kolling.

Die Schädeldecke weise keine Spuren von Gewalteinwirkung auf. Das besage allerdings höchstens dass dieser Mensch nicht durch einen Schlag auf den Kopf gestorben sei.

Rechtlich betrachtet gehört Hubert Kolling als Finder lediglich die Hälfte der Schädeldecke, während die andere Hälfte dem Grundbesitzer zusteht. Grundbesitzerin ist Ihre Königliche Hoheit Erbprinzessin Sophie von und zu Liechtenstein, die im Oktober 2013 das Herzoglich Bayerische Forstgut Banz übernommen hatte und damit die Nachfolge ihres Vaters, Herzog Max in Bayern, antrat.

Anstelle das Fundstück in seinem Arbeits- oder Wohnzimmer aufzustellen, hat sich Hubert Kolling entschlossen, die Schädeldecke als Dauerleihgabe dem Stadtmuseum Bad Staffelstein zu geben.