Seit über 30 Jahren verkauft Volker Schelhorn aus Wiesen in einem fahrbaren Verkaufsstand Backwaren. Doch die Kundschaft nimmt ab. Woran liegt das?
Wenn Volker Schelhorn in einem Dorf mit seinem fahrbaren Bäckerladen stoppt, wissen die Leute meist schon die genaue Ankunftszeit. Den Zeitplan seiner Touren hält er verlässlich ein. Automatisch öffnet sich die Klappe an der rechten Seite seine Kleintransporters und gibt den Blick frei auf die Verkaufstheke. Brote und Brötchen, Krapfen, Torten, Donauwellen und Kuchen werden den Kunden präsentiert. Ein verführerischer Geruch nach frischen Backwaren entströmt dem Wageninneren.
Seit über 30 Jahren macht Volker Schelhorn diese Arbeit, über die er sagt: "Meinen Job kann man nicht entlohnen, den muss man genießen." Der gebürtige Altenkunstadter lernte zunächst das Bäcker- und Konditorhandwerk und schloss mit zwei Meistertiteln ab. Er führte das Theater-Café in Coburg und anschließend zwei Cafés in der Nürnberger Innenstadt. 1986 sattelte er um und begann, mit einem Verkaufswagen über die Dörfer zu tingeln. Das Fahrzeug bekommt er seither von der Bio-Bäckerei Schedel gestellt, für die er arbeitet.
Kontaktscheu darf man nicht sein
Der 57-Jährige hat Freude an seinem Job. Bei seinen Touren über die Dörfer erfährt er überall etwas Interessantes und unterhält sich gern mit den Menschen. Gleichwohl darf er seinen Stundenplan nicht aus den Augen verlieren, denn das Zeitfenster seiner Touren ist eng. Denn wenn er - inzwischen häufiger als früher - Pensionen, Gästehäuser, Ferienwohnungen und Campingplätze ansteuert, müssen die Frühstücksbrötchen am Morgen ausgeliefert sein, nicht erst am Mittag.
Als Volker Schelhorn 1986 damit begann, mit einem fahrbaren Bäckerladen über Land zu kurven, war er einer der Ersten, die das taten. Lebensmittel, Eis und Backwaren verkaufte er anfangs. Im Sommer belieferte er mit dem Kleintransporter mit Notstromaggregat und Kühlung auch die Menschen an Badeseen.
Demographischer Wandel
In den Dörfern der Region am Obermain gab es damals mehr Kundschaft als heute, sagt er. Der demographische Wandel wirke sich aus. Auf einen Nenner gebracht: "Der Umsatz geht zurück, weil die Leute heute tagsüber auf der Arbeit, die Kinder in der Schule sind - und weil es keine Großfamilien mehr gibt." Zur Anfangszeit warteten die Menschen oft schon an den Anlaufstellen, die sich meist an den Dorfwirtshäusern befinden. Sie wussten: "Er kommt, darauf kannst du dich verlassen." Heute seien es in den Dörfern deutlich weniger Kunden, die sein Eintreffen erwarten.
Wo vor 30 Jahren noch größere Familienverbände existierten, gebe es heute vor allem Kleinfamilien, Alleinerziehende und Singles, sagt er. Die Omas und Opas sorgten früher dafür, dass im Haushalt stets Brot, Brötchen und Butterhörnla da waren. Diese Goldader, wie er es aus wirtschaftlicher Sicht nennt, gebe es nicht mehr.
Ab 2003 krempelte Volker Schelhorn seine Touren nach und nach um, indem er verstärkt aufs Beliefern von Gästehäusern, Ferienwohnungen und Campingplätzen setzt. Vollkornbrötchen und -stangen, Kornspitz oder Dinkelbrötchen, aber auch Faschingskrapfen und Frankfurter Kranz liefert er an. Häufig tut er das auf Bestellung, denn seine Preislisten liegen in den Pensionen und auf den Plätzen aus, so dass er vorher erfährt, was gebraucht wird und seine Touren entsprechend planen kann.
Zusammengestellt wird sein Sortiment allmorgendlich in der Bäckerei in Reundorf. Die Bleche mit frischem Gebäck werden hinter der glasgeschützten Auslage des fahrbaren Ladens sowie in den Regalen verstaut - und los geht's!
Volker Schelhorn liebt seine Arbeit. Er erzählt von den Schützenfesten in Weismain und Redwitz, die er seit vielen Jahren mit Laugenbrezen beliefert. Er erinnert sich an die Tunnelfeiern im Rahmen des ICE-Trassenbaus, bei denen er in den vergangenen Jahren öfters dabei war, und er spricht von den vier Adventsmärkten 1989, als die Menschen aus der DDR unmittelbar nach der Grenzöffnung in Lichtenfels ankamen, wo er mit seinem Verkaufswagen auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Winfred Bogdahn stand und köstliches Gebäck feilbot.
Vom Bäcker zum Präsidenten
Gute Kontakte knüpfte der aufgeschlossene Bäckermeister vielerorts. Zum Beispiel in Ebneth und Hainweiher. Seit Jahrzehnten steht sein Wagen alljährlich beim Ebnether Kellerfest, er spricht mit den Leuten, ist stets zu einer Plauderei aufgelegt. Beim Turnerbund in Hainweiher kam er so gut an, dass er das Präsidentenamt angetragen bekam, das er seit inzwischen 28 Jahren zur Zufriedenheit ausübt. Heutzutage ist auch das nicht mehr selbstverständlich, denn inzwischen gibt es ja einen Präsidenten, dessen Volk mosert und plakatiert: "Not my President!" (nicht mein Präsident). So weit würde es Volker Schelhorn niemals kommen lassen.