Plastiktüten auch im Kreis Lichtenfels ein Auslaufmodell ?

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Ein Auslaufmodell: Der Verbrauch von Plastiktüten soll in Deutschland systematisch reduziert werden. Foto: Matthias Balk/dpa
Ein Auslaufmodell: Der Verbrauch von Plastiktüten soll in Deutschland systematisch reduziert werden. Foto: Matthias Balk/dpa

Auch Einkaufsmärkte und Geschäfte im Kreis Lichtenfels reduzieren die Abgabe von Tragetaschen aus Kunststoff immer mehr.

Höher, weiter, schneller: So kann die Zeit des Wirtschaftswunders in den 1950er- und 60er-Jahren umrissen werden. Als ein Symbol für den Aufschwung galt damals auch die Einführung der Plastiktüte. 1965 ging die erste sogenannte "Reiterbandtragetasche" über eine deutsche Ladentheke - das Einkaufsverhalten hat sich durch die flexiblen Transportmöglichkeiten in kürzester Zeit revolutioniert. Eine Euphorie, von der schon lange nichts mehr zu spüren ist. Im Gegenteil: Mittlerweile gilt die Plastiktüte als Inbegriff der Wegwerfgesellschaft. Die EU und Umweltorganisationen verstärken ihre Anstrengungen, den Verbrauch von 71 Plastiktüten pro Kopf und Jahr in Deutschland, deutlich zu reduzieren.

Als erster großer Lebensmittelhändler hat Rewe Anfang Juni bekanntgegeben, in allen deutschen Märkten auf den Verkauf von Plastiktüten zu verzichten.
"Das ist alles andere als ein Marketing-Gag", sagt Ursula Egger, Rewe-Sprecherin Region Süd auf Anfrage dieser Zeitung. "Da wir sehr auf Nachhaltigkeit achten, ist das nur ein logischer Schritt gewesen." 140 Millionen Plastiktüten sollen dadurch jährlich weniger im Müll landen. Aktuell gibt es in den Rewe-Märkten noch Restbestände an Plastiktüten, die in den nächsten Wochen sukzessive Alternativen wie Papiertüten, Baumwollbeuteln oder Jutetaschen weichen sollen.

Alternative Tragetaschen bietet auch Mitbewerber Edeka an. Vollständig auf Plastik wird hier aber vorerst nicht verzichtet. "Wir bieten in unseren Märkten bereits seit vier Jahren recht erfolgreich Plastiktüten aus Zuckerrohr an", sagt Christian Werner, Inhaber der Edeka-Märkte in Bad Staffelstein, Lichtenfels, Michelau und Burgkunstadt. Zur gleichen Zeit ließ Werner auch einen Faltkarton aus Recyclingmaterial entwickeln, der mittlerweile deutschlandweit bei Edeka im Einsatz ist. "Als wir die Kartons vor vier Jahren eingeführt haben, hatten wir den stärksten Einbruch von Plastiktüten", erklärt Christian Werner.


Unternehmen verpflichten sich

Während Plastiktüten in Supermärkten ohnehin schon immer etwas gekostet haben, lagen sie in Kaufhäusern und anderen Geschäften größtenteils kostenlos aus - bis in den vergangenen Monaten eine Gegenentwicklung in Gang kam. Ab Juli sollen bereits 60 Prozent der abgegeben Plastiktüten im deutschen Einzelhandel etwas kosten. Erklärbar ist diese Zahl durch eine Vereinbarung der Bundesregierung und dem Handelsverband Deutschland, bei der sich rund 260 deutsche Unternehmen verpflichtet haben, künftig Geld für Plastiktaschen zu verlangen.

Auch beim Kaufhaus Weka in Lichtenfels wird ab 1. Juli eine Gebühr für Plastiktüten erhoben. Persönlich überzeugt ist Geschäftsführer Paul Schnell von der Selbstverpflichtung jedoch nicht. Sie sei vielmehr eine Reaktion auf das von den Medien produzierte Meinungsbild, dass Plastik grundsätzlich umweltschädigend ist. "Ich persönlich halte das Thema für lächerlich", sagt er. "Wir haben in Deutschland ein funktionierendes Recyclingsystem. Der Verbraucher bezahlt für jede Plastikverpackung und der Händler für die Plastiktasche bereits heute eine Recyclinggebühr an den Grünen Punkt und ähnliche."

Fernsehbilder, die im Meer schwimmenden Abfall zeigen, seien auch für ihn nicht hinnehmbar. Trotzdem müsse man erst einmal prüfen, wer diese Verschmutzungen verursacht. Dabei sieht er die EU als Aufklärungsorgan in der Pflicht.

Für seine Warenhäuser in Lichtenfels, Kronach, Schleiz (Thüringen) und Reichenbach (Sachsen) hält Paul Schnell die Plastiktüte aktuell für alternativlos. Nach entsprechenden Prüfungen kam man im Unternehmen zum Ergebnis, dass die Alternative Papier wesentlich umweltschädigender sei.


Papier- oder Plastiktüte?

Auch Christian Werner sieht die Papiertüte nicht immer als die automatisch bessere Variante. "Die Plastiktüte generell zu verteufeln ist wohl der falsche Weg, da es sehr auf das Nutzungsverhalten ankommt", sagt er. "Wenn nach jedem Einkauf die Papiertüte im Müll landet, ist das für die CO2 -Bilanz schlechter, als wenn die Plastiktüte vernünftig dem Recycling zugeführt wird." Eine These, die auch Michael Stromer, Leiter der Umweltstation des Kreises Lichtenfels, bestätigt. "Beim genauen Betrachten der Umweltbilanz schneidet Kunststoff wohl besser als die Öko-Variante ab", sagt er. "Der Herstellungsprozess der Papiertüte ist oft sehr energieaufwendig."


"Tropfen auf den heißen Stein"

Um diesen Nachteil auszugleichen, so sagen Experten, müsste eine Papiertüte dreimal so oft genutzt werden wie das Pendant aus Plastik. "Als Verbraucher ist man da einfach überfordert", sagt Stromer. Und was hält der Umwelt-Experte nun von der EU-Offensive gegen die Plastiktaschen? "Ich bin ja froh, dass das Thema Müllvermeidung überhaupt mal öffentlich thematisiert wird", sagt Stromer. "Aber die Plastiktüten machen nur einen geringen Prozentsatz vom Kunststoffmüll aus. Ich sehe es eher als Tropfen auf den heißen Stein."

Insgesamt zeige der Markt seiner Meinung nach wenig Interesse vom Plastik wegzukommen - beispielsweise bei den Verpackungen. "Diese müssen in erster Linie praktisch sein. Oft sind Sachen mit Plastik und viel Klebeband mehr als nötig eingepackt", erklärt Stromer. Kritischer als das Verpackungsmaterial sieht Stromer die Entsorgung von Kunststoffprodukten an sich. Exemplarisch nennt er hier Kunststofffenster, die bei Neubauten heute Standard sind. "Wir leben zur Zeit über unsere Verhältnisse und damit auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder", befürchtet er.



Plastiktüten in Deutschland:


Verbrauch In Deutschland werden laut dem Bundesumweltamt pro Kopf und Jahr 71 Plastiktüten verbraucht. Im EU-Vergleich steht Deutschland nicht schlecht da. Der Jahresdurchschnitt der EU-Staaten beträgt 198 Plastiktüten, Spitzenreiter ist Bulgarien mit einem Verbrauch von 421 Tüten pro Kopf und Jahr. (Daten: EU-Kommission, 2011)

EU-Richtlinie Die Europäische Union möchte den Verbrauch von Plastiktüten bis Ende 2025 auf höchstens 40 Stück pro Einwohner senken. Mit einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung und dem Handelsverband Deutschland (HDE) soll diese Zahl hierzulande schon bald erreicht werden. 260 deutsche Unternehmen haben sich verpflichtet, ab dem 1. Juli 2016 keine Tragetaschen mehr gratis auszugeben. Wie viel die Plastiktüten kosten sollen, ist in der Vereinbarung nicht festgelegt. red