Nach Brand in Burgkunstadt: Vier Retter erzählen ihre Geschichte

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Positiver Nebeneffekt der Rettungsaktion: "Dass wir jetzt jeder ein paar Freunde mehr haben", sagt Silke Gross (rechts). Dazu gehören von links: Eva Mohrand, Lisa Krappmann, Dominik Schnapp (hinten) und Tobias Rupprecht. Foto: Anja Greiner
Positiver Nebeneffekt der Rettungsaktion: "Dass wir jetzt jeder ein paar Freunde mehr haben", sagt Silke Gross (rechts). Dazu gehören von links: Eva Mohrand, Lisa Krappmann, Dominik Schnapp (hinten) und Tobias Rupprecht.  Foto: Anja Greiner

Am Pfingstsonntag, kurz vor sechs Uhr morgens, entwickelt sich in der Wohnung von Dominik Schnapp in Burgkunstadt starker Rauch. Er wird gerettet - beinahe in letzter Sekunde. Das Protokoll einer Gemeinschaftsaktion.

Manchmal ist das Schicksal ein guter Freund.

Es ist das erste Mal, dass sich alle fünf gemeinsam darüber unterhalten, was am Morgen des Pfingstsonntag passiert ist.

Eva Mohrand, Lisa Krappmann, ihr Freund Tobias Rupprecht und Dominik Schnapp sitzen auf dem Sofa in der Wohnung von Silke Gross, die Abendsonne wirft Licht und Schatten auf ihre Gesichter. Vor knapp zwei Wochen waren sie schon mal alle hier - in der Wohnung von Dominik Schnapp, die liegt einen Stock über der von Silke Gross.

Es war vermutlich ein technischer Defekt, der eines der Küchengeräte in Brand steckte. Ein offenes Feuer gab es nicht, die Wohnung ist nicht ausgebrannt, vielmehr ist sie komplett verrußt.


Es gibt nur zwei weiße Stellen: Dort, wo das Handy auf dem Nachttisch lag und der Abdruck von Dominik Schnapps Körper auf der Matratze.

Silke

Bevor es zweimal metallisch klirrt, gibt es ein Knacken und einen lauten Schlag.

Silke Gross ist seit fünf Uhr wach, als sie die Geräusche hört, denkt sie erst die Katze habe ein Regal umgeworfen und als sie das metallische Klirren hört, denkt sie Dominik würde aufräumen. Später erfährt sie: Es war der Küchenschrank der durch die Hitze runtergekracht war und die Fliesen, die gesprungen sind.

Silke Gross ist 38 Jahre alt, Kinderkrankenschwester. Am Pfingstsonntag hat sie Frühdienst. Ihre Kinder sind über das Wochenende beim Vater. Gerade als sie unter die Dusche gehen will, klingelt es an ihrer Tür Sturm.
Eine Frau, die sie nicht kennt, steht vor ihr, sagt, es brenne. Sie rennen beide nach oben, zur Wohnung von Dominik Schnapp.

Silke Gross klopft an die Tür, hört ihn schreien: "Ich sehe nichts, ich bin blind." Silke Gross bricht die Tür auf, mit der Schulter, mit dem Fuß, sie kann sich nicht mehr erinnern. Der Rauch strömt in den Gang, erst jetzt ertönt der Rauchmelder. Sie hört die Schreie, weiß, er muss irgendwo im Flur liegen.

Sie rennt in ihre Wohnung zurück, holt ein nasses Handtuch. Sie will es sich vors Gesicht halten, wenn sie in die Wohnung geht. "In dem Moment denkt man nicht an sich."

Als sie wieder nach oben kommt, legt sich Tobias Rupprecht gerade auf den Boden. Sie sagt: "Ich denk, er liegt im Flur".

Am Tag nach dem Brand, am Pfingstmontag, hat Gross Fahrradfahrer beobachtet, die gekommen sind, sich vor das Haus gestellt, gezeigt und geguckt haben. Danach sind sie wieder zurückgefahren. Als hätten sie eigens einen Ausflug zur Brandstelle gemacht. An Autobahnen werden vermehrt Sichtschutzwände an Unfallorten aufgestellt. Silke Gross hat irgendwann einfach die Rollos runtergelassen.

Sie ist sauer. Auch am Morgen des Brandes haben die Nachbarn aus ihren Fenstern geguckt, geholfen, sagt sie, hat keiner. Auch danach habe keiner gefragt, ob alles in Ordnung sei, ob es ihr und den Kindern gut gehe. "Wir sind doch in keiner Großstadt."

Sie werde wohl nicht mehr lang in der Wohnung bleiben. Jede Nacht wache sie von Geräuschen auf. Es ist anders geworden. Sie muss immer daran denken, dass wenn der Brand bei ihr gewesen wäre, sie hätte ihre Kinder nicht gefunden. Zu dick, zu schwarz sei der Rauch gewesen.
Am Dienstag nach dem Brand hat Silke Gross sich zwei Rauchmelder gekauft.

Eva

Der Rauch war schwarz. Und schwarzer Rauch ist gar nicht gut. Das sei wie bei der Papstwahl. Eva Mohrand ist 27 Jahre alt, Heilerziehungspfelgerin bei Regens Wagner in Burgkunstadt und bei der freiwilligen Feuerwehr. Sie wohnt in Mainroth, dass sie am Pfingstsonntag auf dem Weg zur Frühschicht überhaupt die Kulmbacher Straße entlang gefahren ist lag daran dass die übliche Parkplatzzufahrt wegen des Feiertags gesperrt war.

Als sie gegen sechs Uhr am Haus von Silke Gross und Dominik Schnapp vorbeifährt, sieht sie Rauch. An zwei Fenstern, die Rollos sind geschlossen, kurz überlegt sie, ob jemand einen Braten anbrät. "Irgendwas hat nicht gepasst". Es ist ein Bauchgefühl, dass sie anhalten lässt. Als sie aus dem Auto steigt hat sie das Handy schon aus dem Rucksack geholt, der Rauch ist inzwischen schwarz.

Es ist 6:03 Uhr als Eva Mohrands Notruf bei der Rettungsleistelle eingeht.

Sie muss nachschauen, wie die Straße heißt, dann geht sie zur Haustür. Mohrand klingelt Strum bei allen Parteien, die Rettungsleitstelle ist immer noch am Telefon. Mohrand läuft noch mal zurück, zählt die Stockwerke, betont, dass der Rauch unter dem Dach ist.

Dann steht plötzlich Silke Gross vor ihr. "Ich hab sie gefragt, ob sie da wohnt", sagt Mohrand und schüttelt den Kopf: "Um sechs Uhr morgens. Was sollte sie denn sonst da machen?"

Beide rennen nach oben. Mohrand kann sich nicht mehr erinnern, warum sie dann wieder nach unten ging, vermutlich um Feuerwehr und Rettungsdienst einzuweisen. "Ich habe gehofft, dass Silke nichts dummes macht."

Schließlich kommt ein Rettungswagen, nicht der der alarmiert wurde, einer, der zufällig auf der Strecke unterwegs war. Als auch die Feuerwehr eintrifft, sich alles beruhigt hat, fährt Mohrand weiter. Als sie auf der Arbeit ankommt, ist sie zwei Minuten zu spät.

Ich weiß nicht wie es euch geht, sagt Eva Mohrand und blickt in die Runde, "aber irgendwas war da, dass wir alle genau da waren, wo wir waren".

Lisa und Tobias

Als der Pieper bei den beiden Feuerwehrleuten Lisa Krappmann (24) und Tobias Rupprecht (24) Alarm schlägt, sprinten beide zum Auto, im Schlafanzug, sie fahren drei Meter, dann schauen sie sich an: "Scheiße, das ist beim Dommi." Während Lisa versucht, ihn anzurufen, rennt Tobias über die Straße zum Haus, die Treppen hoch.

Er ruft Dominiks Namen, der Rauch hängt inzwischen knapp über dem Boden, 80 Zentimeter, wird die Brandermittlung später ergeben. Rupprecht legt sich auf den Boden, kriecht langsam in die Wohnung. "Irgendwann hab ich dann seinen Arm in der Hand gehabt und ihn rausgezogen."

Er schleift Dominik die Treppe runter, setzt ihn auf die Bank gegenüber. Lisa geht nochmal nach Hause, holt Wasser, sie kümmern sich um ihn, bis der Rettungswagen kommt.

"Er lag vielleicht vier Meter von der Tür entfernt", sagt Rupprecht. Hätte er einen Rauchmelder in der Wohnung gehabt, er wäre durch das Piepsen rechtzeitig wach geworden.

Auch Rupprecht ist sauer. Zivilcourage, sagt er, sei das Stichwort: "Ob es nun brennt oder was anderes passiert." Aber Rupprecht ist auch erleichtert, dass sie alle gemeinsam ein Leben gerettet haben.

Dominik

Ein bisschen verloren sieht er aus, wie er da auf dem Sofa sitzt, in die Polster gelehnt versinkt seine drahtige Gestalt beinahe. Wenn er spricht, beugt er sich nach vorne und schlägt die Beine übereinander. Er spricht nicht oft.

An jenem Sonntagmorgen ist er durch Klopfen und Schreien aufgewacht. Als er seine Augen aufmacht, spürt er einen brennenden Schmerz. "Ich habe geschrien, dass ich nichts sehe." Das Nächste, an das er sich erinnert, ist, wie er im Krankenwagen liegt.

"Da geht mir schon die Pumpe", sagt er, wenn die anderen von seiner Rettung sprechen. "Ich bin froh, dass sie geholfen haben - es hat so viel zusammengespielt." Mit einer Zeitungsanzeige hatte sich seine Mutter bei den Rettern bedankt. Bei ihr wohnt er momentan. Wenn die Wohnung wieder hergerichtet ist, will er wieder einziehen. Silke Gross schüttelt den Kopf, er sagt: "Es hätte auch an einem anderen Tag und in einer anderen Wohnung sein können."

Dominik Schnapp lag zwei Tage auf der Intensivstation, zwei Tage hat er schwarzen Ruß gehustet, drei mal musste er duschen, bis er wieder sauber war.

Der Arzt hatte gesagt: Noch ein zwei Atemzüge, dann wär's das gewesen.