Liedermacher: Musik ohne großes Brimborium

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Seit 28 Jahren gibt es die "Songs an einem Sommerabend"; das Festival war auch in diesem Jahr ein Publikumsmagnet. Foto: Matthias Hoch
Seit 28 Jahren gibt es die "Songs an einem Sommerabend"; das Festival war auch in diesem Jahr ein Publikumsmagnet. Foto: Matthias Hoch
Relaxen auf der Wiese: Die Gruppe Feelsaitig mit (von links) Robert Wachsmann, Patrick Caramagno und Sandy Wolfrum sowie (hinten) Hanzie Scharrer vor ihrem Auftritt im Jahre 1992. Foto: Käthe Geisl
Relaxen auf der Wiese: Die Gruppe Feelsaitig mit (von links) Robert Wachsmann, Patrick Caramagno und Sandy Wolfrum sowie (hinten) Hanzie Scharrer vor ihrem Auftritt im Jahre 1992.  Foto: Käthe Geisl
 

Sandy Wolfrum plaudert aus dem Nähkästchen und über die Songs an einem Sommerabend, bei denen er selbst schon aufgetreten ist.

Ständig im Stau: Sind Autobahnen ein Segen oder ein Fluch? Für die meisten Autofahrer sind sie wohl eher Letzteres, zumindest wenn es nicht fließt, sondern immer wieder stockt - für den bekannten Bayreuther Liedermacher Sandy Wolfrum war der Stop-and-go-Verkehr auf der Fernroute ein Glücksfall.

Er saß dabei noch nicht einmal selbst am Steuer. Den Wagen lenkte sein Musikerkollege Reinhard Mey. "Vor lauter Langeweile schob Mey eine Kassette ein und in seinem Ohr nistete sich die Ironie eines Liedes ein, in dem es darum geht, dass in den Schulen viel Unnützes gelernt wird, die für das Leben wichtigen Dinge aber oft zu kurz kommen", erzählt der 58-Jährige bei einer Tasse Cappuccino.


Erinnerungen an 1992/1993

Mit seiner Band Feelsaitig durfte Wolfrum bei den legendären Songs an einem Sommerabend auf Kloster Banz zweimal hintereinander - 1992 und 1993 - auftreten, mit
"Napoleons Frühstücksei", so der Titel des Liedes, und "mit der Guillotine köpfen", so heißt es im Stück wörtlich.

"Der Zufall wollte es so, dass einer unserer Fans Reinhard Mey die Kassette mit dem Lied in die Hand gedrückt hatte. Dieser wiederum empfahl uns an den Vater der Songs, Ado Schlier, der mir während unseres Aufenthaltes in Banz von der Staufahrt Meys berichtete", erinnert sich der Sänger und Gitarrist. Nicht ohne Stolz fügt er hinzu: "Bei einem solch renommierten und erfolgreichen Festival mit von der Partie zu sein, das zählt schon zu den Höhepunkten meiner 35 Jahre währenden Karriere."

Traurig stimmt es ihn, dass die Songs an einem Sommerabend in diesem Jahr wohl in dieser Form zum letzten Mal über die Bühne gehen werden. Zum 30-jährigen Bestehen wird das Finale auf den Plakaten und auf der Internetseite des Veranstalters angekündigt.

Das geschehe in einer Zeit, in der das Liedermachen eine Renaissance erlebe: "Wie ich an meinem eigenen Sohn Constantin feststellen kann, schnappt sich die Jugend wieder die akustische Gitarre und schreibt ohne großes Brimborium Songs."

Mit der aktuellen musikalischen Ausrichtung des Festivals hadert der Songschreiber, der sich mehr Abwechslung wünscht: "Immer die gleichen Gäste - mit der Zeit läuft sich ein solches Festival tot."
"Die Liedermacher - keiner pflegt sie. Sie kommen zu kurz, während Komödianten in Comedy-Sendungen zu Tode gehetzt werden", beklagte sich Ado Schlier kürzlich bei einer Pressekonferenz.
Trotz der Kritik am Open Air - in diesem Punkt muss Wolfrum dem renommierten Radiojournalisten Recht geben: "Das Liedermachergenre erlebt zweifelsohne eine Wiedergeburt - im Gefühl der jungen Leute und vielleicht auch noch auf den Kleinkunstbühnen, aber nicht in den Medien, wo du mit dieser Musik keine Chance hast."
Den Einwand, dass es auf dem Kulturkanal des ZDF seit ein paar Jahren ein Wohnzimmer der Songwriter - so der Untertitel der Musiksendung TV Noir - gebe, lässt Wolfrum nicht gelten. Obgleich er die Musiksendung toll finde, gibt er zu bedenken: "Wer schaut das früh um sechs Uhr an?" Eine solche Sendung habe für ihn Alibifunktion.


Hoffnung für das Festival

Eine Einschätzung über das voraussichtliche Ende des Liedermacher-Festivals will sich Wolfrum nicht direkt erlauben: "Ich bin Musiker und nicht Veranstalter", weicht Wolfrum zunächst aus, um dann festzustellen: "Du findest sofort einen Sponsor, wenn du etwas in die kommerziellere Richtung gehst. Dann kann es jedoch passieren, dass du schnell wieder beim schnöden Mammon gelandet bist. Genau das macht Ado Schlier, der seit Jahren Profil zeigt, eben nicht - dafür schätze ich ihn sehr."

Wolfrum würde sich freuen, wenn die Songs erhalten bleiben könnten. Denn für Leute, die mit den Texten ein bisschen mehr aussagen wollten, als "Komm heute Nacht zu mir, damit ich nicht so frier" gebe es kaum noch ein Forum. "Ein bisschen geistige Nahrung sollte uns doch erhalten bleiben", findet der Bayreuther.