Der Lichtenfelser Zehntklässler Philip Schnapp ist beim Projekt "Klassenzimmer unter Segeln" dabei.
Ein Seesack. Dazu ein großer Rucksack und ein kleiner für Tagesausflüge. Das muss Philip Schnapp reichen, wenn er in dieser Woche aufbricht, um für ein halbes Jahr in See zu stechen. Er tauscht das Klassenzimmer des Meranier-Gymnasiums, sein Zuhause und seine Freunde gegen das Segelschiff "Thor Heyerdah" und 29 gleichgesinnte neue Freunde, mit denen er dann sechs Monate auf engstem Raum zusammen lebt und lernt.
"Wir dürfen die halbe Welt erkunden, neue Kulturen kennenlernen und natürlich auch Spaß haben", sagt der Zehntklässler. Die Tage vor der Abfahrt sind gewöhnliche Schultage und gefüllt von letzten Vorbereitungen, einer gewissen Anspannung und vom Abschiednehmen. Philip feiert noch schnell eine Übernachtungsparty mit seinen engsten Freunden, dann gibt es noch ein Abschiedsessen für Paten und Großeltern - und schon geht es nach Kiel, wo das Abenteuer startet. "Dort dürfen wir in der ersten Woche erstmal das Schiff sauber machen und müssen uns um Vorräte kümmern", sagt Philip.
Zu Probetörn eingeladen
Um sich für das Projekt "Klassenzimmer unter Segeln" von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zu qualifizieren, wurde er nach seiner schriftlichen Bewerbung für einen Probetörn eingeladen. "Auch da haben wir uns selbst um unser Essen kümmern müssen", erinnert sich Philip an den Auswahltest in den Pfingstferien. In Kleingruppen mussten die Bewerber selbst einkaufen, kochen - und sich mit den anderen Gruppen verständigen, wenn etwas schief ging. "Wir haben einfach schlecht gekocht und hatten zu wenig Brot eingekauft", lacht Philip. Auf dem Schiff kochen die Zehntklässler allerdings nicht für eine Kleingruppe, sondern für die gesamte 50-köpfige Mannschaft.. Dafür mussten sie vorab Rezepte einreichen. Philip wird "Ei mit Schnittlauchsoße und Kartoffeln" koche und, "Spaghetti aglio e olio". Als Nachtisch bäckt er einmal "kleine Schokotörtchen mit flüssigem Kern".
Persönlichkeitsentwicklung
Sein Lateinlehrer in der 9. Klasse und Schulleiter Stefan Völker unterstützte Philip in seinen Plänen: "Ich habe keine Sekunde gezögert", sagt Völker. Er hat bereits zweimal erlebt, wie sich Schüler entwickeln, die am "Klassenzimmer unter Segeln" teilnehmen. "Die Erfahrung wird ganz sicher für ihn selbst positiv sein. Dort wird eine ungeheuere Persönlichkeitsentwicklung stattfinden. Diese Erfahrungen strahlen aber auch auf die gesamte Schulfamilie aus", beobachtete Völker in der Vergangenheit. "Die Offenheit für Neues, Gewohntes hinterfragen, das wird auch die anderen Schüler anstecken und sie werden möglicherweise im Verein, in ihren Familien oder auch in der Schule sich anders verhalten."
Philip musste sich eine Woche vor Abfahrt noch einen Schulpaten organisieren. "Finn ist der Zuverlässigste", sagt Philipp - und Finn Scholl fühlt sich geschmeichelt. "Klar habe ich auch überlegt, ob das etwas für mich wäre - aber sechs Monate weg sein, das ist nichts für mich", meint sein Klassenkamerad. Finn wird Philip über WhatsApp auf dem Laufenden halten, insbesondere dann, wenn es um die Wahl der Fächer für die Q11 geht.
Schule nach Lehrplan ist auf dem Schiff jeden zweiten Tag. Wenn alles läuft, wie geplant, dann wird Philip das Klassenziel vom Segelschiff aus erreichen. Das Kultusministerium hat den Törn einem Schulbesuch im Ausland gleichgestellt. Aber Schule ist nicht alles - und genau das wollte die Universität Erlangen-Nürnberg auch bei den Bewerbungen sehen. "Wir sollten die Bewerbung selbst schreiben und mussten versichern, dass uns niemand geholfen oder sie korrigiert hat", erinnert sich Philip an den ersten Schritt des Bewerbungsverfahrens.
Er spielt Fußball und Klavier und hat in einem freiwilligen sozialen Schuljahr Schachunterricht an der Grundschule an der Kronacher Straße gegeben. "Die wollten sehen, dass ich einigermaßen sozial engagiert bin, das hat - glaube ich - den Ausschlag gegeben." Segeln muss niemand können, der sich bewirbt - Philip war noch nie zuvor auf einem Segelschiff.