Wie fährt sich ein Geländewagen Baujahr 1944? Spartanisch! Eine Tour mit dem VW-Kübelwagen eines Staffelsteiner Sammlers beweist, dass es auch vor Erfindung von Navi, elektronischer Einparkhilfe und Spurassistent schon automobile Fortbewegung gegeben hat.
Modernen Krimskrams und elektronischen Schnickschnack hat der Kübel nicht. In der Mitte des Armaturenbretts prangt allein der zyklopisch weiß glotzende Geschwindigkeitsmesser. Die Ziffern reichen bis 100 - doch bei 80 km/h ist ohnehin Schluss. Während meiner Testfahrt pendelt sich die Nadel bei 60 ein. Eine Geschwindigkeit, die mehr als ausreichend ist für das hochbeinige, schmalreifige Wägelchen.
Kraftfahrer - dieser Ausdruck kommt nicht von ungefähr. In den frühen Vierzigern gab es schließlich keine Servolenkung; und das Hinauf- oder Herunterschalten funktioniert nur, wenn der Mann im Kübelsitz mit Geschick und Einfühlungsvermögen aufs Gaspedal tippt. Zwischengas geben nennt man das. Älteren Kraftfahrern ist das sicher ein Begriff.
Der Spaten weist den Weg Knatternd wie ein VW Käfer krabbelt der Kübel über die Landstraße. Die Rundumsicht ist eingeschränkt, trotz der herausgenommenen Plexiglas-Seitenfenster. Die beiden runden Rückspiegelchen lassen nicht viel Rücksicht zu. Der Knauf des Spatenstiels auf dem linken Kotflügel weist den Weg wie ein Bugspriet.
Ab 60 km/h spätestens beginnt der Kübel zu schwimmen. Als Kraftfahrer am filigranen Lenkrad komme ich mir vor wie der Daktari aus der 60er-Jahre-TV-Serie: Dr. Marsh Tracy hatte uns Kinder stets erheitert, weil er seinen Jeep mit übertrieben heftigen Lenkbewegungen durch die Savanne schaukelte.
Doch dies ist nicht Wameru, wir sind im Maintal. Der Kübel knattert die Steigung bei Nedensdorf zum Trimäusel hinauf. Ich schalte bewusst nicht herunter, denn der lange Schalthebel und die hakelige Mechanik sowie das Zwischengasgeben erfordern Finger- und Zehenspitzengefühl sowie die volle Konzentration. Beim Einlegen der Gänge kracht es - wie in der Fahrschule einst, was der Fahrlehrer grinsend zu kommentieren pflegte: "Schalten ist kein Geheimnis!"
Geländegängig durch Wiesen Der Kübel surrt den Berg hinunter. Die grobstolligen Reifen summen melodisch, wie man es von Mountainbikes kennt. Zwölf Liter Super braucht der Kübel durchschnittlich auf 100 Kilometer - jetzt grade säuft er sicher mehr. Kein Wunder, denn ich nähere mich der Brauereien-Metropole Wiesen. Obwohl ich schaltfaul bin, lege ich den dritten Gang ein. Es kracht metallisch. Aus den beiden dünnen Auspuffröhrchen kringeln blaue Wölkchen. Aufgepasst, ihr Wiesener, jetzt kommt Nick Knatterton! Diese Comicfigur ist all jenen, die noch mit Zwischengas fuhren, sicher ein Begriff.
Prompt sitzen an diesem Maiabend einige Wiesener am Straßenrand. Sie horchen auf und winken dem sandfarbenen Vehikel amüsiert zu. Jetzt bloß nicht schalten, damit ich mich nicht blamiere. Mit 35 km/h geht's im dritten Gang voran. Nun die drei Wiesener Kurven mit Schwung und kräftigem Drehen am Lenkrad nehmen und hinaus aus dem Ort!
Geforderte Geschwindigkeit? Ein rotgerandetes 70 km/h-Schild droht mir zwischen Wiesen und Döringstadt. Haha! Diese geforderte Höchstgeschwindigkeit werde ich nicht fahren! Immerhin überhole ich in elegantem Bogen und mit kaum lauterem Knattern des hinten kauernden Boxermotors einen Radfahrer. Ich bin stolz.
Weiter geht's Richtung Ebensfeld. Toll, ein Verkehrskreisel! Mal sehen, wie sich der Kübel in Extremsituationen verhält. Mit knapp 30 km/h rein ins Karussell - und schwupps: drüben wieder raus. Die Straßenlage ist ordentlich. Das schmeckt nach mehr. Auch wenn ich dem Kübel nicht anmerke, dass die ersten seiner Art bei Porsche in Stuttgart vom Band liefen.
In Bad Staffelstein, vor der Ampel, passiert das Malheur. Abgewürgt! Schwitz! Niemand glotzt, Glück gehabt! Anlasserknopf gedrückt - ja: hierbei ist der Kübel hochmodern! - und zurück zur Garage.
Als ich im nicht ganz neuen Golf, einem Urururenkel des Kübels, heimfahre, meine ich zu schweben. Warb VW nicht einst mit dem Slogan "Kraft durch Freude", was der VW-Konzern mit "Powered by emotion" in die Jetztzeit übersetzt?
Zur Geschichte des VW Typ 82 und der Kübelwagen Baugeschichte Der als Kübelwagen bezeichnete VW Typ 82 ist ein auf Basis des KdF-Wagens konstruiertes Geländefahrzeug. Von 1940 bis 1945 wurden 50 788 Stück in verschiedenen Versionen hergestellt. Die Bezeichnung Kübelwagen bzw. Kübelsitzwagen ist auf den Beginn der Entwicklung von geländetauglichen Militär-Pkw zurückzuführen. Um das Gewicht zu reduzieren, wurde bei einigen Modellen auf die Türen verzichtet. Sie wurden durch Stoffplanen ersetzt oder entfielen ganz. Damit die Insassen während der Fahrt nicht aus dem Fahrzeug stürzen, wurden Schalensitze eingebaut.
Technische Daten Der VW Typ 82 wurde von Ottomotoren angetrieben, zunächst mit 985 ccm Hubraum und 23,5 PS Leistung, ab 1943, mit 25 PS und 1131 ccm. Länge: 3740 mm, Breite: 1600 mm, Höhe: 1110 bis 1650 mm; Radstand: 2400 mm, Leergewicht: 715 bis 1160 Kilogramm.
wikipedia
sollte mal im Geschichtsbuch nachsehen, was es mit dem vermeintlichen Werbespruch 'KdF' auf sich hat.