Der Amerikaner John L. Withers Jr. schrieb ein Buch über eine Episode aus dem Leben seines Vaters. Der farbige US-Offizier sah 1945 Dachau, und er war 1946 mit seiner Logistikeinheit im Staffelsteiner Gasthof "Grüner Baum" stationiert.
Mehr als 20 Jahre recherchierte John L. Withers II., um eine Episode aus dem Leben seines Vaters aufzuhellen. Withers Senior war 1945 als US-Offizier mit seiner Nachschubeinheit nach Deutschland gekommen.
In Dachau wurde First Lieutenant John Withers I. mit dem Grauen des eben von der US-Army befreiten Konzentrationslagers konfrontiert. Die US-Soldaten adoptierten dort zwei jüdische Waisenjungen: Salomon und "Pee Wee".
Die beiden Jungen begleiteten die GIs der "Quartermaster Truck Company 3512" durch die Wirren der Nachkriegszeit bis nach Staffelstein. Dort war Lieutenant John Withers I. aus North Carolina von Januar bis Dezember 1946 im Gasthof "Grüner Baum" mit der Logistikeinheit stationiert. Doch irgendwann verlor er den Kontakt zu den beiden Jungen, ihre Spur verlor sich im Dunkel der Geschichte.
Vor wenigen Wochen legte John L. Withers II. sein Buch "Balm in Gilead - A Story from the War" vor. Auf 466 Seiten zeichnet der pensionierte Diplomat (er war unter anderem US-Boschafter in Albanien) den Weg seines Vaters im Europa der Jahre 1945/46 nach. Staffelstein spielt darin eine herausragende Rolle.
Wiedersehen nach 55 Jahren
Eines der zwölf Kapitel widmete er den Erlebnissen seines Vaters in Staffelstein. John L. Withers II. und seine Frau Maryruth Coleman reisten in den vergangenen 20 Jahren mehrmals nach Franken, um zu recherchieren und Details über die Nachkriegszeit herauszufinden. In seinem Buch beschreibt er die jahrelange Suche nach den beiden jüdischen Jungen, die zumindest in einem Fall zum Erfolg führte: 2001 sahen sich der nun 84-jährige Lieutenant John Withers I. und "Pee Wee" wieder - nach 55 Jahren wieder.
Der 2018 verstorbene Staffelsteiner Schul- und Museumsleiter Alfred Meixner und Stadtarchivarin Adelheid Waschka waren John L. Withers bei seinen Recherchen behilflich. Alfred Meixner stellte etliche Kontakte zu Zeitzeugen aus dem Staffelsteiner Land her - etwa zu Dr. Josef Brütting (+), dem Sohn von Karl Brütting, einst Eigentümer des "Grünen Baums", sowie zu Schwester Pauline Selmaier in Vierzehnheiligen. Interessante Detail erfuhr er von Kurt Schramm (+) aus Schottenstein, dem Sohn des früheren Staffelsteiner Landrats Oskar Schramm.
Der Titel des auf Amerikanisch geschriebenen Buches bezieht sich auf das verheißene Land Gilead aus dem Alten Testament: Im Fünften Buch Mose (Deut 43,1) kommt Gilead ebenso vor wie beim Propheten Jeremias, von dem auch die Zeile "Balsam (engl. = Balm) für unsere sündengeplagte Seele" stammt. Zudem greift ein traditionelles afro-amerikanisches Spiritual die biblische Metapher auf: "There is a Balm in Gilead".