Körbe mit explosivem Inhalt

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Ein typisches Bild aus der Zeit des Ersten Weltkriegs - eine Gruppe von Korbflechtern, zu deren Sortiment auch Geschosskörbe für verschiedene Kaliber gehörten.
Ein typisches Bild aus der Zeit des Ersten Weltkriegs - eine Gruppe von Korbflechtern, zu deren Sortiment auch Geschosskörbe für verschiedene Kaliber gehörten.
Diese Aufnahme aus dem Jahr 1915 zeigt Michelauer Flechter, die in der Geschosskorb-Fertigung beschäftigt waren. Fotos: Deutsches Korbmuseum
Diese Aufnahme aus dem Jahr 1915 zeigt Michelauer Flechter, die in der Geschosskorb-Fertigung beschäftigt waren. Fotos: Deutsches Korbmuseum
 
Ariane Schmiedmann vom Deutschen Korbmuseum in Michelau zeigt einige der Exponate - Geschosskörbe der verschiedenen Größen und eine Artilleriegranate, für deren sicheren Transport die Körbe bestimmt waren. Foto: Matthias Einwag
Ariane Schmiedmann vom Deutschen Korbmuseum in Michelau zeigt einige der Exponate - Geschosskörbe der verschiedenen Größen und eine Artilleriegranate, für deren sicheren Transport die Körbe bestimmt waren. Foto: Matthias Einwag
 

Im Ersten Weltkrieg gab es zwar am Obermain keine eigentliche Rüstungsindustrie, aber Kriegswichtiges wurde hier dennoch hergestellt. Das Flechterhandwerk stellte große Teile der Produktion auf Geschosskörbe für Munition um.

Vor 100 Jahren tobte in Europa der Erste Weltkrieg. 1915 hatten sich die Hoffnungen der Menschen auf ein schnelles Kriegsende bereits zerschlagen. Allmählich wirkte sich der Krieg auf die Wirtschaft aus - die Lebensmittel und Brennstoffe wurden knapp, durch die Seeblockade brachen wichtige Absatzmärkte weg und Rohstofflieferungen blieben aus. Handwerker und Fabrikanten sahen sich notgedrungen nach neuen Einnahmequellen und anderen Rohstoffquellen um.

Am Obermain, vor allem in Lichtenfels und Michelau, blühte seit dem 19. Jahrhundert das Korbflechterhandwerk. Anfang des 20. Jahrhunderts war daraus ein ganzer Industriezweig geworden, von dem viele Familien lebten. In Michelau, das um die Jahrhundertwende rund 2300 Einwohner hatte, war jeder dritte Einwohner im Korbmacherhandwerk beschäftigt.

Für 1908 stellt Bezirksheimatpfleger Günter Dippold fest, dass sich auf dem Gebiet des damaligen Bezirksamts (heute Landkreis) Lichtenfels 32 Korbmacherfirmen etabliert hatten - 14 in Lichtenfels, sieben in Michelau, jeweils vier in Marktzeuln und Redwitz, zwei in Burgkunstadt und eine in Burkersdorf.

Exportmärkte abgeschnitten

Doch nun zogen sich die Fronten von Flandern an der Marne entlang über die Champagne, übers Elsass, quer durch die Alpen und die Karpathen bis nach Ostpreußen. Die Meere wurden vor allem durch die englische Flotte beherrscht, wodurch nicht nur Rohstoffe für die Produktion hochwertiger Korbwaren ausblieben, sondern auch wichtige überseeische Exportmärkte abgeschnitten waren. Für die Korbindustrie war das fatal, denn die Firmen konnten ihre Kunden in weiten Teilen der Welt nicht mehr beliefern.

1913 exportierte Deutschland Korbwaren unter anderem in die USA (844 Tonnen), die Niederlande (655), nach Großbritannien mit seinen Dominions (644), nach Argentinien (221), Frankreich (173), Italien (113), Russland (60) und in die Länder auf dem Balkan (60).

Bis zu 20 Aushilfskräfte

Die kleinen Gewerbebetriebe am Obermain, von denen manche bis zu 20 Aushilfskräfte beschäftigten, standen unter einem gewaltigen Druck. Sie mussten ihr Sortiment großenteils umstellen. Zwar wurden auch weiterhin Sessel, Blumenständer, Wasch- und Reisekörbe, Klopfer, Eierkörbe und Brotschalen gebraucht und verkauft, aber längst nicht mehr in der Menge wie vor Kriegsbeginn.

Es galt, die kriegswirtschaftlichen Einschnitte zu kompensieren. Weil die importierten Rohstoffe - vor allem hochwertige Materialien wie Rattan und Peddig - ausblieben, musste nach heimischen Produkten gesucht werden.

Da kamen die Heeresaufträge gerade recht, die im Herbst 1914 einsetzten: Die kaiserliche Armee und ihre Verbündeten hatten einen enormen Bedarf an geflochtenen Geschosskörben. Das sind zylindrisch geformte Behälter, oft auch in oben spitz zulaufender Granatenform, die beim Transport verhindern sollten, dass die Munition durch Erschütterungen ungewollt explodiert. Für die Produktion dieser Geschosskörbe waren keine hochwertigen Materialien erforderlich. Die heimischen Weidenruten reichten dafür völlig aus. Natürlich kam es dadurch zu Engpässen auf dem Markt, doch kriegswichtige Produkte hatten Vorrang.

In Güterwaggons wurden die Geschosskörbe dann vom Obermain aus zu den Rüstungsbetrieben transportiert. Dort befüllte man die Körbe mit Spreng-, Leucht- und Haubitzgranaten, mit Kartätschen und Schrapnells und wohl auch mit Senfgasgranaten. Die tödliche Fracht ging schließlich mit der Bahn an die Fronten - nach Verdun und Ypern, Tannenberg, Arras und Przemysl.