Gastronomie-Fachkräfte sind überall gefragt

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Lea Weber lernt im dritten Lehrjahr Hotelfachfrau - sie schätzt an ihrem Beruf vor allem den Umgang mit Menschen. Das Bild zeigt sie mit Michael Möslein, dem Verwaltungsleiter des Bildungszentrums der Hanns-Seidel-Stiftung in Kloster Banz. Foto: Matthias Einwag
Lea Weber lernt im dritten Lehrjahr Hotelfachfrau - sie schätzt an ihrem Beruf vor allem den Umgang mit Menschen. Das Bild zeigt sie mit Michael Möslein, dem Verwaltungsleiter des Bildungszentrums der Hanns-Seidel-Stiftung in Kloster Banz. Foto: Matthias Einwag

Gastronomische Betriebe, die junge Leute ausbilden, haben oftmals nichts von diesen Fachkräften. Das gut ausgebildete, oft auch weltgewandte und stilsicher auftretende Personal wird ihnen abgeworben. Um die Qualität zu sichern muss die Branche dennoch weiter ausbilden.

"Wir haben in der Badestadt zwei tragende Säulen - wir sind Gesundheits- und Genussregion", sagt Michael Möslein, der Wirtschaftliche Leiter des Bildungszentrums der Hanns-Seidel-Stiftung. Weil Essen und Trinken zur fränkischen Identität gehören, sei es unerlässlich, die heimische Gastronomie zu pflegen, denn wenn irgendwann einmal Fastfoodketten und Discounter alleine stünden, wäre schnell das Ende der Genussregion am Obermain da.

Um für die Hanns-Seidel-Stiftung stets genügend qualifiziertes Personal zu haben, lässt Michael Möslein kontinuierlich ausbilden. Das tut er sogar über den eigenen Bedarf hinaus, weil er in jüngster Zeit die Erfahrtung machen musste, dass gut ausgebildete Restaurant- und Hotelfachkräfte von Unternehmen anderer Branchen abgeworben werden.


Sechs neue Auszubildende

Sechs junge Leute stellte die Hanns-Seidel-Stiftung im Herbst für Kloster Banz neu ein - drei, die zu Köchen ausgebildet werden und drei angehende Hotelfachfrauen. Von den sechs Azubis, die im vergangenen Jahr die Lehre abschlossen, konnte er zwei übernehmen.

Es sei zu beobachten, dass nun immer häufiger Leute aus dem Service von branchenfremden Berufsgruppen abgeworben werden. Finanzdienstleister, Autohäuser oder Kliniken schätzten die umfassende Ausbildung der Servicekräfte. Zu den gefragtesten Schlüsselkompetenzen zählt er dabei Teamfähigkeit, angenehmes äußeres Erscheinungsbild, rasches Auffassungsvermögen, Organisation- und Verkaufstalent, Fremdsprachenkenntnisse und Gewandtheit im Umgang mit Menschen. Alle diese Eigenschaften seien durchaus auch ideal für jemanden, der am Empfang oder im Kundenkontakt eingesetzt wird. "Dieses Phänomen des Abwerbens ist neu."


Für andere Gaststätten von Vorteil

Doch auch zu anderen Hotels und Restaurants wandern die in Banz ausgebildeten Servicekräfte ab. Fast alle gastronomischen Betriebe im Staffelsteiner Land profitierten bislang davon, dass die Seidel-Stiftung ausbildet, sagt Michael Möslein. Leicht ironisch fügt er an: "Wir leisten hier gastronomische Entwicklungshilfe für den ganzen Landkreis."

Doch Nachwuchs kommt nicht von allein, er will gewonnen werden. "Ich kann es nicht mehr hören, wenn ständig wiederholt wird, dass es aufgrund des demografischen Wandels eben hinzunehmen ist, kein Personal mehr zu bekommen", sagt Michael Möslein.

"Wir dürfen es uns nicht so leicht machen und sagen: Wir kriegen einfach niemanden", fährt er fort. Fakt sei, dass der Einbruch in Folge des demografischen Wandels nicht stärker sei als in anderen Branchen. Deshalb erklärt er, "haben wir unser Profil verändert". Konkret heißt das: "Wir bewerten heute die vorhandenen Stärken und Anlagen. Das heißt im Umkehrschluss geben wir den Zeugnissen nicht mehr so viel Gewicht. Die wesentliche Frage ist: Sind dem Bewerber die Grundfähigkeiten zu vermitteln? Dabei achte ich auf Persönlichkeitsmerkmale und Sozialverhalten des Bewerbers."


Der "Ausbildungsbotschafter"

"Wir bekommen zwar deutlich weniger Bewerbungen als früher, dafür wollen aber diejenigen, die zu uns kommen, den Beruf auch lernen", resümiert er. Handeln ist dennoch angesagt. Michael Möslein: "Ich gehe raus, stelle mein Haus vor und versuche die jungen Leute zu begeistern." Als Ausbildungsbotschafter besuche er Schulen und stelle die sechs Berufsbilder der Gastronomie vor.

Die Arbeitszeiten in der Gastronomie sind zugegebenermaßen anders strukturiert als in vielen anderen Branchen. An Sonn- und Feiertagen zu arbeiten ist normal - doch auch das kann man positiv sehen, da gerade die Arbeitszeit in unserer globalisierten Welt durchaus auch Vorteile mit sich bringt. Michael Möslein: "Es wird nicht mehr als in anderen Ausbildungsberufen gearbeitet, sondern anders. In einem interessanten und stilvollen Ambiente treten wir als Gastgeber auf."

Lea Weber, die im dritten Lehrjahr ist und in Banz als Hotelfachfrau ausgebildet wird, sieht es locker: "Das kann schließlich auch von Vorteil sein, als Ausgleich dafür unter der Woche mal frei zu haben."



Interview

Andere Branchen schätzen die Sozialkompetenz der Gastronomie-Fachkräfte sehr


Günther Elfert, der oberfränkische Bezirksgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (BHG), sowie Bernd Rehorz, Leiter des Bereichs Berufliche Bildung der IHK Bayreuth, Geschäftsführer des Berufsbildungs- und Fachkräfteausschusses sowie Betreuer der Wirtschaftsjunioren Lichtenfels, beantworten die Fragen unserer Zeitung zur Zukunft der beruflichen Bildung in der Gastronomie.

Nimmt die Zahl der jungen Leute, die sich für einen Ausbildungsberuf in der Gastronomie interessieren ab?
Günther Elfert: Aufgrund des demografischen Wandels besteht auch in der Gastronomie und Hotellerie ein Rückgang des Interesses von jungen Leuten an einer Ausbildung im Gastgewerbe. In Oberfranken sind es 616 Auszubildende bei der IHK Bayreuth, also - 6,24 Prozent gegenüber dem Vorjahr, und 63 Auszubildende bei der IHK Coburg, also -22,22 Prozent.

Damit gehören die Gastgewerblichen Berufe und insbesondere der Beruf Hotelfachmann zu den zehn beliebtesten Berufen. Die Zahlen für Bayern: Fachkraft im Gastgewerbe: 530 Auszubildende, davon 348 weibliche Auszubildende Hotelfachfrau/-mann: 4625 Auszubildende, davon 3451 weibliche Auszubildende Hotelkauffrau/mann: 267 Auszubildende, davon 173 weibliche Auszubildende Koch/Köchin: 3746 Auszubildende, davon 929 weibliche Auszubildende Restaurantfachfrau/-mann: 772 Auszubildende, davon 492 weibliche Auszubildende Fachfrau/-mann für Systemgastronomie: 591 Auszubildende, davon 353 weibliche Auszubildende. Generell bilden 51 Prozent der gastronomischen Betrieben aus, wobei 32 Prozent der Betriebe angeben, dass sie zwar Bewerbungen erhalten, jedoch die Bewerber nicht die nötige Ausbildungsreife für die vielfältigen komplexen Anforderungen und Aufgaben in einem Hotel mitbringen - das ist einer aktuellen Umfrage im Rahmen des AHGZ Allgemeine Hotel- und Gaststättenzeitung-Monitors zu entnehmen.

Bernd Rehorz: Aufgrund des demografischen Wandels, welcher unter anderem einen starken Rückgang der Schulentlasszahlen beinhaltet, nimmt die Zahl der jungen Leute, die sich an einer Ausbildung in der Gastronomie interessieren, ebenfalls ab.
Die Gastronomie kämpft, wie zum Beispiel auch der Einzelhandel, mit den Arbeitszeiten für ihre Mitarbeiter: Sie arbeiten dann, wenn andere feiern. Auch sind die Arbeitszeiten nur schwer mit der Familie zu vereinbaren.

Werden Gaststätten auch deshalb geschlossen, weil kein Personal oder keine Nachfolger mehr da sind?
Elfert: Laut einer aktuellen Studie ist eine ungeklärte Unternehmensnachfolge durchaus mit ein Grund, warum Wirtshäuser in der Vergangenheit ihre Türen für immer schließen mussten.

Rehorz:
Ja, besonders auf dem Lande, wo das typische Dorfwirtshaus oftmals, aufgrund der Ertragslage, nur im Nebenerwerb vom Gastwirt erfolgreich zu bewirtschaften ist.

Stimmt es, dass gut ausgebildete Hotel- und Restaurantfachkräfte von Unternehmen anderer Branchen abgeworben werden?
Elfert: Die Ausbildung in Hotellerie und Gastronomie ist die Basis für 111 Berufe. Vor allem aber lernen unsere Auszubildenden mit Menschen umzugehen und Service zu leben.
Diese Sozialkompetenz wird in kaum einer Branche derart professionell vermittelt. Daher sind Auszubildende aus dem Gastgewerbe in vielen Branchen begehrt, was für die Qualität unserer Ausbildung spricht - die im Übrigen weltweit anerkannt ist. Mit einer Ausbildung im Gastgewerbe hat jeder Jugendliche eine weltweite Jobgarantie und eine Studienberechtigung obendrein.

Rehorz:
Mitarbeiter im Hotel oder Restaurant haben gelernt, mit "Leuten umzugehen", das heißt sie haben gute Umgangsformen und sind prädestiniert, Kunden und Gäste zu beraten. Deshalb haben sie auch in anderen Branchen gute Chancen.

Was sollten Wirte und Hoteliers tun, um die Situation zu verbessern?
Elfert: Sie sollten sich als "TOP"-Ausbildungsbetrieb zertifizieren lassen, was natürlich bedeutet, dass sie auch alle Voraussetzungen für dieses Siegel in ihrem Betrieb schaffen. Das bedeutet tarifliche Bezahlung, Einhaltung der Arbeitszeiten, Weiterbildung und wertschätzende Mitarbeiterführung. Wer das Siegel "TOP"-Ausbildungsbetrieb führt, wird hochwertige Bewerbungen von engagierten Jugendlichen erhalten.

Rehorz:
Unternehmer in der Gastronomie müssen ihren Betrieb attraktiv für ihre Kunden machen. Nur wenn eine gute Ertragslage gesichert ist, ist das Unternehmen auch attraktiv für gute Mitarbeiter, was wiederum Voraussetzung für eine gute Bewirtung/Betreuung der Gäste ist. Für Gäste attraktiv ist zum Beispiel Eventgastronomie, besonderes Ambiente, besondere Spezialitäten ...

Wie groß schätzen Sie den Bedarf an Nachwuchs in Oberfranken jährlich ein?
Elfert: Nach meiner Ansicht besteht derzeit ein Bedarf von ca. 300 bis 350 neuen Auszubildenden jährlich. Wir bitten zu berücksichtigen, dass eine Branche mit 354 000 Erwerbstätigen in Bayern, die tagtäglich, jeden Abend, jedes Wochenende und jeden Feiertag - ähnlich wie Journalisten - dafür sorgen, dass Menschen in ihrer Freizeit ausgehen, speisen und übernachten können, nicht auf Zahlen zu reduzieren ist. Das manchmal leider stattfindende Schlechtreden dieser Branche wird den tollen Leistungen der 354 000 wunderbaren dienstleistungsbereiten Mitmenschen nicht gerecht.

Rehorz:
Entsprechend den bei uns registrierten Ausbildungsverträgen in dieser Branche schätzen wir den Bedarf an jungen Fachkräften in Oberfranken auf knapp 300 pro Jahr.

Die Fragen stellte Matthias Einwag