Der Jubel über den Weltmeistertitel war riesengroß, er fand seine Grenzen durch die vorgerückte Stunde und die kühle Witterung. Doch was wird bleiben außer der Erinnerung an ein wunderbares Finale? Wir sprachen mit vier Trainern über Teamgeist, Nachwuchssorgen und Chancen.
Die "schönste Nebensache der Welt" war in den vergangenen Wochen für viele Menschen eine Hauptsache. Nun ist die WM vorüber, der Titel geholt. Doch wie wirkt sich die Begeisterung auf die lokalen Sportvereine aus? Wirkt sie nach? Gibt der Weltmeistertitel dem Fußball einen neuen Kick und bringt er den Vereinen den dringend erhofften Nachwuchs?
Erbil Demirel, der die 1. Mannschaft des TSV Bad Staffelstein seit dieser Saison trainiert, hat das Spiel zu Hause in Lichtenfels im kleinen Kreis gesehen. Er habe seit Jahren da rauf gewartet, "dass eine der größten Mannschaften den Pokal" holen werde - entsprechend groß sei nun seine Freude. In Lichtenfels, sagt er, sei in dieser Nacht wahnsinnig viel los gewesen, Hupkonzerte und Jubelgesänge zeugten davon.
Mit Teamgeist vieles bewegt Bei den WM-Spielen habe er gesehen, was Teamgeist bewirken kann, fährt der
32-Jährige fort. Als Trainer bewundere er, wie Jogi Löw seine Mannschaft zu einem Team zusammenschweißte. Für einen Trainer sei es wichtig, auch die Spieler auf der Ersatzbank einzubeziehen. Ein Trainer müsse wissen, "dass er nicht mit elf Leuten ins Spiel geht, sondern mit 15 oder 16". Erbil Demirel: "Ich habe gesehen, was mit Teamgeist möglich ist, wenn die Mannschaft einer Führungsfigur wie Jogi Löw folgt."
Weil in den meisten Mannschaften immer weniger gut ausgebildete Spieler nachrücken, erhoffe er sich vom Weltmeistertitel einen gewissen Schub für den Volkssport Fußball. Neue Spieler braucht das Land.
"Wir haben einen ausgeglichenen Kader", sagt Erbil Demirel, aber es gelte, junge Leute zu motivieren.
Wo's mangelt? "Wir haben sehr wenig Linksfüßer, eigentlich nur einen, und der bin ich."
Seit vielen Jahren sieht sich Thomas Löffler alle EM- und WM-Spiele im Garten seiner Schwester in Lichtenfels an. Für den 52-Jährigen, der Jugendleiter und Betreuer der A-Jugend des TSV Bad Staffelstein ist, war der Ausgang des Finalspiels nicht überraschend. "Die Deutschen waren übers Turnier hinweg stets die bessere Mannschaft", begründet er. Seine Erleichterung sei aber groß gewesen, als das 1:0 fiel. "Am deutschen Team haben mir besonders die Kampfbereitschaft und die Einsatzfreude gefallen - exemplarisch dafür steht Bastian Schweinsteiger."
Auch Thomas Löffler erhofft sich, dass der Jubel nicht einfach verhallt. Die WM 2006 im eigenen Land habe Impulse gesetzt. Daraufhin konnte der TSV damals eine höhere Zahl von Neuanmeldungen verzeichnen.
2006 sei zum Beispiel zusätzlich eine E-Jugend-Mannschaft gebildet worden. Nachwuchs zu gewinnen sei für jeden Verein höchst erstrebenswert. "Die Jungen kommen in einem Alter zu uns, in dem sie noch formbar sind", fährt er fort. Es sei heute gängige Praxis und ihm persönlich sehr wichtig, die jungen Spieler zunächst auf ganz verschiedenen Positionen einzusetzen und sie nicht aufgrund ihres Körperbaus in ein Schema zu pressen. Pointiert ausgedrückt: "Philipp Lahm ist körperlich kein Großer, und trotzdem spielt er hinten in der Viererkette."
Auf mehr Jugendliche, die sich für Fußball interessieren, hofft auch Uwe Kalb, Trainer des FC Redwitz, dem Aufsteiger in die Landesliga Nord-Ost. "Das wird schon einen Boom auslösen bei den Jungen und Mädchen, weil jeder den Stars nacheifern will", prognostiziert er.
Das Sporttraining sei leider in den vergangenen Jahren mehr und mehr ins Hintertreffen geraten, resümiert er, denn Handy, PC und schulische Belastungen seien heute eine starke Konkurrenz für Sportvereine. Viele Jugendliche überlegten es sich da genau, ob sie den Aufwand des Trainings auf sich nehmen wollen. Vor 20, 30 Jahren sei das noch anders gewesen.
Uwe Kalb hat sich das Endspiel zu Hause angesehen. Was er sah, war das erwartet schwere Spiel, denn ihm war klar gewesen, dass es eng werden würde. Dennoch habe das deutsche Team verdient gewonnen. "Man kann immer irgendwo etwas mitnehmen", beschreibt er seinen professionellen Blick auf das Spiel: "Man holt sich Anregungen, versucht Gutes zu übernehmen und fiebert mit."
Für Jogi Löw, der über die Jahre hinweg gute Arbeit gemacht habe, sei dieser Titelgewinn eine verdiente Belohnung.
Er habe als verantwortungsvoller Trainer einen guten Kader zusammengestellt und immer dann, wenn es brenzlig wurde, Ruhe ausgestrahlt.
Der zwölfte Argentinier Elmar Liebner, der beim TSV Bad Staffelstein ab sofort die C-Jugend in der Bezirksoberliga trainiert, fand das Endspiel "insgesamt sehr schleppend". Ein wenig aufgebracht war der 44-Jährige über die Aktionen des Schiedsrichters, der "viele Tätlichkeiten der Argentinier nicht ahndete". Dazu gibt er einen heftigen Kommentar: "Ich dachte mir: Irgendwie spielen wir doch heute gegen Zwölf!"
Der Jubel nach dem 1:0 war vor allem in Lichtenfels groß. Im restlichen Landkreis beschränkten sich die spontanen Freudenausbrüche auf einige hupend durch die Nacht fahrende Autos und - in Bad Staffelstein - auf einen Bürger, der offenbar einige Silvesterböller zündete.
Polizeihauptkommissar Jürgen
Hagel von der Inspektion Lichtenfels spricht von einer ruhigen Nacht. Auto-Korsos seien schließlich nur interessant, wenn Publikum da sei - doch allzu viele Zuschauer säumten die Straßen in Lichtenfels und anderen Orten am Obermain in der Nacht zum Montag nicht mehr, denn "Wetter und Zeit waren dem nicht zuträglich", merkt er lakonisch an.