Erhält Lichtenfels ein Flüchtlingswohnheim?

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Auf einem Grundstück in der Lichtenfelser Mainau, unweit der Niederlassungen der Firmen Vögele (rechts) und Obi (links) möchte Martin Schramm die Asylbewerber-Unterkunft bauen. Foto: Matthias Einwag
Auf einem Grundstück in der Lichtenfelser Mainau, unweit der Niederlassungen der Firmen Vögele (rechts) und Obi (links) möchte Martin Schramm die Asylbewerber-Unterkunft bauen. Foto: Matthias Einwag
Am Ende des Gewerbegebiets Mainau könnten die Gebäude theoretische entstehen, denn die Bundesregierung hat Ende 2014 den Paragraphen 246 des Baugesetzbuches bewusst so abgeändert, dass die Gewerbegebietsbebauung mit Aufnahmeeinrichtungen grundsätzlich möglich wurde. Foto: Matthias Einwag
Am Ende des Gewerbegebiets Mainau könnten die Gebäude theoretische entstehen, denn die Bundesregierung hat Ende 2014 den Paragraphen 246 des Baugesetzbuches bewusst so abgeändert, dass die Gewerbegebietsbebauung mit Aufnahmeeinrichtungen grundsätzlich möglich wurde. Foto: Matthias Einwag
 

Der Unternehmer Martin Schramm plant, auf einem Grundstück in der Lichtenfelser Mainau einen oder mehr Wohnblöcke für jeweils 80 Flüchtlinge zu schaffen. Die Stadt braucht aber Zeit, um das Projekt bauplanerisch abzuklären.

Die Bauvoranfrage stellte Martin Schramm Mitte August bei der Stadt Lichtenfels: Zusammen mit der Weismainer Firma Dechant möchte der Lichtenfelser Bauunternehmer in der Mainau zwei bis vier Wohnblöcke errichten, je nach Bedarf. Sämtliche Betonfertigteile würden in Lichtenfels produziert. Der Neubau in Betonfertigteilbauweise mit einer Nutzfläche von 1374 Quadratmetern pro Gebäude könnte ab Baugenehmigung in rund vier Monaten Bauzeit hochgezogen werden. Rund 80 Asylbewerber würden in einem Wohnblock eine Unterkunft finden.
"Ich baue das auf eigenes Risiko und müsste mich entsprechend verschulden. Dennoch möchte ich im Rahmen meiner Möglichkeiten helfen", sagt Martin Schramm. Rund zwei Millionen Euro kostet ein Wohnblock inklusive der Erschließungskosten, der Gebäudeerschließung auf dem Grundstück selbst - hinzu kommt der Kaufpreis für das Grundstück.
Die Gebäudeabmessungen belaufen sich auf 45,4 mal 12,5 Meter bei dreigeschossiger Bauweise. Die geplanten Wohnblocks seien baugleich mit der bestehenden Unterkunft in Weismain, die entsprechend den Anforderungen der Regierung von Oberfranken konzipiert und bedarfsgerecht errichtet wurde, fährt Schramm fort.


Selbst initiativ geworden

Bei Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) hatte Martin Schramm im August schriftlich angefragt, ob die Stadt ein Grundstück besitze, das den Anforderungen zur Bebauung mit einem oder mehreren Wohnblocks genüge. Bisher sei jedoch keine Antwort aus dem Rathaus gekommen, sagt er. Deshalb sah Schramm sich selbst nach geeigneten Arealen um. Bezüglich der Bauleitplanung nahm er Kontakt zum Bauamt der Stadt Lichtenfels auf, damit das Projekt konform zu den Vorgaben der Kommune und des Kreises errichtet werden kann.
Fündig wurde Martin Schramm im Lichtenfelser Gewerbegebiet Mainau. In unmittelbarer Nähe der Firmen Vögele und Obi machte er ein Grundstück aus, das seiner Meinung nach gut geeignet wäre, um das Vorhaben zu realisieren: "Die Lage ist super, mitten im Grünen - die Asylbewerber könnten in der Nähe einkaufen, ohne dass sie weit laufen oder gar, wie anderswo, mit Bussen gefahren werden müssten."
Mit dem Geschäftsführer der Eigentümerfirma des Geländes, der Firma Admira, hat Martin Schramm bereits die Eckdaten für einen Grundstückskauf festgelegt: "Nun liegt es an der Stadt und am Landratsamt, Flagge zu zeigen", sagt er.
Martin Schramm hatte erst die Initiative ergriffen, nachdem er im August vom Landratsamt Lichtenfels eine Anfrage bekam. Die Behörde wollte wissen, ob die Lagerhallen der Firma Schramm in Seubelsdorf zur Unterbringung von Asylbewerbern geeignet seien. Schramm prüfte das und antwortete dem Landratsamt, "dass die hierfür nötigen Umbauten beinahe die Kosten eines Neubaus erreichen: "Das Hauptproblem ist, dass unsere Hallen zwar ideal für Logistik und entsprechenden Schwerverkehr sind - aber eben nicht für Wohnzwecke. Zudem ist das gesamte Freigelände versiegelt, es gibt keine Grünflächen und nur Aussicht auf andere Hallen. Nicht eben prickelnd zur Unterbringung von Menschen."


Bedarfsgerechter Neubau

Bei einem Neubau hingegen könne alles bedarfsgerecht geplant und realisiert werden, sagt Schramm. Daher sei ein Neubau für diesen Zweck geeigneter. "In Kombination mit einem für diesen Zweck idealen Standort sicher die bessere Lösung", ergänzt er.
Zudem habe er seinem seit 11. November 2014 laufenden Bauverfahren für ein Asylbewerberheim an der Oberauer Straße in Bad Staffelstein "neuen Wind eingehaucht". Der Staffelsteiner Stadtrat hatte diese Pläne im vergangenen Jahr abgelehnt, weil die dort geplante Bebauung mit Wohnblöcken für Asylbewerber gebietsverändernd seien. Zudem gebe es Lärmeinträge durch das Hackschnitzelheizwerk der Obermain-Therme, weshalb eine Bebauung mit Wohnblöcken nicht möglich sei.
Martin Schramm hat deshalb mit der Regierung von Oberfranken und dem bayerischen Innenministerium Kontakt aufgenommen, um auch dieses Projekt weiterverfolgen zu können. Angesichts der Misere der Unterbringung von Asylbewerbern sei das dringend notwendig, sagt er. "Schließlich sind ja immer noch Menschen bei uns im Landkreis in Turnhallen untergebracht", fährt er fort. Wenn er den bayerischen Innenminister Herrmann richtig verstehe, sei alles, was mit einem laufenden Baugenehmigungsverfahren zur menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen zusammenhänge, mit Vorrang zu behandeln. Auch aus diesem Grund habe er jetzt in Lichtenfels nach einer zusätzlichen Lösung gesucht, weil das Projekt in Bad Staffelstein auf Eis liege.


Standpunkt der Stadt Lichtenfels

Doch wie steht die Stadt Lichtenfels zu diesen Plänen? Bürgermeister Andreas Hügerich antwortete auf Anfrage unserer Zeitung schriftlich: "Aufgrund Ihrer Nachfrage über die Bauvoranfrage einer Asylbewerberunterkunft im Gewerbegebiet Mainau darf ich Ihnen mitteilen, dass hier noch bauplanerische Abstimmung erforderlich ist und diese Anfrage im Bauausschuss am 27. Oktober in öffentlicher Sitzung behandelt wird. Ich bitte deshalb um Ihr Verständnis, dass wir seitens der Stadt erst nach dieser Sitzung Ihnen weitere Auskünfte erteilen können. Ich möchte darauf hinweisen, dass Herr Schramm am 17. August nicht die Bauvoranfrage bei uns einreichte, sondern sich über mögliche Grundstücke erkundigte. Hier wurde ihm umgehend durch unsere Mitarbeiter die Auskunft erteilt."
Martin Schramm, der sich keiner Fehler bewusst ist, weil er beim Stadtbauamt vorstellig geworden war, ist verärgert: "Ich bin fassungslos. Wie soll ich denn sonst ein Projekt vorwärts treiben, wenn nicht auf diese Weise?"







Kommentar

Bauen auf sensiblem Terrain


Der Fall ist verzwickt: Viele wollen helfen, Asylbewerber unterzubringen, doch die wenigsten haben ein Rezept. Wenn's konkret wird, halten sich Kommunen höchst bedeckt. Rechtsanwalt Horst Müller, den der Bauunternehmer Martin Schramm eingeschaltet hat, drückt sich noch deutlicher aus: "Die Gemeinden wollen das schlicht nicht", sagt der Jurist, der einst oberfränkischer Regierungsvizepräsident gewesen ist.
Wie also weiter? Zwar hat die Bundesregierung absichtlich das Baurecht (§ 246, Abs. 10) geändert, um den Bau von mehr Asylbewerberunterkünften zu fördern. Doch einige Kommunen sehen sich in ihrer Bauleitplanung behindert und mauern statt das Bauen zu ermöglichen.
Zehn Flüchtlinge musste der Kreis Lichtenfels bislang pro Woche dauerhaft unterbringen. Nun wurde die Quote auf 14 pro Woche erhöht. Landrat Christian Meißner hat deshalb deutlich gemacht, dass der Kreis damit am Limit ist. Und private Immobilien sollen auf keinen Fall herangezogen werden.
Natürlich ist es nicht leicht, Standorte zu finden, die allen Anforderungen gerecht werden. Doch was würde passieren, wenn man die Kommunen allein ließe mit der Forderung, Wohnraum für Asylbewerber zu schaffen? Ein Stadt- oder Gemeinderat sollte einem Unternehmer wie Martin Schramm dankbar sein, weil dieser versucht gemeinsame Wege aufzuzeigen. Natürlich rechnet ein Unternehmer die Sache durch und peilt eine Rendite an. Das ist legitim, alles andere wäre blauäugig.

Matthias Einwag