Lange suchte das "Ballon"-Filmteam rund um Michael "Bully" Herbig überall nach einem sowjetischen Militärhubschrauber Mil Mi-2. Valerian Kießling aus Roth fliegt seinen regelmäßig. Er flog auch über die Leinwand. Das Publikum sah einen Arm und eine Hand von ihm. Foto: Markus Häggberg
Als ein Mitarbeiter von "Bully" Herbig bei ihm anrief dachte sich Valerian Kießling aus Roth "Veralbern kann ich mich selber". Doch dann wurde es ernst.
Es ist kühl und gefährlich in dieser Nacht in Pößneck. Ihnen gelingt die spektakulärste Flucht aus der DDR in den Westen als der Ballon an diesem 16. September 1979 in den Himmel steigt. Jetzt gibt es für die Familien Strelzyk und Wetzel kein Zurück mehr. Mittels selbstgebautem Heißluftballon. Der Fall geht um die Welt und landet 38 Jahre später auch bei einer Filmproduktionsfirma. Ihr Chef: Michael "Bully" Herbig. Der hat etwas vor mit dem Stoff, aber ihm fehlt eine entscheidende Requisite.
"Ein kurioser Anruf" vor zwei Jahren - Kießling dachte erst, es handle sich um einen Witz
Valerian Kießling kann sich noch gut an den Anruf erinnern, der im August oder September vor zwei Jahren bei ihm einging. "Es war ein kurioser Anruf." Der Rother Unternehmer bekam es mit einem Mann zu tun, der für die Beschaffung von Requisiten und Koordination betraut war. Das Projekt, an welchem er für seine Filmfirma arbeitete, war der Film "Ballon". Der Mann suchte einen Helikopter aus einer bestimmten Baureihe, und es lief ihm die Zeit davon. Einen Mil Mi-2, einen zweimotorigen Mehrzweckhubschrauber sowjetischer Baureihe, der im Nato-Code "Hoplite" hieß, sollte er auftreiben. Genau so einen benutzten die Grenztruppen der DDR innerhalb der Hubschrauberstaffel 16 für Grenzüberwachungs- und Sicherungsaufgaben im September '79.
Doch der Beschaffer hatte sich die Beschaffung leichter vorgestellt, denn wer hat schon eine Mil Mi-2 in petto? Immer wieder startete er deutschlandweit Anrufe, immer wieder Erkundigungen, immer wieder bekam er Absagen. Währenddessen rückten die Drehtermine unaufhaltsam näher. Doch es musste eben dieses Modell sein und kein anderes.
Zu dieser Zeit tat Valerian Kießling das, was er immer tut. Der Unternehmer ging seinen Geschäften und Projekten nach, flog dann und wann seinen Hubschrauber. Er ist Mitglied im Deutschen Hubschrauberclub. Ein leidenschaftlicher Flieger, ein Mann, der schon auf Flugschauen sein Können zeigte und bei dem als Gartentor das Höhenleitwerk einer MiG-21 verbaut steht. Der Hinweis auf ihn als mögliche Chance auf einen Mil Mi-2 kommt für die Filmproduktionsfirma aus Bückeburg und vom dortigen Hubschraubermuseum. "Na klar, der Valerian fliegt doch die", lautet ein Satz, von dem Kießling später erfuhr. Kießling erinnert sich auch an das Telefonat und die erste Kontaktaufnahme der Filmfirma. Vor allem aber erinnert er sich an seine eigene Reaktion. "Veralbern kann ich mich selber", habe er gesagt und aufgelegt. Dann kamen der Rückruf und die Versicherung dessen, dass "das kein Witz ist". Und anderntags das Treffen.
Seine Hand war im Film zu sehen
Kießling ist noch heute beeindruckt von dem Mann, den er "Beschaffer" nennt. "Der Beschaffer, der kannte sich mit allem aus, dem konnten sie nichts verkaufen." Wie Kießling davon erzählt, wie unglaublich gut sich dieser Beschaffer mit den Baureihen und Bauweisen des Armeebestands der Nationalen Volksarmee (NVA) auskannte und genau wusste, was er wollte, nimmt sein Gesicht den Ausdruck höchsten Respekts an. Auch der Aufwand, mit dem die Requisiten zur Wiederauferstehung des Jahres 1979 in der DDR beschafft wurden, nötigt ihm Respekt ab: "Der hatte eine Mannschaft von 100 Mann."
Etwas DDR-Flair in Kulmbach
Tatsächlich tauchen im Film auch Hand und Arm von Valerian Kießling auf, dann nämlich, wenn im Cockpit Kontrolllämpchen ausgeschaltet werden. Denn eigentlich ist ja er geflogen. Doch immer dann, wenn der Pilot im Film zu sehen war, so verrät Kießling, "stand der Vogel". Flog der "Vogel", dann zumeist über dem Flugplatz in Kulmbach. Ein Grund dafür mochte darin gelegen haben, dass "der Turm des Flugplatzes noch heute aussieht wie zur Zeit des Kalten Krieges".
Michael "Bully" Herbig hat Kießling auch kennengelernt. "Der Bully hat klar gesagt, dass er von Blödsinn auf gescheite Themen umsteigen will (...) und er ist ein sehr netter Mensch, aber auch sehr sachlich", so Kießlings Eindruck von dem Drehbuchautor, Produzenten und Regisseur. Mit "Ballon" gelang Herbig 2018 ein Kinoerfolg, dem die Deutsche Film- und Medienbewertung das Prädikat "besonders wertvoll" verlieh. Bis Ende 2018 wurde er von knapp einer Million Kinobesuchern gesehen. Mit im Bild: Valerian Kießlings Hand und Arm.